Anarlan

Anarlan

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16 - 20 von 27
Anarlan vor 6 Jahren 24 7
8
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Ein geheimes, silbriges Feuer
Feu secret habe ich während meines letzten etwas länger dauernden Nordkalifornien-Aufenthaltes entdeckt, genauer gesagt bei einem Besuch bei Tigerlily in San Francisco. Ein sehr liebevoll gestalteter und schrummelig-hippie-esker Laden, der eine fantastische Auswahl an Nischen- und Indie-Parfüms bereit hält und einen Schwerpunkt seines Sortiments in einer feinen Auswahl von Werken von lokalen Bay Area-Parfümeuren hat, von denen Bruno Fazzolari mittlerweile zu den Bekannteren zählt.
Der Laden liegt etwas versteckt auf der Valencia Street im Mission District, einer vor einigen Jahren noch ziemlich abgefuckten Gegend, in der es damals jede Menge Thrift Stores und miefige Second Hand-Läden neben billigen traditionellen Mexican Restaurants gab. Mittlerweile ist dieser Teil der Stadt wie viele andere auch nach Strich und Faden durchgentrifiziert. Der Look der ganzen urbanen Hipster-Läden, Restaurants und Bars, die sich nun dort aneinander reihen, gibt sich zwar immer noch handgemacht und bodennah, die Preise, welche für den Bedarf des urbanen Lifestyles aufgerufen werden, sind es aber schon lange nicht mehr.
Ein Laden wie Tigerlily, der quasi ausschließlich die nischigsten Nischenparfüms verkauft, passt da eigentlich ganz hervorragend hin.
An einem Sommernachmittag hatte ich also kürzlich das Vergnügen, mich durch das Sortiment zu schnüffeln. Mir zu Hilfe kam dabei ein dem Tigerlily-Inventar entstammendes elbenhaftes Geschöpf in ornamental bedruckter Flatterkleidung in Waldfarben, nennen wir ihn der Einfachheit halber Legolas. Mein Duft-Elb kannte sich selbstverständlich bestens im Bereich der local perfumery heroes aus und um es kurz zu machen, der frühe Nachmittag endete wie zu erwarten in einem Shopping-Exzess. Drei sehr unterschiedliche Düfte lokaler Parfümeure, einer davon war Feu Secret, wanderten am Ende in meine Tasche und viel Geld über den Tresen.

An Feu Secret faszinieren mich mehrere Dinge. Zunächst werte ich ihn als so etwas wie Bruno Fazzolaris Duft-gewordene Liebeserklärung an die nördlichen Bay Area. Dabei bildet ein Bestandteil das Zentrum des Duftes: Irisbutter. Es ist nicht leicht, diesen für Feu charakteristischen Duft zu beschreiben. Meine erste Assoziazion war eine kleine silbrige Blechdose, die bei meinem Großvater in einer Schublade in einem alten Sekretär lag, in der sich Pastillen befanden, möglicherweise waren es Veilchenwurzelpastillen. Ich habe die Dose immer heimlich geöffnet und nie danach gefragt. Der Duft war ein wenig medizinisch, erdig, leicht pudrig und wie aus einer anderen Zeit stammend, weich, blumig, unsüß, sanft, dennoch herb. In Feu wird ein sehr ähnlicher und spezieller Duft mit einer Spur Würze, in Anklängen bitter, garniert. Pfeffrig-wurzelig und trocken.
Zunächst aber startet Feu mit Anklänge an die lichtdurchfluteten und nebeligen Euklyptus- und Fichtenwälder in den Hügeln Nordkaliforniens und ihren typisch erdigen, etwas rauchig-brandigen Duft, wenn die Sonne spät am Tag die ätherischen Öle regelrecht aus dem Laub und den Rinden brennt und sich weiter unten bereits wieder die Nebelbänke über den Pazifik Richtung Festland schieben. Es gibt in Feu diese grüngrauen brandigen Anklänge, das Ganze wird aber so subtil verwoben, dass man dennoch nicht den Eindruck von Rauch oder Asche hat.
Birkenteer schließlich sorgt für eine maskuline Akzentgebung, die sich in der Basis mit unsüßen, vanilligen, floralen, eher femininen Noten verbindet. Das alles ist äußerst fein abgestimmt, für mich kaum auseinanderzuhalten, immer wieder schließt sich der Duft zu einem eleganten Ganzen, versteckt sein geheimes silbriges Feuer vor der direkten Verortung, und schließt sich schwerelos zu einem geschlossenen Gesamtkunstwerk. Es gibt nichts Plumpes oder Harsches, alles wirkt edel, distinguiert, subtil, unangestrengt klassisch und dennoch sehr modern. Der Duft ist mehr oder weniger gleich zu Beginn vollständig präsent, im Verlauf ergeben sich nur noch weiche Akzentverschiebungen. Der klassischen Aufbau in Kopf, Herz und Basis ist eher angedeutet als klar dargestellt. Haltbarkeit und Projektion sind eher überdurchschnittlich.
Feu ist schön im klassischen Sinne, für Frauen und Männer gleichermaßen tragbar und eine Ode an eine der schönsten Gegenden, die ich kenne.
7 Antworten
Anarlan vor 6 Jahren 23 9
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Die Drehung der Schraube
Wer kennt nicht diese umwerfenden zitrischen Kopfnoten, die einen sofort in Beschlag nehmen und von denen man nicht genug bekommen kann? Bei frisch aufgeschnitten und ungezuckert servierte Orangen, Clementinen und Zitronen in unterschiedlichen Reifestadien, saftig und naturnah präsentiert ist es dufttechnisch schnell um mich geschehen.
Die blaue Acqua die Parma-Reihe, von der ich kürzlich ein paar Exemplare unter der Nase hatte, hat sich die Präsentation derartiger Kopfnoten in leichtgängigen Sommerfrischlern zum Programm gemacht. Das mag mancher uninspiriert finden - bei dem derzeitigen Mittelmeer-im-August-Klima, das uns auch die kommenden Wochen noch erhalten bleiben soll, kann ich aber kaum etwas anderes auf meiner Haut gebrauchen.
Allerdings gelingt es manchen dieser Zitriker nicht, ihren wundervollen Start in einen ebenbürtigen weiteren Duftverlauf einzubinden. Das gehört zwar zum Charakter flüchtiger Sommercolognes, ist andererseits aber wie im Falle von Arancia die Capri aus der gleichen Reihe, das einen Orangen-Start präsentiert, der einfach nur wundervoll ist, schade, da mit der Kopfnote dann auch bereits alles gesagt ist. Man sprüht also nach oder wendet sich irgendwann schulterzuckend ab.
Chinotto geht hier einen ungewöhnlichen Weg und dreht die Schraube qualitativ ein Stück weiter.
Zunächst einmal geht dem Duft jegliche Anwandlung von Lieblichkeit oder Süße ab, und ich sehe ihn tatsächlich eher auf der maskulinen denn auf der femininen Seite, sofern man sich darüber Gedanken machen möchte. Der Start ist durch die Bitterorangennote säuerlich herb und fruchtig bitter, was ich sowohl bei Düften als auch geschmacklich reizvoll finde. Die eingenommene Richtung wird dann beibehalten, und die etwas dunkle bitter-zitrische Kopfnote wird komplizenhaf von einer unsüßen, hellen, ebenfalls herben Jasminnote in gleißendes Sonnenlicht getaucht und behält diese Helligkeit im weiteren Verlauf bei. Es fehlen die femininen, mir oft zu starken und lauten weissen Jasminblüten völlig, die einem gelegentlich in Damenparfüms um die Ohren gehauen werden, und wenn es eine maskuline Definition von Jasmin gibt, dann würde ich hier dafür eine Fähnchen aufstellen.
Dazu gesellt sich Rosmarin, den man finde ich gut wahrnimmt, und der zusammen mit einem Hauch Kardamom sowohl Festigkeit als auch Seriosität ausstrahlt. Hier kommen mir sofort tadellos gekleidete italienische Herrschaften mit formidablem Schuhwerk in den Sinn, die in sensationell stilsicherer und zerknautscht möblierter Beiläufigkeit in kühlen oberitalienischen Stadtvillen wohnen und bei denen man sich gar nichts anderes vorstellen mag als dass sie so riechen.
Die Basis dominiert Moschus von einer staubig-trockenen-haarsprayigen Art, was ich hier als reizvoll und passend empfinde. Ob es der etwas seifige Rest der Kopf- und Herznote ist, die diese Anmutung erzeugt, oder Moschussynthetik an sich, vermag ich nicht auseinanderzuhalten, auch hier ist der Übergang fließend und bleibt dem Grundcharakter des Duftes treu.
Als ich den Duft an einem heissen Nachmittag vor ein paar Tagen trug, und meinen Sohn, 4 Jahre alt, auf dem Arm durch die heisse Stadt bugsierte, sagte dieser plötzlich zu mir:
„Du riechst gut!“.
Wie immer frage ich dann:
„Und wonach rieche ich?“
(Die Kinder sollen schließlich schon früh lernen, alle Sinne zu schärfen, nicht wahr?)
Darauf er: „Nach Frisör!“
Kinder sagen meistens die Wahrheit.

Nachtrag: Haltbarkeit bei mittlerer Sillage viel besser als erwartet. Ich nehme den Duft auch nach 12 Stunden wahr.
Fazit: Stilvolles, herbes, vornehmes, "anderes" Exemplar der „Blauen“ mit einem Twist in eine ungewöhnliche Richtung.
9 Antworten
Anarlan vor 6 Jahren 18 3
10
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
Logbuch der Nostromo, 20.03.2022
Haben den Mars passiert.
Folgen dem extraterrestrischen Signal, das von einem der beiden Marsmonde Phobos und Deimos zu kommen scheint.
„Furcht“ und „Schrecken“, die Namen der Monde flössen der Besatzung Respekt ein.

Auf Deimos eine kathedralenartige Höhle mit erdähnlicher Atmosphäre entdeckt.
Das Signal scheint hierher zu stammen.
Ein Stoßtrupp wird bestimmt, dem Signal weiter auf den Grund zu gehen. Die Helme werden auf Anordnung des Captains im Inneren abgenommen, gegen den Protest des ersten Offiziers.
Sofort dringt ein intensiv rauchig-kräuteriger Geruch in uns ein.
Das Atmen fällt schwer.

Rauch steht über dem Boden, scharf und pfeffrig wie Trockeneisnebel, durch den Weihrauch und Brandschwaden eines kultischen Opferfeuers zu ziehen scheinen.
Die Mannschaft wird unruhig.
Es scheint etwas Animalisches anwesend zu sein.
Etwas Dunkles, Unbenennbares haust hier, man kann die vibrierende Strahlung, die davon ausgeht, körperlich spüren.

Die Wände sind von einem dunklem, dichten Geflecht aus krautigen Gewächsen bedeckt, die zähes, harziges Sekret in smaragdfarbene Grüntönen absondern. Wenn man es zwischen den Fingern verreibt, ist es überraschenderweise nicht klebrig, eher trocken und von fast staubiger Konsistenz.
Es riecht nach getrockneten Kräutern, intensiv, lakritzartig, balsamisch und salzig.
Der Geruch vermischt sich mit dem herben Geruch von kleinen, getrockneten beerenartigen Früchten, die überall am Boden liegen.

Wir gelangen in das Zentrum der Höhle, das Signal wird stärker.
Ein dunkles, vibrierendes Leuchten scheint die Luft zu verflüssigen.
Wir haben die Quelle des Signals gefunden.
Schwarze Phiolen, die ein dunkelbläuliches Pathogen enthalten, stehen zu einer Gruppe auf einem Tableau aus mattschwarzem Fels arrangiert.

Hier ist das Zentrum.
3 Antworten
Anarlan vor 6 Jahren 15 2
8
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Ein tropischer Göttersohn für die gemäßigten Breiten
Durch die Duftbestandteile, die etliche Elemente, die ich köstlich und spannend finde, listen und die politisch höchst inkorrekte frühere Duftbezeichnung „Philippine Houseboy“, die ELDO-typisch schräg und provokant war, bin ich auf den Duft afmerksam und entsprechend angefixt worden. Der Duft heisst nun -in respect of whomever felt offended by the original name- übersetzt in etwa Göttersohn des Reises und der Zitrusgewächse.

Dieser steigt mit einer zimtigen Limetten-Kokos-Note ein. Ganz von fern grüßt die Lime-Coco-Combo aus Virgin Island Water, aber dort, wo letzteres mit tadellos manikürten Fingernägeln, frisch geduscht und weissblusig in der Ferne am Strand die Brandung um die nackten, attraktiv gebräunten Füßchen spielen lässt, begibt sich der Göttersohn nach kurzer Zeit in die Küche, wo es dann dampfig und ein bisschen mulmig wird.

Es duftet nach Reisdampf, wie von auf dem Herd sachte blubberndem Milchreis, zurückhaltend in seiner Süße, cremig und sahnig, ganz und gar köstlich, für mich zum Reinlegen, und das Zitrische der Limette wird pikant aufgekräutert durch Kardamom und Koriander und asiatisiert das Ganze auf´s Delikateste. Sekundenlang meine ich, bereits jetzt eine feine unanimalische Ledernote, die mich ganz entfernt an Tom of Finland erinnert, unter den bisherigen Köstlichkeiten wahr zu nehmen, der Eindruck kommt und geht und hält sich sehr bedeckt. Meldet sich da schon Bibergeil, Moschus und Co.?

Die Zitrusnote verliert im Verlauf langsam ihre Frische, das Ganze wird nun wärmer, vanilliger, sahniger, und ich könnte schwören, dass sich zunehmend eine Cuminnote herausbildet. In der Duftpyramide ist nicht davon zu finden. War ein Jahr Parfumo etwa umsonst? Nix gelernt ausser für zu viele Düfte viel zu viel Geld auszugeben??

Moment. Da steht „Shiso“. Ein minzeartiges Gewürz, ich kann mich nicht an den Duft erinnern, habe aber die gerösteten Samen (Wildsesam) vor kurzem auf einem wunderbaren Dessert gehabt, der Geschmack nussig und sahnig. Die Pflanze dazu habe ich auch schonmal irgendwo als grünes Würzkraut gesehen. Die Recherche ergibt: Shiso in frisch hat ein deutliches Cuminaroma, riecht zitrisch und getrocknet zimtig. Glück gehabt, also doch keine vollständige Nasenblindheit….

In der Basis verliert sich das Gourmandige und Süße, Limette, Milchreis, Sahne, Gewürze und Kokos weichen nun dezent schwitzigen, feuchten Hautausdünstungen. Moschus paart sich mit Holzigem, irritierend der Kontras aus trockenen und feuchten Eindrücken, daneben zarte, helle, blumige Noten, leicht seifig. Jasmin dürfte dafür verantwortlich sein. Mir oft zu hell und bissig, hier ein schöner Kontrast zur jetzt dampfend-feuchten Stimmung.

ELDO wären nicht ELDO, wenn es nicht dieses Spiel mit Irritationen, Brüchen und kleinen Perversionen in ihren Düften gäbe. Gourmand und Schwitziges, in der Kombination eigentlich ein no-go, hier aber sehr spannend im Verlauf hintereinander komponiert. Manchem mag das zu anstrengend sein, ich kann mich für dieses Spiel mit Brüchen, unerwarteten Wendungen und Drehungen der Ausrichtung begeistern.

Einziger Abstrich: Die Duftentwicklung in tropischen Klimazonen. So gourmandig-aromatisch und lecker der Duft in mittelwestdeutschem, 17 Grad warmem Klima mit bedecktem Himmel funktioniert und sich dann langsam dreht und verändert, so schmuddelig und unfrisch wird er gleich von Beginn an, wenn man ihn in den Tropen trägt. Das Gourmandige tritt hier quasi sofort mit den schwitzigen, dampfigen Hautnoten auf, lässt den langsameren und gestaffelten Verlauf aus, und ich mochte den Duft deswegen dort auch vor Kurzem einfach nicht tragen. Mit Andy Tauer´s 02, den ich als Hitze-Testparfüm auch dabei hatte, verhielt es sich überraschenderweise umgekehrt, hier kam die Schönheit von verglimmendem Räucherholz und die sandige Hitze in diesem Duft, die ich bei kühlen Temperaturen nur gedämpft wahrnehme, erst so richtig zur Geltung.

Als Sommerduft werde ich den Göttersohn eher nicht tragen, das Gourmandige ist zu köstlich, um es nicht in einer langsameren Duftentwicklung auszukosten. In den kühleren Jahreszeiten wundervoll.
2 Antworten
Anarlan vor 6 Jahren 17 5
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Are you hep to the Jive?
In Uptown New York City, in der Lenox Avenue zwischen der 140th und 141st Street im Stadtteil Harlem, eröffnet 1926 der Savoy Ballroom, der innerhalb weniger Jahre zum magnetische Zentrum der Hepcats und Hepster avanciert. Das Publikum besteht gleichermassen aus farbigen und hellhäutigen Gästen. Eine unerhörte Sensation in der damaligen Zeit und in einer Gesellschaft, die fast überall im Land trotz einer Gesetzgebung, die dieses offiziell verbietet, Apartheid im Alltag praktiziert.

In dem schmal in die Länge gezogenen, verspiegelten und rosarot gestrichenen Ballsaal, der als „The World´s finest Ballroom“ und „Home of Happy Feet“ in die Geschichte des Jazz eingehen wird, befinden sich an den gegenüber liegenden Schmalseiten jeweils eine Bühne. Die junge Ella Fitzgerald debütiert hier in der Band von Chick Webb, während jeden Abend an sieben Tagen in der Woche die berühmt-berüchtigten „Battles of the Bands“ statt finden. Mitte der 30er treten Count Basie und Benny Goodman mit ihren Bands gegen Chick Webb an, jede Band spielt ein Set von ein paar Stücken, dann ist die andere Seite dran. Die Musiker peitschen sich gegenseitig hoch, es ist heiss, denn es gibt keine Air Condition. Die allabendlich festlich gekleideten Gäste sind aufgekratzt, die Musik erzeugt eine hochenergetische Rhythmik, in den umliegenden Gebäuden lauschen die Nachbarn gebannt von den Feuerleitern an den Fassaden der Musik der besten Bands der damaligen Zeit.

Auf der Tanzfläche haben die Tänzer längst die Regeln des damals in gehobenen Kreisen üblichen, wohl geordneten Foxtrots und Charlestons über Bord geworfen, indem sie sich in freien tänzerischen Improvisationen den Soli, Breaks und synkopierten Rhythmen der Musik überlassen, um sich schließlich wieder zu Paaren in geschlossener Tanzhaltung zusammen zu finden. Revolutionär Neues brodelt, in der Musik, beim Tanzen, in der Gesellschaft.

Der Sound des Swing wurzelt in den Sümpfen Louisianas, den Amüsiervierteln von New Orleans, den Hurenhäusern, Bars, Kaschemmen und den Straßenecken der Elendsviertel, wo sich afrikanische, kreolische und europäische Musikeinflüsse in der dampfenden Hitze vermischen und Strassenbands entstehen, wie man sie heute noch in New Orleans hören kann. Bald jedoch gibt es politische Unruhen, die ganzen Spelunken werden dicht gemacht, die Musiker, unter ihnen Louis Armstrong, ziehen auf der Suche nach Broterwerb nach Chicago und von da aus weiter nach New York City.

Der Jazz erreicht die schicke, intellektuelle und wohlhabende Ostküste. Die Musik gelangt hier, beflügelt vom finanziellen Wohlstand und den zahllosen Auftrittsmöglichkeiten der Bands zu ihrer eigentliche Flughöhe, die sie für einige Jahre halten wird. Untrennbar von ihr entwickelt sich ein Tanzstil, der die Freiheit und kreative Energie des Swing verkörpert. Charles Lindbergh, ein tollkühner Pilot, der gerade als Erster den Atlantik mit einem Nonstop-Flug von New York nach Paris überquert hat, wird der Erzählung nach an einem jener Abende im Savoy gefeiert, die Zeitungen titeln: 'Lucky Lindy Hops the Atlantic’, und einer der bekanntesten Savoy-Tänzer, „Shorty George“ Snowden, antwortet auf die Frage eines Reporters, was er da eigentlich tanze, in Ermangelung einer existierenden Namensgebung kurzehand: „I'm doin' the Hop… the Lindy Hop!“. Von nun an hat der Tanz zur Swingmusik seinen Namen.

Die Wirren des zweiten Weltkrieges lässt viele der Big Bands aussterben, und mit dem Verdämmern des Swing in den USA und Europa wird es stiller in den Ballsälen, bis ein Ableger der Swingmusik, Rock ´n Roll und Boogie Woogie, die Welt als rebellische Jugendbewegung erfasst.

Anfang der 1980ern beginnt eine kleine und absonderliche Gang von Stockholmer Swing-Maniacs der „Swedish Swing Society“, inspiriert von alten Filmaufnahmen und der Musik, die tänzerischen Legenden der 30er und 40er Jahre zu recherchieren und findet in New York City Frankie Manning, ehemals Frontmann der legendären „Whitey´s Lindy Hoppers“, der in den 80ern als Postzusteller arbeitet. Kurzerhand lädt man diesen nach Schweden in den Ort Herräng ein, ein winziges Küstenkaff 120 Kilometer nördlich von Stockholm, und veranstaltet hier das erste Mini-Swing-Camp mit einer Handvoll Exzentrikern und Boogie-Tänzern, die nun vom Original das Tanzen zu ihrer Musik lernen wollen. Das Camp feierte letztes Jahr sein 35-jähriges Jubiläum und gilt mittlerweile als das weltweit größte, jährlich für fünf volle Wochen stattfindende Swing-Camp und beherbergt tausende Tänzer und Bands aus der ganzen Welt:

https://youtu.be/QNHs_KiEcsw

BOOM. Swing. The coolest thing on earth. Heute mehr denn je.

Ich war bisher noch vor keinem Dufttest nervös. Jetzt, beim Hepster, ist das anders. Haha. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich, oder etwas von mir gleich unter die Lupe kommt. Was, wenn ein Duft, der dieser Ära, der Musik, dem damit verbundenen Lebensgefühl gewidmet ist, also etwas, das ich über viele Jahre lieben gelernt habe, mir nicht gefällt? Was, wenn ich nichts davon im Duft wiederfinde, dessen Tester ich bang auspacke, um mir schließlich zaghafte zwei Stöße auf meinen Unterarm aufzusprühen und mich dabei schrecklich albern finde, wie ich mich überwinden muss, den ersten Atemzug durch die Nase zu nehmen. Soll ich die Kopfnoten vielleicht erstmal aussitzen und dann….??

Ach was, Augen zu … and dance like nobody is watching.

Der Hepster ist unglaublich sophisticated und gelassen. Frisch-Zitrisch und Kräuterig-Herb spielen Call and Answer und tragen dabei ein paar verspielte Blüten im Revers. Er wird im Verlauf waldiger. Moosig, krautig-grasig und grün wird er. Lavendel kommt stärker durch, ab jetzt kein Duft mehr für große und kleine Kinder. Er trägt eine lässige Bügelfalte wie ein distinguierter Chypre, ist aber leichtfüssiger. Cooler Typ. Wird schliesslich unglaublich warm, erdig, in sich ruhend. Fühlt sich an wie warme Haut. Iris, Patchouli, Hyraceum, woher kommt diese Hautwärme? Würzige, holzige, balsamisch-harzige Trockenheit eines alten gewachsten Dielenfussbodens aus Waldholz, der viele lange, durchtanzte Nächte erlebt hat, kommt durch. Lange nach Mitternacht, das Licht ist gedimmt, die letzten in sich zusammen gesunkenen Paare bewegen sich wie in Zeitlupe. Slow Drag Night. Rauchschwaden in der Luft, auch im Duft. Bald wird es hell. Eine Erinnerung an etwas Vergangenes trägt er in sich, macht das Mastixharz? Etwas wie das leise Kratzen einer Vinylaufnahme. Genau so muss es klingen.

Danke, Annette Neuffer, für diese wundervolle Hommage!

#dontmeanathingifyouaintgotthatswing
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