Mein Brief an Chanel oder Ein Mann kämpft immer gegen seinen Schatten
Der erste Parfumo-Geburtstag ist ein guter Tag, um die Idee eines Blogs hier zu verwirklichen, nachdem mich schon lange der Gedanke reizt. Und es ist aus meiner Sicht die logische Schlussfolgerung, dass der erste Artikel zu Chanel sein muss. Ich schreibe also diese Zeilen in der Annahme, hier etwas sagen zu können, was viele in der Community ähnlich empfinden.
Einfach ausgedrückt: Ich liebe Chanel seit 1999! Erzählt geht die Geschichte wie folgt.
1999 war es, als ich zum ersten Mal #platinum égoïste an einem älteren Cousin roch und diese Sillage, hellgrau in meiner Fantasie, metallisch, intensiv, aber zugleich sanft und luftig, brannte sich in mein Teenager-Gehirn ein. Ich erfuhr noch an dem Abend, was das für ein Duft war und erinnere mich, - ob meine Erinnerung auch wirklich stimmt, ist eine andere Frage- wie ich nachts im Bett lag und wusste, ich muss diesen Duft haben und ich will genauso riechen. Ein Leben lang. In der Nacht ist der Schatten entstanden, gegen den ich antrete, könnte man sagen. Ich hatte im ästhetischen Sinne eine Vorstellung, was für ein Mann ich sein will. Und dieses Projekt, lebenlang genau so und nicht anders riechen zu wollen, ist zumindest bisher auch so eingetreten. Ich musste einige Monate sparen und kaufte mir dann halb Kind, halb Teenager, meinen ersten Flakon Platinum Egoiste, und zwar zu jener Zeit, lange bevor die Teenies dieser Welt die Parfümerien ebendieser Welt bevölkerten. Ich erinnere mich, wie ich diesen Flakon auspackte. Wie bereits die Verpackung und der Flakon so herrlich metallisch nach dem Duft dieses legendären Chanel rochen. Ich erinnere mich an die ersten Sprüher: Ich fühlte mich dekadent, hatte zugleich das Gefühl, dieser Flakon und ich hätten uns gegen die Welt verschworen. Seitdem sind wir zusammen. Ich hatte nämlich nach diesem ersten Flakon immer einen Flakon Platinum Egoiste in meinem Besitz (ein hässliches Wort für das Gefühl, das ich empfinde) und wenn ich diesen metallischen Schatten meiner Selbst nun weniger nutze, weil Parfumo mich so viele schöne Düfte hat kennenlernen lassen, so gehe ich ab und an zu meinem aktuellen Flakon und rieche an ihm, als wollte ich ihm meine Vertrautheit versichern und ihm Sicherheit geben, dass all diese anderen Flakons hier bei uns Freunde sind, wir aber, wir beide, Platinum Egoiste und ich, haben ein gemeinsames Leben hinter und vor uns. Platinum Egoiste lehrte mich also, Chanel zu lieben.
Das Jahr 2010 kam. Ich war nun kein Teenager mehr, sondern ein junger Mann. Mein Kleidungsstil, der sich ungefähr in diesen Jahren festsetzte und noch immer unerschüttert geblieben ist, stand. Ein beruflicher Werdegang, noch in der Ausbildungsphase, zeigte sich, Anzeichen einer festen Persönlichkeit, wenn es so etwas überhaupt gibt, ließen sich erkennen. Und da sah ich in einer Parfümerie einen neuen blauen Flakon. Der Mann, der den Blaumann chic machte. Bleu de Chanel Eau de Toilette. Ein voller Flakon wurde gekauft und intensiv genutzt, geliebt und erzeugte in den Jahren eine Art Erkennungswert. Es passte einfach.
Intensive Liebe reduzierter Art war es mit diesen beiden Chanel- Düften in erster Linie, bis ich 2023 hier landete, nachdem meine Liebe zu Düften neu entfacht war. Als jemand, der immer (nur) 6-7 Flakon (damals noch in seinem Badezimmer) hatte, konnte ich nicht mehr aufhören, Rezensionen zu lesen, nach Düften zu suchen, Düften mit bestimmten Duftnoten zu suchen, zu testen, zu stöbern und ja auch- zu kaufen. Nun bei ca. 60 Flakons angekommen, was in der Welt der Nicht-Parfumos, der Zivilisten da draußen also, als Wahnsinn verstanden werden müsste und hier vielleicht ein Durchschnittswert (?) ist, und ich muss sagen: Ich habe die Allure-Reihe für mich spät entdeckt, aber lieben gelernt. Angefangen mit dem ersten Allure, dann mit dem geliebt-verhassten Hype-Bruder Eau Extreme, angekommen bei Allure Sport und nun Allure Sport Cologne bekenne ich mich: Chanel, du bist mein Lieblings-Maison und ich liebe es, dass du mich nun als ein erwachsener Mann immer noch fühlen lässt, als wäre ich dieser Junge, der im Bett liegt und gegen seinen Schatten kämpft. Wir Parfumos wissen, was unser liebster Wochentag ist: Es ist der Tag, an dem ein neuer Flakon bei uns "einziehen darf", wie wir das hier häufig nennen. Das ist für mich auch nicht anders. Ich freu mich jedesmal, wenn ein neuer Flakon ankommt- einige nach überzeugt vernünftigem Nachdenken, einige blind und abenteuerlich. Aber die Chanel-Flakons erzeugen dann doch im Grunde meines Herzens ein anderes Pochen als die "anderen" Flakons, so als wäre eben Chanel die Norm, die anderen wären eben die anderen und befänden sich außerhalb unserer Liebe.
Wie es mit unserer Liebe weitergehen soll, Chanel? Wie in jeder guten Beziehung, und wir sind nun seit 25 Jahren verliebt und glücklich zusammen- du kennst mich zwar nicht, aber ich begehre dich und du machst mich glücklich, müssen beide Partner etwas beitragen. Mein Anteil wird darin bestehen, dass ich mich nun mit meinem Interesse Les Eaux de Chanel und Les Exclusifs de Chanel widmen werde, aber ganz sachte, ganz sanft, ganz vorsichtig, nicht wie einer, der erobern will, sondern wie einer, der lieben will. Eine Eigenart von mir ließ bisher noch keinen einzigen dieser teureren Chanel-Linien testen. Das erinnert mich daran, dass ich zum Beispiel dazu tendiere, von einem Schriftsteller, der mich interessiert, zuerst nicht jenes Buch zu lesen, das nach allgemeiner Einschätzung als sein bestes gilt, sondern ich pirsche mich langsam heran, lese zunächst einmal jene Werke, die in der zweiten Reihe stehen, kultiviere die Vorfreude auf das Hauptereignis, romantisiere dieses in meiner Vorstellung und wage irgendwann aus einem Bauchgefühl heraus den Test, bei dem meine Fantasie auf die Wirklichkeit prallt. Nun ist es soweit, Chanel: Ich wage den Test. Das ist zu unserem Jubiläum mein Part, damit unsere Liebe wächst. Was kannst du für mich tun, Chanel? Was wünsche ich mir von dir? Ach, Liebende sollen nicht so viel wünschen, sondern das geliebte Wesen so nehmen, wie es ist mit all seinen Fehlern und Narben. Und ich liebe dich, Chanel, aber gleichzeitig habe ich auch einen Wunsch, eine Vorstellung, was du für mich tun könntest. Und da unsere Liebe, so intim und persönlich sie auch sein mag, nicht einzigartig ist, denn es gibt da draußen andere Verehrer und Liebende deiner, Chanel, weiß ich, dass auch diese diesen Wunsch haben.
Ich wünsche mir einen neuen Duft, Chanel. Ja, einen ganz neuen, du hast mich schon richtig verstanden. Einen eigenständigen. Lass mir mein Egoiste, ob Platinum oder Original, lass mir meine Allures (und ich lasse dir deine Allüren), lass mir meine Bleus, aber gib mir einen Neuen, Chanel. Ich weiß, ich werde auch diesen lieben. Dich ohnehin. Wir sind zusammen. Dieses Leben stehen wir gemeinsam durch. Ich der kleine Mann, der im Handtuch boxt, und du der große Schattenmann, mein Gegner in dem Sinne, dass ich sein will, wer du bist.


Was Chanel angeht ist hier lediglich Antaeus meine Wahl.
Deine Geschichte über Platinum Égoïste und Bleu de Chanel ist so emotional und nachvollziehbar – es zeigt, wie tief Parfums in unserer Identität verwurzelt sein können.
Besonders berührt hat mich, wie du die Düfte als Begleiter in deinem Leben beschreibst, fast wie treue Freunde. Ich bin gespannt, welche neuen Schätze du bei den Les Exclusifs entdeckst!
Vielen Dank, dass du diese Reise mit uns teilst.
Und für den aktiven Part gilt im Umkehrschluss: Wir werden von dem geformt, was wir schauen. Wir werden, was wir schauen.
Also ist man gut beraten, eine Auswahl dessen zu treffen, was man genauer betrachten möchte und auf diese/s/n dann liebevoll zu blicken.
Mir geht es ja so mit Guerlain aber auch Chanel hat sich im Laufe meiner Parfumojahre als sicherer Hafen für mich herausgestellt. Zuletzt haben mich Allure Sensuelle und Coromandel total verzaubert.
Ganz viel Freude dir weiterhin und Happy Parfumoday nachträglich noch :-).
...zeitlose Eleganz...
Boy wurde hier ja schon genannt. Der ist auch wunderschön.