19.11.2012 - 13:25 Uhr
Palonera
467 Rezensionen
Palonera
Sehr hilfreiche Rezension
16
Nah. Näher. Noch näher.
Gigli? Parfum? Da war doch etwas, grübel...
Mehr als zwanzig Jahre muß ich gedanklich in die Vergangenheit reisen, um jenen Gigli-Duft wiederzufinden, der in lang vergangener Zeit meinen Weg gekreuzt hat, ohne jedoch bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Ein wenig melonig, ein wenig aquatisch und insgesamt recht nichtssagend war er mir in Erinnerung geblieben und hatte so vermutlich auch die Erwartungshaltung geprägt, mit der ich jenes Röhrchen "Sunrise" betrachtete – nicht wenig erstaunt, einen Gigli im Bereich der Nischenparfümerie vorzufinden, schien er sich doch nicht einmal einen Platz im Mainstream erobert zu haben.
Früchte, Blumen, Holz und Vanille finden sich in der Pyramide von "Sunrise" und künden damit von nichts besonders Aufsehenerregendem, lassen eher einen der vielen auf den heutigen Markt strömenden Fruity-Floralen erwarten.
Das paßt noch zu meiner Gigli-Erinnerung – der Preis hingegen tut es nicht.
Und der Flacon eigentlich auch nicht.
Leicht irritiert gehe ich der Sache auf den Grund und stelle fest, daß es zwei Parfumhäuser unter dem Namen Gigli gibt: Romeo Gigli, dem ich meine erste Begegnung mit diesem Namen zu verdanken habe, und Paolo Gigli, dessen vor mir stehende Duftkreation einen olfaktorischen Sonnenaufgang zu versprechen scheint.
Ich war noch nicht in San Fiorentino, jener Stadt, aus der Paolo Giglis Glas- und Duftschöpfungen stammen.
Ich habe keine Ahnung, welche Farben der dortige Himmel bei Sonnenaufgang annimmt, welche Konsistenz die Luft hat, welche Pflanzen und Früchte in dieser Gegend um Florenz gedeihen.
Doch nichts, was ich mir an einem Sonnenaufgang irgendwo auf dieser Welt vorstellen kann, hätte mich auf diesen dunkelgrauen, geradezu medizinisch bitteren und herb-holzigen ersten Eindruck vorbereiten können, mit dem "Sunrise" meine harmlos-harmonische, fruchtig-grüne Noten erwartende Nase schockiert.
"Oud!" denke ich sofort, aber nirgendwo ist Oud gelistet, das sich doch in seiner oft gefürchteten und zugleich im Übermaß gehypten harzigen Bitterkeit unverwechselbar um meine Geruchsnerven windet.
Noch habe ich mich nicht von meinem Schrecken erholt, als inmitten dieses nebligen, grauen Novembermorgens langsam goldene und grüne Lichter aufscheinen, Pfirsich und Limette durch das Holz dringen und ihm von Sekunde zu Sekunde mehr von seiner ursprünglichen Strenge nehmen.
In diesem Augenblick scheint tatsächlich die Sonne aufzugehen, schiebt sich Millimeter um Millimeter ein kühl-hellgoldenes Strahlen über den Horizont.
Keine Gräser, keine Kräuter, gar kein Grün außer der Limette, die Seite an Seite mit einem auf den Punkt gereiften Pfirsich das Zepter übernimmt, hofiert von sich zur Untermalung zurückziehendem Holz und sich dezent im Hintergrund haltender, noch am Baum hängender Mandarine.
Langsam steigt die Sonne höher und erwärmt Luft und Landschaft, entschmeichelt den noch geschlossenen, taubenetzten Blütenkelchen nur einen Hauch von Duft, der die leicht gesüßten Frucht-Holztöne fein unterstreicht.
Alle Bitterkeit hat sich nun zurückgezogen, "Sunrise" beginnt zu changieren und zugleich an Wärme, Tiefe und Komplexität zu gewinnen.
Nach etwa einer Stunde bin ich zum Herzen und noch weiter vorgedrungen und werde von einer erfreulich unschwülstigen, zurückgenommenen Orchidee neben eher dunkler Vanille begrüßt, ruhend auf einem weichen Bett aus Sandelholz und umhüllt von dunklem, leicht rauchigem und doch überhaupt nicht kaltem Patchouli.
So engmaschig und dicht ist die Komposition, daß ich mir nicht vorstellen kann, eine noch weitergehende Entwicklung zu erleben – doch ich kenne Paolo Gigli noch nicht, dessen offensichtliches Faible für Überraschungen, Wendungen und Kapriolen sich in diesem Duft und auf meiner Haut auslebt.
Plötzlich meine ich Ambroxan wahrzunehmen, jenen holzig-ledrigen Suchtstoff, dem ich in "Molecule 02" vom ersten Augenblick an verfallen bin – hier webt er sich fein unter, verdichtet das Duftgespinst noch weiter zu einer hocherotischen Basis, auf der von einem Augenblick auf den anderen eine dunkle, aristokratische Rose erblüht und mich an Montales "Black Aoud" denken läßt.
Im Gegensatz zu Pierre Montales Rosen-Oud-Kracher bleibt "Sunrise" jedoch in diesem Stadium sehr hautnah - keine Keule wird geschwungen, niemand wird um Atem ringend in die Knie gezwungen.
Wer in die Knie geht, tut es freiwillig.
"Sunrise" wird als "Duft für eine äußerst weibliche Frau" definiert – ich wage den Widerspruch.
Ein Mann kann diesen Duft so gut tragen wie eine Frau – die holzigen, kraftvollen und sehr charakteristischen Noten ohne prägnante Süße erwecken in mir deutlich erotisierende maskuline Assoziationen, ohne daß ich "Sunrise" deshalb als Herrenduft deklarieren würde.
Dieser Duft gehört zu einer Persönlichkeit, die ihn zu nehmen und mit sich zu verbinden weiß.
Der ich sehr gern sehr nah kommen würde.
Mehr als zwanzig Jahre muß ich gedanklich in die Vergangenheit reisen, um jenen Gigli-Duft wiederzufinden, der in lang vergangener Zeit meinen Weg gekreuzt hat, ohne jedoch bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Ein wenig melonig, ein wenig aquatisch und insgesamt recht nichtssagend war er mir in Erinnerung geblieben und hatte so vermutlich auch die Erwartungshaltung geprägt, mit der ich jenes Röhrchen "Sunrise" betrachtete – nicht wenig erstaunt, einen Gigli im Bereich der Nischenparfümerie vorzufinden, schien er sich doch nicht einmal einen Platz im Mainstream erobert zu haben.
Früchte, Blumen, Holz und Vanille finden sich in der Pyramide von "Sunrise" und künden damit von nichts besonders Aufsehenerregendem, lassen eher einen der vielen auf den heutigen Markt strömenden Fruity-Floralen erwarten.
Das paßt noch zu meiner Gigli-Erinnerung – der Preis hingegen tut es nicht.
Und der Flacon eigentlich auch nicht.
Leicht irritiert gehe ich der Sache auf den Grund und stelle fest, daß es zwei Parfumhäuser unter dem Namen Gigli gibt: Romeo Gigli, dem ich meine erste Begegnung mit diesem Namen zu verdanken habe, und Paolo Gigli, dessen vor mir stehende Duftkreation einen olfaktorischen Sonnenaufgang zu versprechen scheint.
Ich war noch nicht in San Fiorentino, jener Stadt, aus der Paolo Giglis Glas- und Duftschöpfungen stammen.
Ich habe keine Ahnung, welche Farben der dortige Himmel bei Sonnenaufgang annimmt, welche Konsistenz die Luft hat, welche Pflanzen und Früchte in dieser Gegend um Florenz gedeihen.
Doch nichts, was ich mir an einem Sonnenaufgang irgendwo auf dieser Welt vorstellen kann, hätte mich auf diesen dunkelgrauen, geradezu medizinisch bitteren und herb-holzigen ersten Eindruck vorbereiten können, mit dem "Sunrise" meine harmlos-harmonische, fruchtig-grüne Noten erwartende Nase schockiert.
"Oud!" denke ich sofort, aber nirgendwo ist Oud gelistet, das sich doch in seiner oft gefürchteten und zugleich im Übermaß gehypten harzigen Bitterkeit unverwechselbar um meine Geruchsnerven windet.
Noch habe ich mich nicht von meinem Schrecken erholt, als inmitten dieses nebligen, grauen Novembermorgens langsam goldene und grüne Lichter aufscheinen, Pfirsich und Limette durch das Holz dringen und ihm von Sekunde zu Sekunde mehr von seiner ursprünglichen Strenge nehmen.
In diesem Augenblick scheint tatsächlich die Sonne aufzugehen, schiebt sich Millimeter um Millimeter ein kühl-hellgoldenes Strahlen über den Horizont.
Keine Gräser, keine Kräuter, gar kein Grün außer der Limette, die Seite an Seite mit einem auf den Punkt gereiften Pfirsich das Zepter übernimmt, hofiert von sich zur Untermalung zurückziehendem Holz und sich dezent im Hintergrund haltender, noch am Baum hängender Mandarine.
Langsam steigt die Sonne höher und erwärmt Luft und Landschaft, entschmeichelt den noch geschlossenen, taubenetzten Blütenkelchen nur einen Hauch von Duft, der die leicht gesüßten Frucht-Holztöne fein unterstreicht.
Alle Bitterkeit hat sich nun zurückgezogen, "Sunrise" beginnt zu changieren und zugleich an Wärme, Tiefe und Komplexität zu gewinnen.
Nach etwa einer Stunde bin ich zum Herzen und noch weiter vorgedrungen und werde von einer erfreulich unschwülstigen, zurückgenommenen Orchidee neben eher dunkler Vanille begrüßt, ruhend auf einem weichen Bett aus Sandelholz und umhüllt von dunklem, leicht rauchigem und doch überhaupt nicht kaltem Patchouli.
So engmaschig und dicht ist die Komposition, daß ich mir nicht vorstellen kann, eine noch weitergehende Entwicklung zu erleben – doch ich kenne Paolo Gigli noch nicht, dessen offensichtliches Faible für Überraschungen, Wendungen und Kapriolen sich in diesem Duft und auf meiner Haut auslebt.
Plötzlich meine ich Ambroxan wahrzunehmen, jenen holzig-ledrigen Suchtstoff, dem ich in "Molecule 02" vom ersten Augenblick an verfallen bin – hier webt er sich fein unter, verdichtet das Duftgespinst noch weiter zu einer hocherotischen Basis, auf der von einem Augenblick auf den anderen eine dunkle, aristokratische Rose erblüht und mich an Montales "Black Aoud" denken läßt.
Im Gegensatz zu Pierre Montales Rosen-Oud-Kracher bleibt "Sunrise" jedoch in diesem Stadium sehr hautnah - keine Keule wird geschwungen, niemand wird um Atem ringend in die Knie gezwungen.
Wer in die Knie geht, tut es freiwillig.
"Sunrise" wird als "Duft für eine äußerst weibliche Frau" definiert – ich wage den Widerspruch.
Ein Mann kann diesen Duft so gut tragen wie eine Frau – die holzigen, kraftvollen und sehr charakteristischen Noten ohne prägnante Süße erwecken in mir deutlich erotisierende maskuline Assoziationen, ohne daß ich "Sunrise" deshalb als Herrenduft deklarieren würde.
Dieser Duft gehört zu einer Persönlichkeit, die ihn zu nehmen und mit sich zu verbinden weiß.
Der ich sehr gern sehr nah kommen würde.
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