Es ist noch gar nicht so lange her, nur gut 10 Jahre, dass DelRae Roth in Zusammenarbeit mit Michel Roudnitska noch versucht hatte mit quasi frei interpretierten "Straßendüften" aus San Francisco bzw. einem Trio dass einen Tag in und um San Francisco olfaktorisch nachdichtet einfache und lebensnahe Geschichten zu erzählen. Mittlerweile sind Konzepte, Inspirationen und vor allem verwendete Komponenten hochkomplex und dermaßen elitär verstiegen geworden dass es eigentlich komplett abstoßend sein müsste - allein die wirklich fulminanten Ergebnisse, wunderschöne und unglaublich dichte und komplexe Düfte, lohnen dummerweise den Weg durch diesen zunehmend verkünstelten Nebel sehr ;-)
"Coup de Foudre", also quasi "Liebe auf den ersten Blick", soll genau das erreichen, in Hinblick auf die prototypische Rose: ein hochqualitativer, rundum gültiger Rosen-Duft den auf Grund seiner natürlichen wahren Schönheit jeder einfach sofort lieben muss. So weit, so verständlich ;-)
Jetzt wird es kompliziert, denn es geht an Mme. Roths mittlerweile hochdiffizile und ziemlich komplexe (um nicht zu sagen: schon fast neurotisch-verschrobene...) Auswahl der für diesen Duft verwendeten Komponenten:
In der Eröffnung erkennen wir von der ersten Sekunde an einen wundervoll runden, vollen, im Grunde perfekten Rosenton, dazu gleich. Flankiert und äusserst behutsam und kunstfertig umspielt wird dieser von raffiniertest ausgewählten Zutaten:
- eine sanfte Bergamotte die eine kurze, ganz leichte, verführerische Abweichung ins herb-bitter-grüne vorschlägt und dennoch den grünen Teilaspekt dieser idealen Rose zuverlässig unterstützt;
- eine rosa (wie könnte es anders sein) Grapefruit die ebenfalls ein bisschen den säuerlichen Aspekt betont, aber fruchtig-saftig, und so Körper und ein wenig schillernde herbe rosige Süße addiert;
- rosa Pfeffer (Schinus molle), eigentlich kein Pfeffergewächs sondern ein Sumachgewächs, die Früchte haben aber deutlich pfefferähnliche Qualitäten, wenngleich eher mild und kaum scharf, eben auch geschmacklich/geruchlich eher "rosa", daher als "Rosa Pfeffer" im Handel;
- italienische Zitrone "sfumatrice", jetzt wird es wirklich obskur, denn bei diesem Verarbeitungsverfahren mit der "Sfumatrice"-Maschine (Details siehe hier: http://www.indelicato.it/birillatrice_uk.htm) werden die bitteren Substanzen der Zitrone weitestgehend aus der Absolue eliminiert, resultierend in einem mit der manuellen und damit höchtqualitativen Verfahrensweise identischen Ergebnis. Konstatieren lässt sich hier im Duft durchaus ein deutlich zitrisch-herb-gelber Akkord der in der Tat ohne jede Bitterkeit und Schärfe daherkommt, sondern weitgehend aromatisch und sauber wirkt.
Dieser zur von Beginn an präsenten Rose quasi hinzukomponierte, sie säuerlich-herb umgebende zitrische Mehrklang ist in der Kopfnote allerdings nur eine Ablenkung, eine interessante Variation die den unvermindert präsenten zentralen Rosenton zunächst changierend umspielt, nach dem Verschwinden aber keine Verönderung hervorgerufen hat sondern gleich einem amüsant-interessanten Divertimento einfach vorbeigezogen ist. L'art pour l'art, irgendwie, aber schon toll und halt echt komplex und sehr cool ;-)
Nun zum zentralen Rosenton: wer bis hierher gefolgt ist wird unfehlbar ahnen dass dies nun auch nicht "einfach halt eine schöne Rose" ist - nein, es muss die Rose de Mai France Orpur absolute von einem der zwei verbliebenen Rosenfelder in Grasse sein die seit den 1920er Jahren in Familienbesitz sind und mit einer weltbekannten Methode irgendwie ganz besonders ein Öl produzieren das dann durch seine "spectacular beauty" besticht und genau das natürliche Dufterleben einfängt - ach Gott, ja, ist gut jetzt!!
Hier im floralen Herz verlieren mich Frau Roth und Herr Vasnier dann, denn die zum klaren Rosenakkord sich gesellenden angeblichen Noten von "lila Pfingstrose, Ägyptischem Jasmin-Absolue, Magnolien-Orpur und Geranium Bourbon" kann ich kaum mehr auseinanderhalten und vor allem überhaupt nicht so explizit ausdefinieren, Jasmin, Pfingstrose und Geranium scheinen durchaus gelegentlich noch auf, mehr aber auch nicht, da ist nichts wirklich Spektakuläres mehr, zumindest für meine Nase. Muss es ja auch nicht, die Notenbeschreibungen könnten bitte aber halt ein wenig die Bälle flacher halten für das was tatsächlich ist...
Die zuverlässig, vertraute Basis interessiert dann kaum mehr, auch wenn sie hier wieder blumig "Tonka Venezuela, Vetyver, White moss, Velvet musks" genannt werden - congrats madame, auch wir sind also mittlerweile erkennbar im Hype-Marketing-Geschwafel angekommen, wie so viele andere auch. Das hätte es wirklich nicht gebraucht, die Düfte sprechen doch wirklich auch so zur Genüge für sich!
Erschöpftes Fazit: Ein sehr schöner zentraler Rosenton der aber jetzt auch nicht unbedingt sooo unheimlich exklusiv und nie dagewesen agiert, plus ein durchaus spannendes, "reizendes", auf angenehm anregenden Niveau spielendes Zitrus-Divertimento das aber im Grunde lediglich Verspieltheit auf höchstem Niveau bietet und zum Duft nichts wirklich substantielles beiträgt wenn es vorübergezogen ist. Es bleibt ein zwiespältiger Eindruck wo es weiter hingeht, ob in abstruse Markting-Konstruktionen und konzeptionelle Verstiegenheit, oder doch noch zurück zur reinen wahren Lehre. Die Hoffnung auf Großes stirbt doch immer zuletzt, wir werden sehen.