Louce:Wir hier können uns das nur schwer vorstellen, aber es gibt Menschen, die von einer Hyperosmie (Überempfindlichkeit gegen Gerüche, geht auch prima ohne Autismus) betroffen sind, die sie stark behindert. Andere sind von schwerer Duftstoffallergie eingeschränkt.
Ähnlich wie Parfumliebende organisieren sich Betroffene im Netz, z.B. hier:
Chemical Sensitivity Network.
Wenn ich das höre/lese, ist mir vieles fremd und manchmal denke ich, dass dramatisiert wird.
Dennoch ist es so, dass Leute sagen, von Parfumnutzenden (also auch mir) ginge eine beträchtliche Einschränkung ihrer Lebensqualität aus und wenn ich das leichtfertig abtue oder bequemerweise sofort als Bullshit etikettiere, ist meine Nichtachtung etwas Gewaltsames.
Daher muss ich mich schon damit auseinandersetzen und abwägen, gegebenfalls verzichten und selbst eine Einschränkung in Kauf nehmen, um eine vielleicht größere Einschränkung anderer zu vermeiden. Ich rauche draußen und trage keinen Minirock, wenn ich eine Kirche besichtige. Umgekehrt verbitte ich mir Hysterieausbrüche von Nichtrauchenden oder Ketzerprozess und Vebrennung.
Parfumnutzung ist (auch wenn
wir es als dringend nötig und zum Leben dazu gehörend empfinden mögen) kein natürliches Recht. Wenn jemand individuell überhaupt keinen Kompromiss machen kann/will, dann muss er/sie sich eine Nische im öffentlichen Leben suchen, wo das geht (Arbeit in Parfumerie, Arbeit in einem Umfeld, wo das ausdrücklich geduldet/erwünscht ist, keine Erwerbsarbeit).
Real gibt es aber so gut wie immer Spielraum für Kompromiss.
Wenn die von Hyperosmie/Allergie Betroffenen sich nicht gegen Ignoranz und Gewaltsamkeit heftig wehren müssen, werden sie nicht so intolerant/militant, dass keine Möglichkeiten mehr bestehen.
Dementsprechend rate ich im konkreten Fall zu Abwarten, Kennenlernen, Ausprobieren... allermeistens ist da ein gangbarer Weg zu finden.
Ich weiß nicht, auf was und wie Peanuts Kollege reagiert - woher auch, ich kenne ihn ja nicht. Aber ich weiß noch zu gut, wie es mit in meiner schlimmsten Allergiezeit erging. Aus Läden mit Raumbeduftung flüchten, Leute an der Supermarktkasse vorlassen um einen erträglichen Abstand zum auslösenden Kunden zu bekommen, hin und her überlegen ob man jetzt zu einer Veranstaltung in geschlossenen Räumen kann oder nicht, mit angehaltenem Atem durch Duftkerzen- und Waschmittelabteilungen rennen, und so weiter und so fort.
Ich vermeide es bis heute mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, habe meinen Arzt gewechselt, weil die in der Praxis meinten sie müssten jetzt aus Wellnessgründen Raumdüfte aufstellen - sry, da habe ich nach spätestens drei Atemzügen Halsschmerzen und ein Stück Seife im Mund - und das den ganzen Tag.
Trotzdem verlange ich von niemandem darauf zu verzichten, solange ich die Möglichkeit habe einen ausreichenden Abstand einzunehmen oder die Situation zu vermeiden.
Ironischerweise reagiere ich auch weniger auf hochwertige Parfums - von welchen mit Vetiveracetylhydrat mal abgesehen, Vetiveröl scheine ich hingegen zu vertragen - als auf Waschmittel, Weichspüler und das ganze mit billigsten Duftstoffen parfümierte Zeug.
Versuche am Montag, wenn Dein Kollege kommt ohne Parfum aufzulegen zur Arbeit zu gehen, nimm Dir zu Sicherheit den Deiner Meinung nach verträglichsten Duft mit, damit Du Dich daran festhalten kannst.
Schnapp Dir Deinen Kollegen in der Pause, besprich mit ihm Dein Problem und versucht einen für beide Seiten tragbaren Kompromiss zu finden.
Das wäre das, was ich in der Situation machen würde.