28.04.2025 - 07:07 Uhr

Ropanski2020
26 Rezensionen

Ropanski2020
Top Rezension
34
Erkenntnis über Kontemplation
Düfte von Carbonnel haben für so viel Furore in der Parfümwelt gesorgt, dass selbst diejenigen, die sich gegen sie erklären, kaum gegen sie dauerhaft erwehren können, zu vereinnahmend und unausweichlich ist der damit verbundene Diskurs.
In der Tat lässt es sich nicht abstreiten, dass der Name Carbonnel für einen gewissen Standard in der gegenwärtigen Parfümwelt steht. Entstammen doch einige der erfolgreichsten Nischendüfte der letzten Jahre aus dessen Feder. Und ich wäre zugleich Lügen gestraft, behaupte ich, unvoreingenommen über den vorliegenden Duft zu urteilen.
Tulua schickt sich südländisch an und soll ein ausschweifendes Lebensgefühl, La Dolce Vita olfaktorisch einrahmen. Es ist von viel Hedonismus, Sonnenanbetung und süßlichen Genüssen die Rede. Man möge geneigt sein, solchen Illusionen Glauben zu schenken, weniger: ihnen ein verbrieftes Testimonial zuzugestehen.
Duftprofil:
Sollten hier wirklich naturreine, ätherische Öle Verwendung gefunden haben, so liegen diese unterhalb einer weitestgehend synthetisch gehaltenen Basis begraben. Und da der Wahrheitsgehalt von Duftpyramiden bekanntlich nicht allzu ernst zu nehmen ist, darf getrost ein weicher Moschusschmiss zu derselben hinzuaddiert werden, der sich im Subtext als pudrig-trocken, aber auch sublim eisig bis metallisch erweist.
Nüchtern betrachtet dürfte hier eine Zusammenführung diverser aromatischer Verbindungen der Machart süß (Ethylmaltrol, leicht buttrig), fruchtig (tropischer Aldehyde-Mix), ambriert bis trockenholzig (Cedrol-artig, irgendein synthetisches Amber Wood Kit) vorliegen.
Die spritzige Eröffnung ist sofort umhegt von divers süßlichen Aromen mit leicht aciden Charakter (fruchtartiger Säurestich). Befördert durch einen süßlichen Überzug hüllt die Basis den Träger mit der Zeit in eine Art cremig-fruchtige Aura ein, die hermetisch dicht ausklingt. Bis auf die Kopfnote(n) ist vermutlich nichts hiervon natürlichen Ursprungs. Es ist schwer, dieses "riecht irgendwie nach"-Aerosol vernünftig aufzufächern, da hier mehr Impressionen als handfeste Vorstellungen über eingesetzte Rohstoffe Regie führen.
Mir bleibt nichts anderes übrig als irgendwelche schwerverarbeiteten Industrieprodukte aus der Lebensmittelbranche, als konkrete Assoziation zu bemühen. So kommt mir irgendeine Slush-Eis Sorte (aus Kindheitstagen) entfernt in den Sinn, es könnte aber auch irgendein x-beliebiger Marken-Pudding oder Joghurt mit einer Fruchteinlage oder ein Lollipop eines bekannten spanischen Süßwarenherstellers sein. Auch eine gewisse Jahrmarktreminiszenz lässt sich bei all der perforierten Süße nicht verhehlen.
Einordnung & Bewertung:
Würde man die Qualität des Duftes ausnahmslos anhand seiner aktuellen Resonanz im Netz bemessen wollen, so fiele das Urteil eventuell wohlwollender aus. Nur meine Parfümleidenschaft sperrt sich gegen ein solches, letzteres Urteil. Ich sehe das Rätsel zerfallen, das mir solche Duftprofile aufgrund ihrer tristen Molekularebene aufgeben, wo sich alles in einem geradezu undefinierbaren Komplex sich kreuzender und überlagernder Verbindungen verliert - alles mannigfach ineinander gebunden und reaktiv gesteigert.
Zumindest zeitgenössisch ist er (!), das lässt sich nicht abstreiten, wo doch Düfte wie z.B. "Erba Pura | XerJoff", "Erba Gold | XerJoff", "Accento | XerJoff", Kirkè Extrait de Parfum u. A. sich weithin großer Beliebtheit erfreuen. Insofern dürfte der Marke auch mit diesem Projekt Erfolg beschieden sein. Dennoch beschleicht mich bei Tulua ein Gefühl von Oberflächlichkeit, vergleichbar mit einer zwar netten, aber letztendlich gehaltlosen Liaison. Die mediterrane Lebensfreude geht mir hier als Bezugspunkt komplett verloren. Alles verliert sich in dieser allzu bekannten Carbonnel’esquen süß-fruchtigen Melange - starr und ohne interessanten Spannungsbogen.
Zudem erkenne ich keine Weiterentwicklung beim Spanier, wiewohl es viele offenkundig überfordert, Carbonnel außerhalb dieser, seiner Sphäre zu denken. Als Parfüminteressent hätte ich mich über einen solchen Ausbruch aus der Komfortzone dennoch gefreut. Stattdessen überwiegt ein einfallsloser Duftschwerpunkt, der zur Kritik berechtigt. Denn wollte man die Qualität noch so hoch bewerten, so geringfügig bleibt der Mehrgewinn aus solchen Recyclingbemühungen, die darauf abzielen, ein in erster Linie (noch) unbedarftes, jüngeres Publikum anzusprechen. Tatsächlich liegt hierin die ganze Problematik auf die Spitze getrieben. Sie lässt sich auch nicht durch den bloßen Hinweis auf die Diversität von Geschmäckern beheben!
Es wirkt vielmehr so, als wäre Carbonnel nicht mehr in der Lage, irgendwelche Welten abseits der bekannten Materie zu erschließen, man variiert bloß hier und da, spinnt fort, selten mühevoll, aber durchaus geschickt, wenn es darum geht, Wiedererkennungseffekte zu erzeugen, über die man aber selbst nicht mehr hinauskommt. Um den Rest kümmert sich die kreative Marketingabteilung. Carbonnel nimmt sich gewissermaßen restlos in diese Äußerlichkeit mit hinein, ohne (vermutlich) rot zu werden. Sein Konservierungsdrang besteht in einem fast schon reaktionären Festhalten an längst überstrapazierten Formeln, die repetitiv nachklingen. Womöglich hat der gute Mann den stetig gleichen Auftrag im Posteingang zu liegen!? Die Antwort und die Anweisungen an den eigenen Mitarbeiterstab in Barcelona scheinen ja auch immer dieselben zu sein. Was weniger verwunderlich erscheint, unterliegen solche Auftragsarbeiten doch knallhartem Verkaufskalkül.
Fazit:
Tulua spricht mich nicht an und kann allenfalls als sinnverbürgende Zustandsbeschreibung und auch Retourkutsche, sozusagen als Replik auf den aktuellen Markt begriffen werden, wo mit vergleichsweise großem Namen und mutmaßlich wenig Aufwand aus Träumen nur noch Schäume entstehen. Wirklich Herzblut kann ich beim besten Willen nicht mehr erkennen. Es wiederholt sich hier gefühlt einfach zu viel. Da helfen auch die netten Ausführungen der Distributoren zum Duft nichts.
Produktbeschreibungen haben ja ohnehin was idealistisch Verblasenes, auch etwas Kurzweiliges, neigen zu kunterbunten Übertreibungen und zur Extravaganz. Sie zielen darauf ab, den Köcher auszuwerfen und abzuwarten; ist hier nicht anders. Ob man sich da jetzt im Hintergrund eine nette Geschichte zusammengesponnen hat, so quasi am "Spezi-Stammtisch", ist zweitrangig, weil sie ohnehin nicht über das Niveau einer Teleshopping Ausgabe hinauskommt, wo alles in Superlativen geschmückt exaltiert aufgeladen wirkt. Das gilt gewiss Duft und Marken übergreifend (!), sollte also dem Markeninhaber nicht zum Nachteil gereichen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wer von einem "Hauch italienischer Sommernächte" schwärmt und "grundlegende Werte und ethische Prinzipien" als Handlungsmaxime ausweist, die anteilig in das Endprodukt mit eingeflossen sei, und dann sowas - sorry! - belangloses als "fantastisches Ergebnis" präsentiert und auch feilbietet, der hat im Zweifelsfall nur die Lacher von Citizen Kane auf seiner Seite.
Was bleibt, ist die Umsetzung eines persönlichen Wunschprojektes, wofür der Auftraggeber zu beglückwünschen ist. Wurde hierfür doch in Carbonnel ein renommierter Parfümeur an Land gezogen, der in bekannter Manier abliefert. Das mag man für gut befinden, nur stelle ich zusehends fest, dass mir der Weg zurück in die Mainstream-Nische versperrt bleibt. Ich kann Düften solcher Machart nichts mehr abgewinnen.
In der Tat lässt es sich nicht abstreiten, dass der Name Carbonnel für einen gewissen Standard in der gegenwärtigen Parfümwelt steht. Entstammen doch einige der erfolgreichsten Nischendüfte der letzten Jahre aus dessen Feder. Und ich wäre zugleich Lügen gestraft, behaupte ich, unvoreingenommen über den vorliegenden Duft zu urteilen.
Tulua schickt sich südländisch an und soll ein ausschweifendes Lebensgefühl, La Dolce Vita olfaktorisch einrahmen. Es ist von viel Hedonismus, Sonnenanbetung und süßlichen Genüssen die Rede. Man möge geneigt sein, solchen Illusionen Glauben zu schenken, weniger: ihnen ein verbrieftes Testimonial zuzugestehen.
Duftprofil:
Sollten hier wirklich naturreine, ätherische Öle Verwendung gefunden haben, so liegen diese unterhalb einer weitestgehend synthetisch gehaltenen Basis begraben. Und da der Wahrheitsgehalt von Duftpyramiden bekanntlich nicht allzu ernst zu nehmen ist, darf getrost ein weicher Moschusschmiss zu derselben hinzuaddiert werden, der sich im Subtext als pudrig-trocken, aber auch sublim eisig bis metallisch erweist.
Nüchtern betrachtet dürfte hier eine Zusammenführung diverser aromatischer Verbindungen der Machart süß (Ethylmaltrol, leicht buttrig), fruchtig (tropischer Aldehyde-Mix), ambriert bis trockenholzig (Cedrol-artig, irgendein synthetisches Amber Wood Kit) vorliegen.
Die spritzige Eröffnung ist sofort umhegt von divers süßlichen Aromen mit leicht aciden Charakter (fruchtartiger Säurestich). Befördert durch einen süßlichen Überzug hüllt die Basis den Träger mit der Zeit in eine Art cremig-fruchtige Aura ein, die hermetisch dicht ausklingt. Bis auf die Kopfnote(n) ist vermutlich nichts hiervon natürlichen Ursprungs. Es ist schwer, dieses "riecht irgendwie nach"-Aerosol vernünftig aufzufächern, da hier mehr Impressionen als handfeste Vorstellungen über eingesetzte Rohstoffe Regie führen.
Mir bleibt nichts anderes übrig als irgendwelche schwerverarbeiteten Industrieprodukte aus der Lebensmittelbranche, als konkrete Assoziation zu bemühen. So kommt mir irgendeine Slush-Eis Sorte (aus Kindheitstagen) entfernt in den Sinn, es könnte aber auch irgendein x-beliebiger Marken-Pudding oder Joghurt mit einer Fruchteinlage oder ein Lollipop eines bekannten spanischen Süßwarenherstellers sein. Auch eine gewisse Jahrmarktreminiszenz lässt sich bei all der perforierten Süße nicht verhehlen.
Einordnung & Bewertung:
Würde man die Qualität des Duftes ausnahmslos anhand seiner aktuellen Resonanz im Netz bemessen wollen, so fiele das Urteil eventuell wohlwollender aus. Nur meine Parfümleidenschaft sperrt sich gegen ein solches, letzteres Urteil. Ich sehe das Rätsel zerfallen, das mir solche Duftprofile aufgrund ihrer tristen Molekularebene aufgeben, wo sich alles in einem geradezu undefinierbaren Komplex sich kreuzender und überlagernder Verbindungen verliert - alles mannigfach ineinander gebunden und reaktiv gesteigert.
Zumindest zeitgenössisch ist er (!), das lässt sich nicht abstreiten, wo doch Düfte wie z.B. "Erba Pura | XerJoff", "Erba Gold | XerJoff", "Accento | XerJoff", Kirkè Extrait de Parfum u. A. sich weithin großer Beliebtheit erfreuen. Insofern dürfte der Marke auch mit diesem Projekt Erfolg beschieden sein. Dennoch beschleicht mich bei Tulua ein Gefühl von Oberflächlichkeit, vergleichbar mit einer zwar netten, aber letztendlich gehaltlosen Liaison. Die mediterrane Lebensfreude geht mir hier als Bezugspunkt komplett verloren. Alles verliert sich in dieser allzu bekannten Carbonnel’esquen süß-fruchtigen Melange - starr und ohne interessanten Spannungsbogen.
Zudem erkenne ich keine Weiterentwicklung beim Spanier, wiewohl es viele offenkundig überfordert, Carbonnel außerhalb dieser, seiner Sphäre zu denken. Als Parfüminteressent hätte ich mich über einen solchen Ausbruch aus der Komfortzone dennoch gefreut. Stattdessen überwiegt ein einfallsloser Duftschwerpunkt, der zur Kritik berechtigt. Denn wollte man die Qualität noch so hoch bewerten, so geringfügig bleibt der Mehrgewinn aus solchen Recyclingbemühungen, die darauf abzielen, ein in erster Linie (noch) unbedarftes, jüngeres Publikum anzusprechen. Tatsächlich liegt hierin die ganze Problematik auf die Spitze getrieben. Sie lässt sich auch nicht durch den bloßen Hinweis auf die Diversität von Geschmäckern beheben!
Es wirkt vielmehr so, als wäre Carbonnel nicht mehr in der Lage, irgendwelche Welten abseits der bekannten Materie zu erschließen, man variiert bloß hier und da, spinnt fort, selten mühevoll, aber durchaus geschickt, wenn es darum geht, Wiedererkennungseffekte zu erzeugen, über die man aber selbst nicht mehr hinauskommt. Um den Rest kümmert sich die kreative Marketingabteilung. Carbonnel nimmt sich gewissermaßen restlos in diese Äußerlichkeit mit hinein, ohne (vermutlich) rot zu werden. Sein Konservierungsdrang besteht in einem fast schon reaktionären Festhalten an längst überstrapazierten Formeln, die repetitiv nachklingen. Womöglich hat der gute Mann den stetig gleichen Auftrag im Posteingang zu liegen!? Die Antwort und die Anweisungen an den eigenen Mitarbeiterstab in Barcelona scheinen ja auch immer dieselben zu sein. Was weniger verwunderlich erscheint, unterliegen solche Auftragsarbeiten doch knallhartem Verkaufskalkül.
Fazit:
Tulua spricht mich nicht an und kann allenfalls als sinnverbürgende Zustandsbeschreibung und auch Retourkutsche, sozusagen als Replik auf den aktuellen Markt begriffen werden, wo mit vergleichsweise großem Namen und mutmaßlich wenig Aufwand aus Träumen nur noch Schäume entstehen. Wirklich Herzblut kann ich beim besten Willen nicht mehr erkennen. Es wiederholt sich hier gefühlt einfach zu viel. Da helfen auch die netten Ausführungen der Distributoren zum Duft nichts.
Produktbeschreibungen haben ja ohnehin was idealistisch Verblasenes, auch etwas Kurzweiliges, neigen zu kunterbunten Übertreibungen und zur Extravaganz. Sie zielen darauf ab, den Köcher auszuwerfen und abzuwarten; ist hier nicht anders. Ob man sich da jetzt im Hintergrund eine nette Geschichte zusammengesponnen hat, so quasi am "Spezi-Stammtisch", ist zweitrangig, weil sie ohnehin nicht über das Niveau einer Teleshopping Ausgabe hinauskommt, wo alles in Superlativen geschmückt exaltiert aufgeladen wirkt. Das gilt gewiss Duft und Marken übergreifend (!), sollte also dem Markeninhaber nicht zum Nachteil gereichen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wer von einem "Hauch italienischer Sommernächte" schwärmt und "grundlegende Werte und ethische Prinzipien" als Handlungsmaxime ausweist, die anteilig in das Endprodukt mit eingeflossen sei, und dann sowas - sorry! - belangloses als "fantastisches Ergebnis" präsentiert und auch feilbietet, der hat im Zweifelsfall nur die Lacher von Citizen Kane auf seiner Seite.
Was bleibt, ist die Umsetzung eines persönlichen Wunschprojektes, wofür der Auftraggeber zu beglückwünschen ist. Wurde hierfür doch in Carbonnel ein renommierter Parfümeur an Land gezogen, der in bekannter Manier abliefert. Das mag man für gut befinden, nur stelle ich zusehends fest, dass mir der Weg zurück in die Mainstream-Nische versperrt bleibt. Ich kann Düften solcher Machart nichts mehr abgewinnen.
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