29.04.2016 - 10:26 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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54
Dekonstruktion im Wald: Plädoyer für einen der Zeit enthobenen Duft
Unkommentierte Düfte No. 75
Das ist ist keine leichte Kost, meine Damen und Herren, das hier ist ein klares, konsequentes Statement. Dieser Duft hat nichts, aber auch gar nichts mit Trends, zeitgenössischen Moden oder opportunistischer Anbiederung an den Zeitgeist zu tun (wie mir auch die Parfumeurin, Annette Neuffer, bestätigt).
Herrschende Mentalitäten im Nischenparfumbussiness schreiben derzeit orientalische Düfte mit Oud, Ambra und Vanille vor, flankiert durch Blütendüfte (Rose?), gerne auch mit Safran und Weihrauch usf. Dagegen ist auch gar nichts zu sagen, wenn der Duft gut gemacht ist und das sind ja viele. Die Problematik, die sich dahinter verbirgt, ist vielmehr die: Wie lange hält man die Variation des immergleichen Themas aus? Andererseits stellt sich diese Frage wohl eher Menschen, die hier auf Parfumo unterwegs sind, sich durch Hunderte, Tausende Düfte getestet haben. Dennoch: Jeder Versuch, aus dem Gefängnis der Nischen-Mainstream-Vorgaben auszubrechen, ist willkommen.
So auch hier. Annette Neuffer wagt einen Duft, der scheinbar aus der Zeit gefallen ist. Damit meine ich nicht, dass dieser Duft vordergründig nostalgisch oder antiquiert wäre. Gleichwohl ist Hepster ein Duft, der sich durchaus an älteren Vorbildern orientiert. Zwar könnte ich keinen Duft benennen, der sich direkt vergleichen ließe, finde aber Parallelen bei Geo F. Trumper, Crown oder Truefitt & Hill. Allesamt übrigens englische Marken. Daneben zeigen sich auch Referenzen zu italienischen Düften der 70er und 80er sowie zu einigen älteren französischen Düften, die das Thema "grün" variieren.
Überhaupt ist die Farbe "grün" ein Leitmotiv dieses Duftes, obwohl der einst bewährte und inzwischen eher geschmähte klassische Fougère-Akkord den Duft in keiner Weise zu beschreiben vermag.
Die grünen Töne werden vielmehr durch eine starke harzige und würzige Note untermalt, die dem einen oder anderen Träger (viele Trägerinnen werden ihn weniger mögen, es sei denn, sie wagen etwas) sogar zu viel werden könnte. Man stelle sich das vor: Krautig-Grünes trifft auf Herb-Florales, trifft auf Harzig-Holziges. Da entsteht der Eindruck eines Spaziergangs tief durch den Wald oder besser: der Eindruck, dass dich der Wald verschluckt, dass Du dich verirrst, dass Du mit schweißnasser Stirn den Weg zurück nicht mehr findest, während Du alle Gerüche um dich herum hypersensibel wahrnimmst: den Harz von Tannengehölz, den Geruch von frischem Holz umgestürzter Bäume, das Moos und die kleinen Blüten, von denen Du wieder mal nicht weißt, wie sie heißen (Du verfluchst deine Ignoranz gegenüber der Natur, Du Stadtmensch).
Währest Du entspannt; Du würdest das alles genießen, sogar die hellen, scharfen Töne, die sich unter die weichen, warmen von Moos und Patchouli mischen. Woher der Weihrauch kommt? Du musst wohl unter Halluzinationen leiden.
Der Zeit enthoben heißt für mich hier, dass das ein Duft ist, der dich jenseits von Moden begleiten könnte, der dir ein spannendes Erlebnis spendiert (Du musst dich ja nicht gleich im Wald verirren, es reicht schon ein Gang zur Unzeit, wenn keine Sonntagsspaziergänger unterwegs sind) und der Altes zu Neuem gruppiert: Dekonstruktivismus von Duft. Kritisches Hinterfragen gängiger Dufthermeneutik. Neugruppierung von Versatzstücken zu etwas Spannendem / Anderem.
Der Duft ist nicht ganz einfach zu verstehen. Das zeigt schon die Metapher vom Verirren im Wald. Du musst den Duft dekonstruieren, dich ein wenig (ganz nebenbei, beim Tragen) distanziert damit beschäftigen. Dann bekommst Du ein gänzlich neues Dufterlebnis oder (für Kenner älterer englischer und italienischer Düfte) überraschendes Wiedersehen geschenkt.
Ein sehr guter Duft.
Das ist ist keine leichte Kost, meine Damen und Herren, das hier ist ein klares, konsequentes Statement. Dieser Duft hat nichts, aber auch gar nichts mit Trends, zeitgenössischen Moden oder opportunistischer Anbiederung an den Zeitgeist zu tun (wie mir auch die Parfumeurin, Annette Neuffer, bestätigt).
Herrschende Mentalitäten im Nischenparfumbussiness schreiben derzeit orientalische Düfte mit Oud, Ambra und Vanille vor, flankiert durch Blütendüfte (Rose?), gerne auch mit Safran und Weihrauch usf. Dagegen ist auch gar nichts zu sagen, wenn der Duft gut gemacht ist und das sind ja viele. Die Problematik, die sich dahinter verbirgt, ist vielmehr die: Wie lange hält man die Variation des immergleichen Themas aus? Andererseits stellt sich diese Frage wohl eher Menschen, die hier auf Parfumo unterwegs sind, sich durch Hunderte, Tausende Düfte getestet haben. Dennoch: Jeder Versuch, aus dem Gefängnis der Nischen-Mainstream-Vorgaben auszubrechen, ist willkommen.
So auch hier. Annette Neuffer wagt einen Duft, der scheinbar aus der Zeit gefallen ist. Damit meine ich nicht, dass dieser Duft vordergründig nostalgisch oder antiquiert wäre. Gleichwohl ist Hepster ein Duft, der sich durchaus an älteren Vorbildern orientiert. Zwar könnte ich keinen Duft benennen, der sich direkt vergleichen ließe, finde aber Parallelen bei Geo F. Trumper, Crown oder Truefitt & Hill. Allesamt übrigens englische Marken. Daneben zeigen sich auch Referenzen zu italienischen Düften der 70er und 80er sowie zu einigen älteren französischen Düften, die das Thema "grün" variieren.
Überhaupt ist die Farbe "grün" ein Leitmotiv dieses Duftes, obwohl der einst bewährte und inzwischen eher geschmähte klassische Fougère-Akkord den Duft in keiner Weise zu beschreiben vermag.
Die grünen Töne werden vielmehr durch eine starke harzige und würzige Note untermalt, die dem einen oder anderen Träger (viele Trägerinnen werden ihn weniger mögen, es sei denn, sie wagen etwas) sogar zu viel werden könnte. Man stelle sich das vor: Krautig-Grünes trifft auf Herb-Florales, trifft auf Harzig-Holziges. Da entsteht der Eindruck eines Spaziergangs tief durch den Wald oder besser: der Eindruck, dass dich der Wald verschluckt, dass Du dich verirrst, dass Du mit schweißnasser Stirn den Weg zurück nicht mehr findest, während Du alle Gerüche um dich herum hypersensibel wahrnimmst: den Harz von Tannengehölz, den Geruch von frischem Holz umgestürzter Bäume, das Moos und die kleinen Blüten, von denen Du wieder mal nicht weißt, wie sie heißen (Du verfluchst deine Ignoranz gegenüber der Natur, Du Stadtmensch).
Währest Du entspannt; Du würdest das alles genießen, sogar die hellen, scharfen Töne, die sich unter die weichen, warmen von Moos und Patchouli mischen. Woher der Weihrauch kommt? Du musst wohl unter Halluzinationen leiden.
Der Zeit enthoben heißt für mich hier, dass das ein Duft ist, der dich jenseits von Moden begleiten könnte, der dir ein spannendes Erlebnis spendiert (Du musst dich ja nicht gleich im Wald verirren, es reicht schon ein Gang zur Unzeit, wenn keine Sonntagsspaziergänger unterwegs sind) und der Altes zu Neuem gruppiert: Dekonstruktivismus von Duft. Kritisches Hinterfragen gängiger Dufthermeneutik. Neugruppierung von Versatzstücken zu etwas Spannendem / Anderem.
Der Duft ist nicht ganz einfach zu verstehen. Das zeigt schon die Metapher vom Verirren im Wald. Du musst den Duft dekonstruieren, dich ein wenig (ganz nebenbei, beim Tragen) distanziert damit beschäftigen. Dann bekommst Du ein gänzlich neues Dufterlebnis oder (für Kenner älterer englischer und italienischer Düfte) überraschendes Wiedersehen geschenkt.
Ein sehr guter Duft.
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