Chemisch v3rschlüss3l+3s Parfum
Victoria's Secret scheint kein Vorreiter auf dem Parfummarkt zu sein, aber ihr neues Parfum "Bare" ist genau das. Es ist das erste Parfum, das Cryptosym enthält, eine transparente, geruchlose Substanz, die ein Parfum vor Kopien schützt, indem sie die Formel chemisch verschlüsselt.
Neue Parfums werden routinemäßig einer chemischen Analyse unterzogen, die als GCMS bezeichnet wird: Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung. Ein Parfum wird verdampft und mit einem Inertgas vermischt, das dann durch ein klebriges Rohr geleitet wird, das langsam erhitzt wird. Die flüchtigsten Moleküle bleiben nur wenig haften und kommen zuerst heraus. Je heißer es wird, desto größer und träger werden die Moleküle, bis sie am Ende des Rohrs herauskommen - wo sie chemisch analysiert werden. Der Anwender kann die Moleküle auch erschnüffeln, um sie leichter zu identifizieren. Ein geschickter Bediener kann die resultierende Grafik mit den Spitzen und Tälern interpretieren und eine gute Vorstellung davon bekommen, was in dem neuen Duft enthalten ist.
Laut Premium Beauty News enthält Cryptosym "eine Mischung aus spezifischen Rohstoffen", die in der Lage sind, "eine breite Palette von Störungen [während der GCMS] zu induzieren". Vermutlich beeinflussen die Moleküle der Cryptosym-Basis die Flüchtigkeit der aromatischen Moleküle, so dass sie nicht wie üblich auf die GCMS reagieren und ihre "Quantifizierung und Identifizierung ... erschwert wird". Dies macht es schwieriger, die Formel neu zu erstellen, heißt es.
Premium Beauty News berichtet außerdem, dass nach Angaben von Symrise "40 % der Rohstoffe von Cryptosym betroffen sind und 29 % davon durch diese Technologie vollständig verschlüsselt werden können". Da es sich vermutlich um ein Symrise-Eigenprodukt handelt, können wir davon ausgehen, dass es im nächsten Parfum von Aliénor Massenet, Chefparfümeur bei Symrise, auftauchen wird. Es wird interessant sein zu sehen, ob es einen spürbaren Einfluss auf die Performance eines Parfums hat.
Eine weitere interessante Frage ist, wie lange die Parfum-Piraten und andere Parfumhäuser brauchen werden, um einen Weg zu finden, das Verfahren zu umgehen. Nach Angaben des Amts für geistiges Eigentum der Europäischen Union wurden 2019 in Europa 9,6 Milliarden gefälschte Parfums und Kosmetika beschlagnahmt, was etwa 10 % des legalen Marktes entspricht. Zumindest kurzfristig dürfte Cryptosym einen Einfluss auf die Schmuggler und ihre Handlanger haben, die sich an den Rändern der Sonntagsmärkte in Paris tummeln.
Da es keine Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums gibt, ist das Raubkopieren ein großes Problem für die Branche, und das zu Recht. Ein größeres Problem für den Kenner sind jedoch die vielen Mainstream-Parfums, die nichts anderes sind als eine leichte Abwandlung der neuesten Erfolgsgeschichte: Das Ziel ist ein bewährter Verkaufsschlager, der leicht herzustellen ist, weil 90 % der kreativen Arbeit bereits geleistet wurde, und so war das Klonen für die großen fünf Hersteller eine sichere Sache. Bis jetzt, denn es sieht so aus, als ob Symrise mit seiner bahnbrechenden Technologie einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.
Könnte es die Arbeit der Parfümeure erschweren und verlangsamen, indem es die Möglichkeit des Cut-and-Paste von bestehenden Werken einschränkt - und das Parfum dadurch sogar teurer machen? Oder zwingt es sie nur dazu, kreativer zu sein?
Vielleicht ändert es auch gar nichts. Was denkt ihr?
Dies ist ein Artikel von Brian Buchanan von Parfumo.net, den ich freundlicherweise übersetzen durfte, vielen Dank dafür!