07.06.2020 - 13:03 Uhr
Konsalik
86 Rezensionen
Konsalik
Top Rezension
33
Das hölzerne Chamäleon, oder: Die duftende Tiefe der Jahre
Nach dem irreführend benannten - wenngleich sehr guten! - Sandalwood Cologne von Geo F. Trumper war es mir ein Bedürfnis, den Namensvetter eines anderen alten Hauses für Rasurbedarf und begleitende Beduftung aus England zu testen. Es sollte eine der eigenartigsten Begegnungen mit einem Duft überhaupt werden.
Zunächst war ich einfach nur prosaisch erfreut! Dieses Sandalwood Cologne war nun in der Tat das, was der Name verheißt: Ein einfacher, leicht altertümelnder Zweiklang nach meinem Geschmack, der mit dem gelungenen Zusammenspiel aus barbershopiger Sandelholzigkeit und (gleichfalls mit Sandelholzprodukten assoziierter) ober-barbershopiger Seifigkeit schlicht eine funktionale Lücke in meinem Regal zu schließen schien. Toll! Da musste demnächst ein ganzer Flakon ins Haus. Bei dem Preis!
Ein paar Tage später. Kurz vor Verlassen des Hauses betupfe ich Hals und Handrücken und denke erst einmal nicht weiter über den Duft nach; er war ja bereits entschlüsselt und der Tenor der Rezension (acht Punkte, guter, straighter Funktionsduft klassischer Façon) stand bereits fest. Irgendwann am Vormittag dann der erste beiläufige Riecher an der Hand. Seltsam! Der riecht... irgendwie anders, dunkler, fast süß. Nun, wird an mir liegen. Oder an der Umgebung. Bin halt nicht konzentriert. Man kennt das ja.
Dann beim dritten Mal: Schon wieder ein wenig anders! Diesmal nussig und leicht bitter. Wie kann dieser einfache Zweiklang (der er im Grunde auch die ganze Zeit über bleibt!) nur so vielgestaltig sich darstellen?! An der verblüffend langen Liste der Zutaten kann es ja kaum liegen, zumal ich weder Jasmin, noch Veilchen, noch Rosmarin oder eine der anderen gelisteten Noten isolieren kann - oder liegt es doch daran? Ausgerechnet unter dem zuletzt von mir besprochenen Trumper-Duft gleichen Namens finde ich einen Hinweis, der den Schlüssel zu diesem von Mal zu Mal rätselhafter werdenden Dufterlebnis liefern könnte:
Der kenntnisreiche User DasguteLeben sprach in seiner Rezension von echtem Mysore-Sandelholz und davon, wie dieser Duftstoff heutzutage praktisch unauffindbar sei. Vom teuren Edelrohstoff wusste er zu berichten, dass dieser über eine "unbeschreibliche milchig-cremig-holzig-säuerlich-süß-würzig-florale Qualität" verfüge. Merkwürdig!
Kombiniere, kombiniere... Meine Vermutung ist nun, dass die Herrschaften bei Taylor of Old Bond Street unter Zuhilfenahme der vielen gelisteten (z.T. sogar unter Sammelbezeichnungen zusammengefassten) Riechstoffe versucht haben, dieses von DasguteLeben umrissene Duftchamäleon, welches Mysore-Sandelholz darstellen soll, nachzubauen. Denn neben der allgemeinen Holzigkeit und Seifigkeit ist das einzige verbindende Element aller meiner bisherigen sechs oder sieben Testläufe die unglaublich schillernde, im wahrsten Sinne des Wortes (bzw. der Metapher) facettenreiche Beschaffenheit dieses Duftes geblieben. Als würden das Holz und die Seife ständig leicht irisieren - wie Insektenflügel oder der Inhalt einer aufgebrochenen Geode im Dämmerlicht. Aber egal, ob sich Sandalwood Cologne nun wie neulich leicht verschwitzt-angesäuert oder wie heute dezent kupfermetallisch und zugleich sahnig präsentiert: Immer bleibt es elegant, im Ausdruck einfach und beherrscht, regt aber zugleich auch die Imagination an, wie ein guter Geschichtenerzähler im Ohrensessel. In diesem bei oberflächlicher Betrachtung sehr einfachen Duft stecken in der Tat so ungemein viele geflüsterte Zitate, liebevolle Reminiszenzen an ein unbestimmtes Früher, dass man das Gefühl bekommen kann, in jedem Milliliter seien uralte, auf Stoffen eingetrocknete Parfumreste konserviert worden und beim Auftragen gleite die längst verblichene Hand nach hundert Jahren erneut durch den Ärmel des Mantels, werde der vergessene Schal ein weiteres Mal schwungvoll über die Schulter geworfen, um so die Düfte aus der Tiefe der Jahre für einige Stunden erneut zu aktivieren.
Ich weiß nicht, wie Mysore riecht, aber ich möchte, dass es diesem Duft ähnlich ist.
Zunächst war ich einfach nur prosaisch erfreut! Dieses Sandalwood Cologne war nun in der Tat das, was der Name verheißt: Ein einfacher, leicht altertümelnder Zweiklang nach meinem Geschmack, der mit dem gelungenen Zusammenspiel aus barbershopiger Sandelholzigkeit und (gleichfalls mit Sandelholzprodukten assoziierter) ober-barbershopiger Seifigkeit schlicht eine funktionale Lücke in meinem Regal zu schließen schien. Toll! Da musste demnächst ein ganzer Flakon ins Haus. Bei dem Preis!
Ein paar Tage später. Kurz vor Verlassen des Hauses betupfe ich Hals und Handrücken und denke erst einmal nicht weiter über den Duft nach; er war ja bereits entschlüsselt und der Tenor der Rezension (acht Punkte, guter, straighter Funktionsduft klassischer Façon) stand bereits fest. Irgendwann am Vormittag dann der erste beiläufige Riecher an der Hand. Seltsam! Der riecht... irgendwie anders, dunkler, fast süß. Nun, wird an mir liegen. Oder an der Umgebung. Bin halt nicht konzentriert. Man kennt das ja.
Dann beim dritten Mal: Schon wieder ein wenig anders! Diesmal nussig und leicht bitter. Wie kann dieser einfache Zweiklang (der er im Grunde auch die ganze Zeit über bleibt!) nur so vielgestaltig sich darstellen?! An der verblüffend langen Liste der Zutaten kann es ja kaum liegen, zumal ich weder Jasmin, noch Veilchen, noch Rosmarin oder eine der anderen gelisteten Noten isolieren kann - oder liegt es doch daran? Ausgerechnet unter dem zuletzt von mir besprochenen Trumper-Duft gleichen Namens finde ich einen Hinweis, der den Schlüssel zu diesem von Mal zu Mal rätselhafter werdenden Dufterlebnis liefern könnte:
Der kenntnisreiche User DasguteLeben sprach in seiner Rezension von echtem Mysore-Sandelholz und davon, wie dieser Duftstoff heutzutage praktisch unauffindbar sei. Vom teuren Edelrohstoff wusste er zu berichten, dass dieser über eine "unbeschreibliche milchig-cremig-holzig-säuerlich-süß-würzig-florale Qualität" verfüge. Merkwürdig!
Kombiniere, kombiniere... Meine Vermutung ist nun, dass die Herrschaften bei Taylor of Old Bond Street unter Zuhilfenahme der vielen gelisteten (z.T. sogar unter Sammelbezeichnungen zusammengefassten) Riechstoffe versucht haben, dieses von DasguteLeben umrissene Duftchamäleon, welches Mysore-Sandelholz darstellen soll, nachzubauen. Denn neben der allgemeinen Holzigkeit und Seifigkeit ist das einzige verbindende Element aller meiner bisherigen sechs oder sieben Testläufe die unglaublich schillernde, im wahrsten Sinne des Wortes (bzw. der Metapher) facettenreiche Beschaffenheit dieses Duftes geblieben. Als würden das Holz und die Seife ständig leicht irisieren - wie Insektenflügel oder der Inhalt einer aufgebrochenen Geode im Dämmerlicht. Aber egal, ob sich Sandalwood Cologne nun wie neulich leicht verschwitzt-angesäuert oder wie heute dezent kupfermetallisch und zugleich sahnig präsentiert: Immer bleibt es elegant, im Ausdruck einfach und beherrscht, regt aber zugleich auch die Imagination an, wie ein guter Geschichtenerzähler im Ohrensessel. In diesem bei oberflächlicher Betrachtung sehr einfachen Duft stecken in der Tat so ungemein viele geflüsterte Zitate, liebevolle Reminiszenzen an ein unbestimmtes Früher, dass man das Gefühl bekommen kann, in jedem Milliliter seien uralte, auf Stoffen eingetrocknete Parfumreste konserviert worden und beim Auftragen gleite die längst verblichene Hand nach hundert Jahren erneut durch den Ärmel des Mantels, werde der vergessene Schal ein weiteres Mal schwungvoll über die Schulter geworfen, um so die Düfte aus der Tiefe der Jahre für einige Stunden erneut zu aktivieren.
Ich weiß nicht, wie Mysore riecht, aber ich möchte, dass es diesem Duft ähnlich ist.
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