04.03.2017 - 19:59 Uhr
Seerose
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Seerose
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Erinnerung an ein Universalgenies des Mittelalters
Als ich auf der Probe den Namen "Avicenna" las, dachte ich sofort an den Namenspatron dieses Dufts. "Avicenna" ist die latinisierten Form des Namens eines persischen gelehrten muslimischen Genies. Ein für heutiges Verständnis, ganz hochbegabtes Universalgenie. Damals, im 10./11. Jahrhundert, war man in der islamischen Welt auf allen Wissensgebieten und der Medizin dem Abendland weit voraus. Diesen Stand haben wir Abendländer vielleicht in den letzten 200 Jahren erreicht, postuliere ich jetzt mal kühn. In unseren Breiten leitete die Renaissance diesen Prozess ein.
Warum das so war, wie es seinerzeit im friedlichen Austausch mit der arabisch-muslimischen Welt zuging, und weshalb es wenig später nicht mehr so war, erörtere ich nicht hier. Es ist angesichts der derzeitigen schrecklichen Lage viel zu politisch. Und es ist zu komplex. Ich möchte nur ein Parfüm beschreiben. Aber aus Respekt vor diesem großen Gelehrten muss ich doch zumindest eine Einleitung über ihn schreiben, hier der Anfangsabsatz aus Wikipedia:
Abu Ali al Husain ibn Abdulla ibn Sina * um 980 in Afschana bei Buchara; † Juni 1037 in Hamadan) – bekannt unter dem Namen Ibn Sina, latinisiert Avicenna – war ein persischer Arzt, Physiker, Philosoph, Dichter, Jurist, Mathematiker, Astronom, Alchemist und Musiktheoretiker aus Chorasan in Zentralasien. Er zählt zu den berühmtesten Persönlichkeiten seiner Zeit und hat insbesondere die Geschichte und Entwicklung der Medizin maßgeblich geprägt. Einige seiner philosophischen Ausarbeitungen wurden von späteren Mystikern des Sufismus rezipiert."
Von heute aus gesehen war Avicenna ein moderner Mediziner, der schon Erkenntnisse über die Ursache von Krankheiten hatte in jeder Hinsicht, die man hier erst zum Teil im 18. /19. Jahrhundert zu begreifen begann. Auch wußte er über die Beschaffenheit und Funktion des Körpers schon ganz erstaunlich modern Anmutendes. Vieles hat er in Büchern zusammen getragen.
Avicenna hat ganz jung begonnen Bücher über alles Wissen, was es damals gab, zu schreiben. Ich greife eine für uns hier in Parfumo wichtige Sache als Beispiel auf. Avicenna hat die Wasserdampfdestillation genau beschrieben.
Was nun kann man über ein Parfüm schreiben, das einen so bedeutungsvollen Namen hat?
Wenn man die Pyramide anschaut, könnte man glauben, dass man aus der Fülle der Ingredienzien einen schweren bedrängenden Duft erwarten kann, vielleicht fürchten muss.
In Wahrheit hat A. Neuffer das getan, was ich mir oft wünsche. Sie hat eine ausführliche Pyramide preisgegeben. Denn in allen Düften, vor allem den guten, hochpreisigen sind immer mehr 25 Ingredienzien enthalten, wie ich mir angelesen habe. Ein Duft mit 25 bis 30 Riechstoffen, so schrieb eine Parfümeurin, sei ein minimalistischer Duft.
Was wir hier oben also sehen, ist nicht zum Fürchten, es bestätigt nur die Erfahrung, dass man das meiste, was in den Düften enthalten ist, gar nicht bewußt wahrnimmt, nicht benennen kann. Und so sollte es doch sein. Düfte, die man meint ganz erfassen zu können in allen seinen Einzelteilen ist genau genommen ein auseinander gefallener Duft. Die Pyramiden sollten ehrliche Richtschnüre sein um zu erkennen, um welche Art Duft es sich handelt.
Das Ganze ist wieder einmal mehr als die Summe der Teile.
Ich nehme "Avicenna" gleich zu Beginn und das in der ersten Stunde als milden und doch herben, krautigen Duft war. Ganz klar ist "Avicenna" ein Chypre.
Ich rieche zuerst und dann über einen längeren Zeitraum ein süße Zitrusnote.
Was dann folgt ist nicht scharf, sauer oder schroff, sondern eine pudrige Herbheit, aromatisch und mir doch fremd. Nichts kann ich einzeln benennen. Selbst sehr durchdringende Gewürze wie Zimt schaffen es nicht, sich vorzudrängen.
Wenn überhaupt, dann wage ich Safran als erkannt zu benennen. Nämlich duftet Safran hier so, wie ich ihn von Speisen mit Safran kenne, Safranreis beispielsweise. Öl mit Safran aromatisiert. Und das stört mich zu Beginn sogar. Denn ich mag kein Essen mit Safran. Sonst riecht Safran in Düften für mich anders, ich hatte bisher den Eindruck, dass Safran mir in Düften anders riecht als in Speisen und nur an den Fäden gerochen.
Das Zitrische verstärkt sich noch einmal etwas und allmählich wird "Avicenna" leicht süß, heugrün mit einem Hauch einer Blütenmischung wie im Sommer auf einer ungemähten Wiese mit vielen verschiedenen Blüten. Keine kann ich einzeln erkennen.
Danach wird "Avicenna" harzig, ein wenig gourmandig, cremig-salbiger, wachsig, balsamischer. Die Gewürze haben sich erneut verstärkt und sind jetzt anders als in der Kopfnotenphase.
Jetzt finde ich dieses Chypre so angenehm, wie mir noch keines unter die Nase gekommen ist. Dennoch, es ist kein Blütenduft, kein holziger Duft, ich rieche kein Eichenmoos.
Manchmal habe ich den flüchtigen Eindruck, dass "Avicenna" eine entfernte Ähnlichkeit mit "Epic Woman" hat. Aber auch dieser dieses währt nur Bruchteile von Sekunden, dann bin ich wieder bei "Avicenna".
Ich habe versucht über den Verlauf von "Avicenna" in einem Bogen zu schreiben. Alles, was ich schreibe, kann und wird mit Sicherheit von anderen völlig anders wahrgenommen.
War ich zuerst etwas "schneubig" mit "Avicenna", typisch für meine Wahrnehmung von Chypres, so ist der Duft für mich jetzt richtig schön. Wenn Chypre, dann wäre "Avicenna" eines von denen, die ich in der engeren Auswahl hätte.
Und Avicenna ist ein Unisexduft. Hier blümelt es nicht, aber es strotzt auch nicht lauthals vor herben krautigen Duftnoten. Es gibt keine große Sillage.
Wenn ich es recht bedenke, könnten sehr viel Parfumos mit "Avicenna" zurechtkommen, gleichgültig ob sie nun eher mainstreamige Düfte mögen oder nicht zu experimentelle Nischendüfte.
Jetzt nach einigen Stunden, erinnert mich "Avicenna" auch an "Bois Farine" auch wenn dieser Duft sehr viel komplexer ist, ein wunderbarer Duft für den Winter und den Herbst.
Aber auch im Frühling und im Sommer kann man "Avicenna" tragen ohne Kopfschmerzen zu bekommen. Jedoch passt "Avicenna" besser in die dunkle Jahreshälfte, weil er die Sonne und Wärme des Sommers verströmt.
Die Sillage ist zurückhaltend, die Haltbarkeit ist sehr gut. Auch am im Ausklang duftet "Avicenna" noch immer nur nach den guten Ingredienzien und hat keine synthetische Fahne. Genauso wie die anderen Düfte von "A. Neuffer nach vielen Stunden im Ausklang ganz zart nach Pflanzen, Harzen und leicht gourmandig duften.
Wie hätte "Avicenna" diesen Duft beurteilt? Damals war das Wissen und die Anwendung von Düften und Riechstoffen bedeutender und umfassender, Medikamente für die Therapie über die Nasenschleimhäute selbstverständlich.
Warum das so war, wie es seinerzeit im friedlichen Austausch mit der arabisch-muslimischen Welt zuging, und weshalb es wenig später nicht mehr so war, erörtere ich nicht hier. Es ist angesichts der derzeitigen schrecklichen Lage viel zu politisch. Und es ist zu komplex. Ich möchte nur ein Parfüm beschreiben. Aber aus Respekt vor diesem großen Gelehrten muss ich doch zumindest eine Einleitung über ihn schreiben, hier der Anfangsabsatz aus Wikipedia:
Abu Ali al Husain ibn Abdulla ibn Sina * um 980 in Afschana bei Buchara; † Juni 1037 in Hamadan) – bekannt unter dem Namen Ibn Sina, latinisiert Avicenna – war ein persischer Arzt, Physiker, Philosoph, Dichter, Jurist, Mathematiker, Astronom, Alchemist und Musiktheoretiker aus Chorasan in Zentralasien. Er zählt zu den berühmtesten Persönlichkeiten seiner Zeit und hat insbesondere die Geschichte und Entwicklung der Medizin maßgeblich geprägt. Einige seiner philosophischen Ausarbeitungen wurden von späteren Mystikern des Sufismus rezipiert."
Von heute aus gesehen war Avicenna ein moderner Mediziner, der schon Erkenntnisse über die Ursache von Krankheiten hatte in jeder Hinsicht, die man hier erst zum Teil im 18. /19. Jahrhundert zu begreifen begann. Auch wußte er über die Beschaffenheit und Funktion des Körpers schon ganz erstaunlich modern Anmutendes. Vieles hat er in Büchern zusammen getragen.
Avicenna hat ganz jung begonnen Bücher über alles Wissen, was es damals gab, zu schreiben. Ich greife eine für uns hier in Parfumo wichtige Sache als Beispiel auf. Avicenna hat die Wasserdampfdestillation genau beschrieben.
Was nun kann man über ein Parfüm schreiben, das einen so bedeutungsvollen Namen hat?
Wenn man die Pyramide anschaut, könnte man glauben, dass man aus der Fülle der Ingredienzien einen schweren bedrängenden Duft erwarten kann, vielleicht fürchten muss.
In Wahrheit hat A. Neuffer das getan, was ich mir oft wünsche. Sie hat eine ausführliche Pyramide preisgegeben. Denn in allen Düften, vor allem den guten, hochpreisigen sind immer mehr 25 Ingredienzien enthalten, wie ich mir angelesen habe. Ein Duft mit 25 bis 30 Riechstoffen, so schrieb eine Parfümeurin, sei ein minimalistischer Duft.
Was wir hier oben also sehen, ist nicht zum Fürchten, es bestätigt nur die Erfahrung, dass man das meiste, was in den Düften enthalten ist, gar nicht bewußt wahrnimmt, nicht benennen kann. Und so sollte es doch sein. Düfte, die man meint ganz erfassen zu können in allen seinen Einzelteilen ist genau genommen ein auseinander gefallener Duft. Die Pyramiden sollten ehrliche Richtschnüre sein um zu erkennen, um welche Art Duft es sich handelt.
Das Ganze ist wieder einmal mehr als die Summe der Teile.
Ich nehme "Avicenna" gleich zu Beginn und das in der ersten Stunde als milden und doch herben, krautigen Duft war. Ganz klar ist "Avicenna" ein Chypre.
Ich rieche zuerst und dann über einen längeren Zeitraum ein süße Zitrusnote.
Was dann folgt ist nicht scharf, sauer oder schroff, sondern eine pudrige Herbheit, aromatisch und mir doch fremd. Nichts kann ich einzeln benennen. Selbst sehr durchdringende Gewürze wie Zimt schaffen es nicht, sich vorzudrängen.
Wenn überhaupt, dann wage ich Safran als erkannt zu benennen. Nämlich duftet Safran hier so, wie ich ihn von Speisen mit Safran kenne, Safranreis beispielsweise. Öl mit Safran aromatisiert. Und das stört mich zu Beginn sogar. Denn ich mag kein Essen mit Safran. Sonst riecht Safran in Düften für mich anders, ich hatte bisher den Eindruck, dass Safran mir in Düften anders riecht als in Speisen und nur an den Fäden gerochen.
Das Zitrische verstärkt sich noch einmal etwas und allmählich wird "Avicenna" leicht süß, heugrün mit einem Hauch einer Blütenmischung wie im Sommer auf einer ungemähten Wiese mit vielen verschiedenen Blüten. Keine kann ich einzeln erkennen.
Danach wird "Avicenna" harzig, ein wenig gourmandig, cremig-salbiger, wachsig, balsamischer. Die Gewürze haben sich erneut verstärkt und sind jetzt anders als in der Kopfnotenphase.
Jetzt finde ich dieses Chypre so angenehm, wie mir noch keines unter die Nase gekommen ist. Dennoch, es ist kein Blütenduft, kein holziger Duft, ich rieche kein Eichenmoos.
Manchmal habe ich den flüchtigen Eindruck, dass "Avicenna" eine entfernte Ähnlichkeit mit "Epic Woman" hat. Aber auch dieser dieses währt nur Bruchteile von Sekunden, dann bin ich wieder bei "Avicenna".
Ich habe versucht über den Verlauf von "Avicenna" in einem Bogen zu schreiben. Alles, was ich schreibe, kann und wird mit Sicherheit von anderen völlig anders wahrgenommen.
War ich zuerst etwas "schneubig" mit "Avicenna", typisch für meine Wahrnehmung von Chypres, so ist der Duft für mich jetzt richtig schön. Wenn Chypre, dann wäre "Avicenna" eines von denen, die ich in der engeren Auswahl hätte.
Und Avicenna ist ein Unisexduft. Hier blümelt es nicht, aber es strotzt auch nicht lauthals vor herben krautigen Duftnoten. Es gibt keine große Sillage.
Wenn ich es recht bedenke, könnten sehr viel Parfumos mit "Avicenna" zurechtkommen, gleichgültig ob sie nun eher mainstreamige Düfte mögen oder nicht zu experimentelle Nischendüfte.
Jetzt nach einigen Stunden, erinnert mich "Avicenna" auch an "Bois Farine" auch wenn dieser Duft sehr viel komplexer ist, ein wunderbarer Duft für den Winter und den Herbst.
Aber auch im Frühling und im Sommer kann man "Avicenna" tragen ohne Kopfschmerzen zu bekommen. Jedoch passt "Avicenna" besser in die dunkle Jahreshälfte, weil er die Sonne und Wärme des Sommers verströmt.
Die Sillage ist zurückhaltend, die Haltbarkeit ist sehr gut. Auch am im Ausklang duftet "Avicenna" noch immer nur nach den guten Ingredienzien und hat keine synthetische Fahne. Genauso wie die anderen Düfte von "A. Neuffer nach vielen Stunden im Ausklang ganz zart nach Pflanzen, Harzen und leicht gourmandig duften.
Wie hätte "Avicenna" diesen Duft beurteilt? Damals war das Wissen und die Anwendung von Düften und Riechstoffen bedeutender und umfassender, Medikamente für die Therapie über die Nasenschleimhäute selbstverständlich.
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