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Top Rezension
Frühling im Pferdestall
„Um Gottes Willen!“
Mit Schwung und unter dramatischer Anrufung der Heiligen und der Muttergottes wird der Topf mit der wunderschön blühenden „Bridal Crown“, einer kleinen, weissen, gefüllten Narzissensorte, die ich kürzlich als kleines Dankeschön geschenkt bekam, von meiner (zweifellos) besseren Hälfte aus dem Esszimmer einen Raum weiter befördert.
Obwohl ich das schwere, irgendwie fettige, etwas raue Aroma der weißen Blüten mag, ist die geruchliche Nähe zu Pferdeställen nicht zu leugnen. Ich gebe zu, im Esszimmer entfaltet der Duft der Blüten eine - formulieren wir es einmal diplomatisch - unpassende Wirkung, und ich bin mir auch nicht so ganz sicher, ob eine Braut dufttechnisch mit einem Kranz aus Narzissenblüten passend unterwegs wäre. Es käme wohl auf die Toleranz des zu heiratenden Subjekts in puncto Narzissenduft an. Ich gebe also klein bei, der Pott darf ab jetzt ein Zimmer weiter vor sich hin stinken.
Im Frühling, der sich derzeitig leider noch sehr zurück hält, sieht man sie quasi überall, und es sind meistens nicht die großblütigen, ungefüllten, klassischen gelben Osterglocken (die ich ein bisschen langweilig finde), welche den typischen Narzissenduft verströmen, sondern die kleineren, blassgelb oder weiß blühenden Narzissen, auf den ersten Blick etwas unscheinbarer als die klassischen Vertreter, aber vollkommen unverkennbar, was ihren Duft angeht, und die so schöne Artennamen wie „Dichternarzissen“ tragen.
Die Pflanze hat offenbar schon seit der Antike eine gewisse literarische Aufmerksamkeit erregt, und es dürfte wohl auch an ihrem Duft liegen. Der Sage nach war es der schöne Jüngling Narkissos, der das heftige Liebeswerben der Nymphe Echo verschmähte und infolge dessen von den Göttern damit gestraft wurde, sich auf tragische Weise in sein eigenes Spiegelbild zu verlieben. An der unerfüllten Liebe zu seinem eigenen Antlitz, dessen Spiegelung er in der Oberfläche eines Gewässers erblickte, verhungerte der Knabe schließlich buchstäblich. Auf seinem Grab aber erblühte bald eine liebreizend das Blütenköpflein senkende Blume mit narkotischem (jawohl!) Duft: Die erste Narzisse der Welt war geboren, und ihre Abkömmlinge spalten seitdem die Menschheit in solche Exemplare wie mich und eben andere (siehe weiter oben).
Dass der Duft nun so gar nicht frühlingshaft, weißblüherisch und zart daherkommt, sondern besser auf trockene, heisse, sonnenüberflutete Weiden, auf denen die Heuballen und Pferdeäpfel in der Mittagshitze trocknen, passen würde, mag auch Monsieur Corticchiato, dem Mastermind von Parfum d‘Empire, durch den Kopf gegangen sein, als er Tabac Tabou kreierte. Parfum d‘Empire hat auf Parfumo eine kleine, aber treue Anhängerschaft, zu der ich mich auch uneingeschränkt zählen darf. Corticchiatos Düfte sind nicht immer un-anstrengend, aber stark darin, Bilder zu erschaffen. Man wird oft erst auf den zweiten oder dritten Riecher „abgeholt“, dabei bleiben die Düfte meistens französischer Parfümhistorie und einer eleganten Distinguiertheit verpflichtet, besitzen gleichzeitig aber genug Widerspenstigkeit, um in die Nische zu gehören.
Bei Tabac Tabou steht die Narzisse mit ihren kraftvollen Duftaspekten im Mittelpunkt. Tabak ist, wenn überhaupt, transparentes Beiwerk und unterstreicht im Herzen des Duftes eher die raue, hitzige Fülle, mit der die Narzisse das Duftzentrum bildet. Ich bilde mir ein, sowohl saftige Aspekten des Tabakblatts als auch die kratzige Rauigkeit des Tabakrauchs wahrzunehmen, beide Aspekte sind aber eher dazu da, das blühende Zentrum des Duftes zu umhüllen. Wer einen klassischen Tabak-Duft erwartet, dürfte also enttäuscht werden. Dennoch ist Tabac Tabou kein Narzissen-Soliflor, da einige weitere Duftaspekte eingewoben werden, um besagtes Bild einer heißen, trockenen Savanne zu erzeugen. Der Beginn ist kräuterig und grün, eher dem versiegenden Pflanzensaft und trocknenden Stängeln der Narzisse zuzuordnen als ihrem Blütenschmuck, wobei bereits gleich zu Beginn die sonnig-warme Stimme von Honig in Erscheinung tritt. Die goldene, herbe Honignote bleibt dem Duft bis zum Ende erhalten und wird sanft von der italienischen Strohblume (Immortelle) befeuert, schwächt sich aber langsam im weitere Verlauf ab, um den eigentlichen Stars der Show Platz zu machen: Narzissenblüten in ihrer körperlichen, fettigen, an Pferdeställe erinnernden, fast animalischen Fülle und sonnengekitzeltes, kräuteriges Heu. Die Heunote ist gerade, wenn die Honignote nach einiger Zeit abschwächt, am deutlichsten wahrnehmbar und unterstreicht das trockene, spröde, sonnenüberflutete, warme Herz des Duftes. Die Pyramide listet Moschus, was ich -denkt man an die sich langsam steigernde kratzige Staubigkeit des Duftes- glauben will.
Bei der Einordnung des Duftes wäre man bei der Kombination Grün/Heu wahrscheinlich am ehesten in der Fougère-Richtung passend unterwegs, allerdings erinnerte er mich in seiner trocken-spröde-würzigen Art auch an alte Oriental-Chypres und ich könnte mir vorstellen, dass möglicherweise ein paar Duft-Erinnerungen an alte Schätze dieser Richtung bei Herrn Corticchiato ihren Einfluss in der Kreation des Duftes hatten.
Tabac Tabou ist ein fordernder, trockener, angerauter, ganz und gar unfrühlingshafter Narzissenduft, an dem ich mich immer wieder gerne und buchstäblich reibe, der es einem aber aufgrund seiner speziellen Eigenschaften und mit Rücksicht auf mein empfindsames Umfeld eher schwer macht, ihn zu tragen. Im heissen, staubigen Sommern ist er wahrscheinlich großartig.
Wer hingegen jahreszeitlich passende weißblühende Frühlingsstimmung sucht, dem sei „Bridal Crown“, eine gefüllt blühende Narzissensorte … lassen wir das.
Mit Schwung und unter dramatischer Anrufung der Heiligen und der Muttergottes wird der Topf mit der wunderschön blühenden „Bridal Crown“, einer kleinen, weissen, gefüllten Narzissensorte, die ich kürzlich als kleines Dankeschön geschenkt bekam, von meiner (zweifellos) besseren Hälfte aus dem Esszimmer einen Raum weiter befördert.
Obwohl ich das schwere, irgendwie fettige, etwas raue Aroma der weißen Blüten mag, ist die geruchliche Nähe zu Pferdeställen nicht zu leugnen. Ich gebe zu, im Esszimmer entfaltet der Duft der Blüten eine - formulieren wir es einmal diplomatisch - unpassende Wirkung, und ich bin mir auch nicht so ganz sicher, ob eine Braut dufttechnisch mit einem Kranz aus Narzissenblüten passend unterwegs wäre. Es käme wohl auf die Toleranz des zu heiratenden Subjekts in puncto Narzissenduft an. Ich gebe also klein bei, der Pott darf ab jetzt ein Zimmer weiter vor sich hin stinken.
Im Frühling, der sich derzeitig leider noch sehr zurück hält, sieht man sie quasi überall, und es sind meistens nicht die großblütigen, ungefüllten, klassischen gelben Osterglocken (die ich ein bisschen langweilig finde), welche den typischen Narzissenduft verströmen, sondern die kleineren, blassgelb oder weiß blühenden Narzissen, auf den ersten Blick etwas unscheinbarer als die klassischen Vertreter, aber vollkommen unverkennbar, was ihren Duft angeht, und die so schöne Artennamen wie „Dichternarzissen“ tragen.
Die Pflanze hat offenbar schon seit der Antike eine gewisse literarische Aufmerksamkeit erregt, und es dürfte wohl auch an ihrem Duft liegen. Der Sage nach war es der schöne Jüngling Narkissos, der das heftige Liebeswerben der Nymphe Echo verschmähte und infolge dessen von den Göttern damit gestraft wurde, sich auf tragische Weise in sein eigenes Spiegelbild zu verlieben. An der unerfüllten Liebe zu seinem eigenen Antlitz, dessen Spiegelung er in der Oberfläche eines Gewässers erblickte, verhungerte der Knabe schließlich buchstäblich. Auf seinem Grab aber erblühte bald eine liebreizend das Blütenköpflein senkende Blume mit narkotischem (jawohl!) Duft: Die erste Narzisse der Welt war geboren, und ihre Abkömmlinge spalten seitdem die Menschheit in solche Exemplare wie mich und eben andere (siehe weiter oben).
Dass der Duft nun so gar nicht frühlingshaft, weißblüherisch und zart daherkommt, sondern besser auf trockene, heisse, sonnenüberflutete Weiden, auf denen die Heuballen und Pferdeäpfel in der Mittagshitze trocknen, passen würde, mag auch Monsieur Corticchiato, dem Mastermind von Parfum d‘Empire, durch den Kopf gegangen sein, als er Tabac Tabou kreierte. Parfum d‘Empire hat auf Parfumo eine kleine, aber treue Anhängerschaft, zu der ich mich auch uneingeschränkt zählen darf. Corticchiatos Düfte sind nicht immer un-anstrengend, aber stark darin, Bilder zu erschaffen. Man wird oft erst auf den zweiten oder dritten Riecher „abgeholt“, dabei bleiben die Düfte meistens französischer Parfümhistorie und einer eleganten Distinguiertheit verpflichtet, besitzen gleichzeitig aber genug Widerspenstigkeit, um in die Nische zu gehören.
Bei Tabac Tabou steht die Narzisse mit ihren kraftvollen Duftaspekten im Mittelpunkt. Tabak ist, wenn überhaupt, transparentes Beiwerk und unterstreicht im Herzen des Duftes eher die raue, hitzige Fülle, mit der die Narzisse das Duftzentrum bildet. Ich bilde mir ein, sowohl saftige Aspekten des Tabakblatts als auch die kratzige Rauigkeit des Tabakrauchs wahrzunehmen, beide Aspekte sind aber eher dazu da, das blühende Zentrum des Duftes zu umhüllen. Wer einen klassischen Tabak-Duft erwartet, dürfte also enttäuscht werden. Dennoch ist Tabac Tabou kein Narzissen-Soliflor, da einige weitere Duftaspekte eingewoben werden, um besagtes Bild einer heißen, trockenen Savanne zu erzeugen. Der Beginn ist kräuterig und grün, eher dem versiegenden Pflanzensaft und trocknenden Stängeln der Narzisse zuzuordnen als ihrem Blütenschmuck, wobei bereits gleich zu Beginn die sonnig-warme Stimme von Honig in Erscheinung tritt. Die goldene, herbe Honignote bleibt dem Duft bis zum Ende erhalten und wird sanft von der italienischen Strohblume (Immortelle) befeuert, schwächt sich aber langsam im weitere Verlauf ab, um den eigentlichen Stars der Show Platz zu machen: Narzissenblüten in ihrer körperlichen, fettigen, an Pferdeställe erinnernden, fast animalischen Fülle und sonnengekitzeltes, kräuteriges Heu. Die Heunote ist gerade, wenn die Honignote nach einiger Zeit abschwächt, am deutlichsten wahrnehmbar und unterstreicht das trockene, spröde, sonnenüberflutete, warme Herz des Duftes. Die Pyramide listet Moschus, was ich -denkt man an die sich langsam steigernde kratzige Staubigkeit des Duftes- glauben will.
Bei der Einordnung des Duftes wäre man bei der Kombination Grün/Heu wahrscheinlich am ehesten in der Fougère-Richtung passend unterwegs, allerdings erinnerte er mich in seiner trocken-spröde-würzigen Art auch an alte Oriental-Chypres und ich könnte mir vorstellen, dass möglicherweise ein paar Duft-Erinnerungen an alte Schätze dieser Richtung bei Herrn Corticchiato ihren Einfluss in der Kreation des Duftes hatten.
Tabac Tabou ist ein fordernder, trockener, angerauter, ganz und gar unfrühlingshafter Narzissenduft, an dem ich mich immer wieder gerne und buchstäblich reibe, der es einem aber aufgrund seiner speziellen Eigenschaften und mit Rücksicht auf mein empfindsames Umfeld eher schwer macht, ihn zu tragen. Im heissen, staubigen Sommern ist er wahrscheinlich großartig.
Wer hingegen jahreszeitlich passende weißblühende Frühlingsstimmung sucht, dem sei „Bridal Crown“, eine gefüllt blühende Narzissensorte … lassen wir das.
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Schöner Kommentar!