Carpintero

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Carpintero vor 13 Tagen 5
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Haltbarkeit
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Duft
Winter in Venedig | Oder: Der Bessere Oud Minérale?
Als ich die Duftnoten zum ersten Mal las, musste ich unweigerlich an einen meiner absoluten Lieblingsdüfte denken: "Oud Minérale | Tom Ford" — Alge, Treibholz, das kann der ziemlich gut und fährt dieses Programm auf eine dunkle, mysteriöse und sehr einzigartige Weise (Disclaimer: ich spreche hier vom "Oud Minérale | Tom Ford" aus der Private Blend, welcher leider eingestellt wurde und dann zunächst in Form der Resort Collection und später in der Signature Line wieder released wurde).

Da der "Oud Minérale | Tom Ford" seine (berechtigte) Fanbase hat, bitte ich um Nachsicht, wenn ich als grosser Fan doch immer wieder einmal die Schlaufe zu diesem Meisterwerk ziehe.

Meisterwerk ist dann auch das richtige Stichwort — denn der "Gold Regatta | The Merchant Of Venice" ist nichts weniger als das.

Im AUFTAKT startet der "Gold Regatta | The Merchant Of Venice" zunächst sehr überladen und dadurch auch sehr ausladend: Treibholz, Rotalge und irgendetwas Ungestürmes fliegen mir entgegen. Es erinnert mich an einen Wintermorgen in Venedig, wo ich letzten Dezember war: Die Luft ist eiskalt, es riecht nach Meeressalz, nach Algen, leicht fischig und irgendwie nicht sehr einladend oder fein. Und doch hat der Duft, wie auch Venedig an einem Wintermorgen, etwas Fesselndes, da sich am Horizont bereits der Sonnenaufgang erahnen und der Duft die Spannung aufkommen lässt, was danach kommt.

Die markanten Noten von Rotalge und Treibholz weichen rasch und bleiben dennoch präsent: Im Gegensatz zum "Oud Minérale | Tom Ford" , wo das Treibholz rau, dunkel, stark algig und rüpelhaft riecht, so als sei es frisch gesammelt worden und somit auch noch eine „modrige“ Note mitschwingt, ist das Treibholz im "Gold Regatta | The Merchant Of Venice" eindeutig bereits bearbeitet, geschliffen und veredelt worden: glatt und sanft, dennoch lassen sich Rotalge, Meersalz und Gischt noch deutlich erahnen.

In der HERZNOTE geht die Sonne über Venedig langsam auf, der Tag bricht an und erste warme Strahlen erreichen die Haut im angefrorenen Gesicht.
Und auch der "Gold Regatta | The Merchant Of Venice" entfaltet sich zu einer meisterhaften Komposition — Dort, wo Rotalge, Treibholz und Meersalz um die Oberhand wetteifern und etwas Unruhe stiften, gesellt sich die rote Feige hinzu, die saftig-süss und überreif daherkommt und dem Duft einen unglaublich schönen Vibe verleihen. Im Hintergrund gesellt sich die Strohblume dazu, welche dem Duft die nötige Wärme verleiht, aber nie dominant wird. Spuren von Safran, Curry und anderen Gewürzen lassen sich dank der Strohblume erahnen und erzeugen eine sehr subtile, wunderschöne Wärme — wie die Sonne, die an diesem Dezembermorgen gemächlich den Himmel über der Stadt der Liebe erleuchtet.

In der BASIS gesellen sich zur zuvor beschriebenen Komposition noch wärmender Amber und herbe Vanille hinzu, welche dem Duft eine wunderschöne Cremigkeit verleihen und dem weit gereisten Treibholz eine gebührende Begleitung sind. Und dennoch gelingt es dem "Gold Regatta | The Merchant Of Venice" weiterhin seinen unverkennbaren Charakter, seine Ecken und Kanten, beizubehalten: Meeressalz, Rotalge und Treibholz sind auch hier nach- wie vor präsent, die überreife und saftige Rotfeige und die Strohblumen verleihen fruchtige Süsse und wärmende Würze. Amber und Vanille sind die wärmende Sonne an einem Dezembertag in Venedig: Es wird nie heiss oder richtig warm, aber ein Hauch dieser Sonne zaubert ein Strahlen aufs Gesicht und ein Gefühl der Wonne in die Seele.

HALTBARKEIT und SILLAGE sind hervorragend, wobei der Duft wirklich den ganzen Tag hält und die Sillage insbesondere in den ersten paar Stunden sehr deutlich abstrahlt. Auf der Kleidung ist der Duft bis zum nächsten Waschgang wahrnehmbar und auch am Körper lässt er sich am nächsten Morgen noch erahnen.

Im DIREKTEN VERGLEICH zu "Oud Minérale | Tom Ford" lässt sich sagen, dass beiden Düften die holzige Aquatik, das Meersalz, die Algen und das Treibholz gemein ist, aber im Herzen und der Basis zwei völlig konträre Programme gefahren werden:

"Oud Minérale | Tom Ford" — hier ist das Treibholz rau, dunkel, stark algig und rüpelhaft. Es riecht wie frisch gesammeltes Treibholz, bei dem die Meersalz-, Schweröl-, Muschelkalk- und Algennote noch sehr präsent ist und auch etwas leicht „Modriges“ mitschwingt und der Duft dadurch sehr harsch und unkonventionell wirkt.

"Gold Regatta | The Merchant Of Venice" — hier ist das Treibholz bereits bearbeitet und geschliffen worden: glatt und sanft, dennoch lassen sich Rotalge, Meersalz und Gischt noch deutlich erahnen. Die Feige bringt einen wunderschönen (und unerwarteten) Vibe mit, in der Basis holen Vanille und Amber die schönsten Seiten hervor und begleiten das weit gereiste Holz gebührend.
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Carpintero vor 13 Tagen 4 2
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Flakon
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Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Unterbewertetes Meisterwerk
Um es kurz zu machen: "Fleur de Portofino (Eau de Parfum) | Tom Ford" ist für mich einer der unterbewertetsten Düfte überhaupt und zeitgleich für mich der Inbegriff von Meisterwerk.

Wenn ich an Tom Ford denke, assoziiere ich mit diesem Hause gewagte Düfte, die Konventionen missachten, neue Massstäbe setzen und „Outside the Box“ Grenzen überschreiten. Einige Meisterwerke, wie zum Beispiel "Tobacco Vanille (Eau de Parfum) | Tom Ford" , "Oud Wood (Eau de Parfum) | Tom Ford" oder "Fucking Fabulous / Fabulous (Eau de Parfum) | Tom Ford" sind genau das - unkonventionelle Meilensteine in der Welt der Düfte.
Aber seien wir ehrlich: In den letzten Jahren kam wenig Revolutionäres aus diesem Hause, mal ein bisschen „naughty“ hier, mal ein bisschen „provokant“ da — aber nichts, worum man sich reissen müsste.

So testete ich eher negativ behaftet den "Fleur de Portofino (Eau de Parfum) | Tom Ford" und frage mich, aus welchem Grund dieser Duft kaum Hype erlebt und auch nur sehr wenig Rezensionen darüber auf YouTube zu finden sind.

*AUFTAKT*
Der Duft startet spritzig, zitrisch und alkoholisch und wirkt im ersten Moment völlig überladen und unausgeglichen. Die eindimensionale und alkoholische, strechende Zitrik weicht jedoch innert nur weniger Minuten und führt direkt zur Herznote, welche dem Duft seine unverwechselbare Seele verleiht.

*HERZNOTE*
Nach bereits wenigen Minuten setzt die Herznote ein und gibt dem Duft Substanz und Charakter — seine Seele, wenn man so will:
Die frische Zitrik tritt in den Hintergrund und übergibt das Zepter an Akazie, Mimose und Osmanthus.
Die Akaziennoten sind anfänglich etwas süsslich, werden dann aber schnell zitrisch-holzig-frisch mit einer gewissen Erdigkeit. Dies erinnert mich vor allem in den ersten Stunden stark an die holzig-zitrisch-aquatische Komponente des "Costa Azzurra (Eau de Parfum) | Tom Ford" und "Costa Azzurra Acqua | Tom Ford" , wobei diese Note im "Fleur de Portofino (Eau de Parfum) | Tom Ford" unmittelbar von Mimose und Osmanthus begleitet wird.
Die Mimose lässt in dieser Kombination den Duft veilchenartig wirken und verleiht diesem Meisterwerk einen sehr besonderen staubig-pudrigen Vibe, den ich so noch nirgendwo zuvor gerochen habe. Ausserdem kommen nun auch süss-frische Noten hinzu, welche dem Duft eine cremige Sauberkeit gibt.
Osmanthus, eine Duftblüte, die aus Süd-Ost-Asien stammt und dort in bestimmten Gegenden omnipräsent ist, gibt dem Duft einen luxuriösen Charakter, welche an hochwertigen Grüntee erinnert. Und tatsächlich: In einigen Regionen wird Osmanthus verwendet, um Oolong-Tee eine blumige Note zu geben. Ausserdem schwingt zusätzlich noch so ein ganz subtiler, absolut nicht aufdringlicher Vibe von frisch aufgeschnittenen Aprikosen mit. Und diese Noten wurden im "Fleur de Portofino (Eau de Parfum) | Tom Ford" auf meisterliche Weise umgesetzt, lassen den Duft nie zu süss werden und verleihen ihm eine blumig-staubige Erdigkeit zu den zitrischen Hölzern und der cremigen Frische.

*BASIS*
Nach etwa 3 bis 4 Stunden kommt zu der oben beschriebenen Komposition eine ganz sanfte, weiche, minimal wachsige Note von Akazienhonig hinzu — clean und transparent, wunderschön und hell. Der Honig wirkt dabei sehr natürlich, wie frisch geschleudert und lässt sogar noch ein wenig Wabe mitschwingen. Er untermalt die unterschiedlichen Akkorde von leicht aquatischer Frische gepaart mit den blumigen, pudrigen und leicht-staubigen Noten und der dezenten Holzigkeit. Nie wird der Honig auf irgendeine Art aufdringlich oder zu viel, sondern hält sich im Hintergrund und ergänzt auf wundersame Weise das Dufterlebnis.

*HALTBARKEIT*
Erstaunlicherweise hält der Duft bei mir auf der Haut gute 8 Stunden, auch im Frühling und beginnenden Sommer. Auf der Kleidung lassen sich die Noten sogar noch am darauffolgenden Tag erahnen. Also im Grunde genommen eine sehr solide Performance.

*SILLAGE*
Der "Fleur de Portofino (Eau de Parfum) | Tom Ford" ist nur ganz zu Beginn ein kleiner Schreihals, der sich jedoch schnell einzuordnen weiss und nur die Menschen in seinen Bann zieht, die einem nahe kommen. Dabei ist die Sillage in den ersten 2 oder 3 Stunden vielleicht eine Armlänge und danach „nur“ noch ein Skinscent, was sich auch in der Bewertung von 6.5 deutlich manifestiert.

*VERDIKT*
Was mich an diesem Duft so ausserordentlich begeistert, ist zum einen der Duftverlauf an sich: Das komplette Gegenprogramm von Geradlinigkeit — der "Fleur de Portofino (Eau de Parfum) | Tom Ford" verläuft alles andere als linear, lässt die verschiedenen Akkorde miteinander „spielen“ und bleibt sich dennoch als Saubermann-Duft mit Luxus-Vibe treu. Dabei ist der Duft für mich auch der Inbegriff von Unisex, wobei er minimal zur weiblichen Seite tendiert.
Zum anderen begeistert mich die Einzigartigkeit des Duftes: Ich habe wirklich schon einiges probiert und ja, ich bin - zugegeben - auch ein Fan von Tom Ford, aber dieser Duft riecht wirklich sehr einzigartig, besonders und unvergleichbar mit anderen Düften. Ich bin wirklich froh, dieses unterbewertete Meisterwerk für mich entdeckt zu haben und könnte mir vorstellen, dass der Duft im Frühling/Sommer sogar zum Signature-Scent auserkoren werden könnte.
2 Antworten
Carpintero vor 2 Monaten 32 5
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Ich bin es mir wert… oder?
Oud Wood und ich — das ist eine Art Liebesgeschichte: Mein Grund, wieso ich hier auf Parfumo gelandet bin, meine Eintrittskarte in die Welt der Nischendüfte, meine erste richtige grosse Liebe sozusagen.

Damals wie heute war und ist das Thema Haltbarkeit ein grosser Diskussionspunkt, wobei mir dabei eine Konstante auffällt: Als ich den Duft 2018 zum ersten Mal bewusst testete und mir dann einen 100ml Flakon mit „Haltbarkeitsproblemen“ (irgendein Batch aus dem Jahre 2017) kaufte, stiess ich erstmalig auf die ganzen Diskussionen bezüglich Batches, Reformulierungen, Schwächen.
Den Flakon aus dem Jahre 2018 habe ich immer noch und auch noch einen weiteren (250 ml) aus dem Jahre 2020 — beide halten ganz wunderbar ihre 8 Stunden, strahlen mässig aus und sind für mich die beiden Go-To-Düfte ins Büro.
Im Souk werden die Batches aus 2018 teils zu horrenden Preisen gehandelt und ich bin überzeugt, dass ein grosser Punkt eher die Nachreifung als die Reformulierungen ist.

So — und nun ein Sprung ins Jahr 2024.
Als ich vom neuesten Release hörte, war ich hellauf begeistert: Ein Oud Wood als Parfum, vermeintlich stärker, länger haltbar, man munkelte über eine Qualität der Oud Wood-Düfte allererster Stunde aus dem Jahre 2007.

Im Harrod’s in London konnte ich den Duft testen — und kaufte ihn. Für sagenhafte 330 Pfund.
Zugegeben: Ich musste meine Gesichtsentgleisung enorm zügeln und meine Mimik extrem unter Kontrolle halten als die Dame mir den Preis nannte. Einen Rückzieher wollte ich nicht mehr machen — und irgendwie: Ich bin es mir wert… oder?

Zum Duft selbst: Geradlinig, clean, intensiv und stark.
Für mich eindeutig der Duft, den ich beim Date tragen werde.

Er hat weitaus weniger Ecken und Kanten als das Original (EDP), geht weniger stark in die Tiefe, wirkt aber dichter, cremiger und dicker.
Oud Wood Parfum fährt das klassische Programm, wirkt smooth durch den Kardamom, der eine kühlende Distanz verleiht, zieht aber durch die warmen Hölzer und Gewürze das Gegenüber in seinen Bann.
Der scharfe Szechuanpfeffer (keine Sorge, ich rieche da ehrlich gesagt keinen Unterschied zu “normalem” Pfeffer) und der wärmende Amber gleichen einander harmonievoll aus.
Bei den Gewürzen habe ich den Eindruck als seien irgendwelche Lebkuchengewürze enthalten, in ganz sanfter, homöopathischer Dosis: Der Duft wirkt dadurch süßer als sein Vorbild. Ganz klar nichts, was ich ins Büro tragen würde [sagt er wohl wissend, dass er seine Kolleg:innen auch regelmäßig mit Alexandria II, Tobacco Vanille und anderen Bomben im Büro „beglückt“].

Zur Frage aller Fragen nun: Wie hält er sich?
Für mich eindeutig stärker und besser als das EDP. Das ist aber mit (hoher) Wahrscheinlichkeit auch dem Umstand geschuldet, dass die Süsse der Gewürze und die dichteren Hölzer eine gewisse „Dicke“ und „Fülle“ mitbringen, die im Vorbild nicht enthalten sind.
Die Sillage ist mässig, er nimmt mit Sicherheit keine Räume ein, ist aber dennoch beim Vorbeigehen die ersten Stunden deutlicher wahrnehmbar als sein Vorbild.
Für mich passiert die Magie dennoch auf der Haut, wenn der Duft noch stark genug ist, um sein Gegenüber zu faszinieren und gleichzeitig etwas zurückfährt, ein wenig leiser wird und das Gegenüber dadurch etwas näher kommen muss, um mehr davon zu riechen.

Ist der Duft den Preis wert?
Ich denke, so individuell wie Geschmäcker sind, verhält es sich auch mit dem Preis-Leistungsempfinden unterschiedlicher Düfte.
Man könnte genauso die Frage stellen, ob einer Person es wert ist, Business oder First Class zu fliegen, ob es unbedingt ein 5-Sterne-Hotel sein muss, ob der Porsche in der Garage wirklich notwendig ist…
Der Duft ist, wie auch der Business- oder First-Class-Flug, das 5-Sterne-Hotel und der Porsche, ein Luxusgut, welcher das Premium-Segment längst hinter sich gelassen hat.
Er ist eine Komposition mit einem Preisschild. Diesen Preis ist man für Luxus entweder bereit zu bezahlen - oder eben nicht.
Persönlich bin ich glücklich und froh, einen 50ml Flakon mein Eigen nennen zu dürfen und werde diesen Duft in Ehren zu unserer wöchentlichen Date-Night oder an anderen, ganz besonderen Anlässen tragen.

Am Ende, so glaube ich, wird der Duft seine Zielgruppe finden.
Ob einem das wert ist, bleibt dem Individuum selbst überlassen.
5 Antworten
Carpintero vor 6 Monaten 8 3
9
Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
9.5
Duft
Kaffeefinka
— oder die wohl persönlichste Rezension, die ich je geschrieben habe.

Viele Personen, egal, ob auf YouTube oder hier auf Parfumo, äusserten über den Duft, dass er eine Anlehnung an den typischen „Arabic Coffee“ sei.
Arabischer Kaffee, den ich noch sehr gut und positiv von meinem zweijährigen Aufenthalt in Katar in Erinnerung habe, ist ein goldfarbenes Getränk, das in der Tiefe zwar Kaffee erahnen lässt, aber voller exotischer Gewürze steckt: Kardamom, Safran, Muskat, Nelken und - natürlich - Rosenwasser.

Und ja, all das nimmt man im Golden Dallah war: Den Kaffee wunderschön in der Tiefe, aussen herum begleitet, aber nie dominiert von Rose, Kardamom, Safran, Muskat und (vermutlich) Nelken. Auch Weihrauch und Oud nehme ich wahr, genauso wie die Süsse der Tonkabohne (möglicherweise in Anlehnung an die Datteln, die man zum Arabic Coffee reicht) und leichte Spuren von bitterem, ungesüssten Kakao.

Und damit wäre die Rezension auch schon abgeschlossen, den all die beschriebenen Noten sind enthalten, ergänzen und begleiten den Kaffee, ohne ihn zu übertünchen oder ihm die Show zu stehlen.

Aber halt.
Was war das?

Im weiteren Verlauf nimmt der Golden Dallah — zumindest für mich persönlich — eine ganz andere Wende:

Möglicherweise kennen die ein oder anderen Parfumos/Parfumas meine Geschichte, von meiner Jugend in Südamerika oder meinem Leben in Katar.

Nachdem meine Mutter, die in Bogota im Auslandsschuldienst tätig war, pensioniert wurde, kaufte sie sich zusammen mit ihrem Mann ein Stückchen Land in der kolumbianischen Kaffee-Region. Genauer im Libano, Tolima, etwa 7 Stunden Bergauf-Bergabfahrt von Bogota entfernt. Und nachdem sie dort das Land gekauft, eine wunderschöne, traditionelle Kaffeefinka konstruiert und den ersten eigenen Kaffee angebaut hatte, besuchte ich sie fast jedes Jahr an diesem magischen Ort.

Wenn du dort ankommst, den langen Flug und die beschwerliche Anreise hinter dir gelassen hast, begleitet dich über die gesamte Zeit eine Duft-Aura von grünem Kaffee, roter Erde und eine Mischung aus floralen und herben Noten.

Und genau das verkörpert der Golden Dallah für mich:
Nachdem meine Sinne beim ersten Aufsprühen nach Katar an den arabischen Golf reisten, katapultiert mich der Drydown straight in den Libano, Tolima, auf die Kaffeefinka meiner Mutter.
Ich spüre die wärmende Sonne, die sich in der rötlichen Erde reflektiert, die dampfige Luft, die es dort aufgrund der erhöhten Luftfeuchtigkeit hat, die grünen Töne der Kaffeeplantage, welche sich direkt um die Finka befindet. Grüner, noch etwas unreifer Kaffee riecht süsslich und herb zugleich. Während der reife Kaffee, der sich geschält bereits beim Trocknen befindet, ein kräftig-erdiges Aroma mit sich bringt. Ich rieche ausserdem die floralen und erdigen Töne, die durch die prächtigen Pflanzen und die feuchte, lehmige Erde entstehen. Und - vielleicht bilde ich es mir auch nur ein - einen ganz sanften Hint, der an Bananenstauden erinnert: Das Aroma der noch unreifen, grünen Banane, nur ganz leicht süss, mehr tropisch-grün.

Und ich fühle mich geborgen. Meilenweit weg vom Office-Stress. In Sicherheit vor allem, was auf der Welt passiert. Im Libano ticken die Uhren (und Menschen) noch anders, der Tag, die Woche, der Monat und das gesamte Jahr richten sich nach dem Kaffeeanbau — und vielleicht ein wenig nach den paar wenigen Touristen, die sich auf dem Weg nach Medellin oder Pereira in den Libano verirren. Der Duft verkörpert die Entspanntheit, die Leichtigkeit des Seins, die perfekte Kombination aus allen Elementen.

Für mich ein kleines Meisterwerk, das sowohl im Office, als auch beim Date oder zum Dinner geht.
Keineswegs ein Schreihals, eher hautnah und sanft, aber wunderschön und faszinierend zieht er alle in seinen Bann.

Danke für die kleine Weltreise, XerJoff!
3 Antworten
Carpintero vor 7 Monaten 29 18
4
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Der Unbelehrbare
— oder: im Nachhinein ist man immer schlauer.

Diese Worte treffen es eigentlich ganz gut auf den Punkt.
Während der Release gross angekündigt und gefühlt ständig im PdM-Newsletter zu lesen, auf sämtlichen Parfum-Channels auf YouTube gehypt und der Duft selbst bei Parfumo sogar innert nur weniger Tage zuerst in der Top 100, dann in der Top 50 und zeitweise sogar in der Top 30 zu finden war, gab es nur wenige kritische Stimmen dem Duft gegenüber.

Nichtsdestotrotz gab es sie, die Kritiker, die dem Duft nichts Grossartiges, nichts Besonders abgewinnen konnten.
Aber auf sie wollte ich nicht hören. Unbelehrbar.

Also: Duft bestellt [gab es zu diesem Zeitpunkt nur auf der Website von PdM], nettes Lederetui (wofür auch immer man das benötigt) und Ledersäckchen (gleiche Frage - Antworten immer gerne an mich) dazu und on Top noch eine 10 ml Probe eines anderen PdM-Duftes. 250 Euro inkl. Verstand — wird schon passen, dachte ich.

Nachdem der Versand das Doppelte an der veranschlagten Zeit benötigte, das Paket statt im „Express“-Paket als „Economy Select“ daherkam und seitens PdM trotz mehrfacher Nachfrage keine Rückmeldung kam, zog schon ein erster bitterer Nachgeschmack auf, der sich leider halten sollte.

Der Inhalt des leicht demolierten und dank der Temperaturen knallheissen Pakets wurde sofort begutachtet und getestet. Und die Enttäuschung war gross.

Das soll er sein? Der Release des Jahres? Der „beste PdM aller Zeiten“? — Ja, im Nachhinein ist man immer schlauer.

Der Duft ist ok, eine solide 7 von 10 schafft er allemal, ja. Aber er erfindet das Rad nicht neu, ist sicherlich nicht der beste PdM aller Zeiten und auch garantiert kein neuer Layton.
Ich bin überzeugt, dass der Duft seine Daseinsberechtigung auf dem bereits gut gesättigten Markt nicht unbedingt verdient hat, umso vehementer wird er marketingtechnisch gepusht. Nicht schlecht.

Initial nimmt man besonders den „Vanilla Overkill“ wahr, der tatsächlich nicht übel ist. Dabei ist er aber laut, sehr, sehr laut. Auch die zitrischen Noten von Bergamotte und Orangenblüte sind klar vorhanden und bringen - in meinen Augen - eine gewisse Unruhe ins Spiel.

Andere User:innen berichteten von Assoziationen zu SWY, Armani Code oder Layton. Ja, ja und ja.
Aber lässt das im Umkehrschluss auf Kreativität schliessen? Ich weiss ja nicht.

Für mich springt der Duft vom vanilligen Auftakt zum warmen Drydown nicht gross hin- und her. Er ist geradlinig, straightforward und dadurch auch etwas unspektakulär und langweilig. Vanille, zitrische Noten, Zimt, Hölzer und Harze bleiben prominent und über den ganzen Duftverlauf verteilt zu gleicher Massen bestehen. Praline ist ebenfalls da, Ambrox hingegen kaum.

Die „Monster-Sillage“ hat der Duft ebenfalls nicht, wobei die Haltbarkeit mit einer 8 von 10 ziemlich solide ist.

Wer allerdings wirklich den neuen Layton, den besseren Pegasus oder gar die Kreativität von Herod erwartet, dürfte enttäuscht werden.
Ich weiss nicht, was ich genau erwartet hatte, aber im Gesamtpaket überzeugt mich der Duft einfach nur bedingt.

Ja, er ist nicht schlecht. Ja, er ist im Herbst und Winter sicher nicht deplatziert. Und auch die Haltbarkeit ist eher im oberen Raum anzusiedeln.
Was mir jedoch fehlt, ist der Twist, die Überraschung, das Besondere oder das Unerwartete.
Der Duft wird dem Hype einfach nicht gerecht, plätschert so vor sich hin, ohne grosse Ecken oder Kanten zu haben.

Vielleicht erscheint ja noch eine Exclusif-Variante — mit etwas tieferen Hölzern, mehr Ambrox und zusätzlich Oud. Das, so könnte ich es mir zumindest vorstellen, dürfte den Duft um Welten interessanter machen.

Das jedoch ist Zukunftsmusik.

Für den Status Quo, ingesamt beurteilt: Im Nachhinein ist man immer schlauer.
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