EmergeR

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Rezensionen
1 - 5 von 17
EmergeR vor 8 Tagen 5 3
Über Sinn und Unsinn von Duftnoten-Angaben
Ein Paradebeispiel dafür, dass Duftnoten nichts über einen Duft aussagen müssen. Ich erwarte einen provenzalischen Kräutergarten - ich bekomme ein fruchtiges Kaubonbon. Nicht schlecht, aber anders. Irgendwo zwischen Maoam und Fritt, ein wenig ätherisch, womöglich der Enzian. Wo sich Lavendel, Rosmarin und Salbei versteckt haben sollen ist und bleibt mir ein Rätsel.
Und deshalb erneut mein Appell, lieber die eigene Nase benutzen, als Duftnotenangaben und Rezensionen aus dem Internetz vertrauen...
3 Antworten
EmergeR vor 2 Jahren 21 5
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Der Koch wird wahnsinnig...
Lorenzo Pazzaglia ist eigentlich Koch. Er wuchs im Restaurant seines Vaters auf und war schon früh fasziniert von den ganzen Aromen, die ihm in der Küche begegneten.
Also war es nur logisch, dass auch er eine Ausbildung zum Koch machte und heute selbst das Restaurant "Il Poggio" im italienischen Cagli führt.
Seine Spezialität ist übrigens das über die Grenzen hinaus bekannte Nudelgericht "Spaghetti alla Carbonara", natürlich in seiner ganz eigenen Interpretation, in verschiedenen Varianten und Tellergrößen
Doch irgendwann war Lorenzo das Kochen nicht mehr genug - er wollte sich intensiver mit der Welt der Düfte und Aromen auseinandersetzen und begann Düfte zu kreieren. Und das scheint ihm recht gut gelungen, denn auf seinem Stand auf der Esxence in Mailand 2023 hatte man den Eindruck, hier wäre eher ein berühmter Rockstar, als ein Koch und Selfmade-Parfümeur.

Und schließlich hat er auch in der Welt der Düfte mit Carbonara seiner Spezialität ein Denkmal gesetzt - mit einer ungewöhnlichen Kombination von Pfeffer und Karamell.
Doch in dieser Rezension soll es um Esco Pazzo gehen, was frei übersetzt so viel bedeutet wie "Ich werde verrückt!". Denn es hat Lorenzo offensichtlich sehr viel Zeit und Geduld abgenötigt, bis dieser Duft in der Form war, in der es ihn heute gibt.
Bei den Tausenden von Düften, die ich über all die Jahre schon unter der Nase hatte, muss ich sagen: So etwas kannte ich noch nicht!
Vom Grundsatz ein Fougère, also Barbershop-Duft, ist hier so viel mehr "reingepackt", als üblich. Ich rieche Frucht, eine gewisse Süße, eine durchaus präsente Würze, dennoch zugleich eine zitrische Frische und das Lorenzo-typische "je ne sais pas" - eine sehr radiante Ambriertheit.

Es fällt schwer, diesen Duft in Worte zu fassen, weil er eine Brücke von einem eigentlich klassischen Oldschool-Genre hin zur aktuell beliebten frischen Fruchtigkeit schlägt, die ich so noch nirgends kennengelernt habe. Darüber hinaus eine äußerst gute Haltbarkeit, was bei den klassischen Fougère ja auch nicht immer gegeben ist.

Wer "mal was anderes" riechen will, der sollte sich die Werke von Lorenzo mal anschauen. Der neue "Rockstar am Dufthimmel"
5 Antworten
EmergeR vor 3 Jahren 23 5
8
Flakon
3
Sillage
5
Haltbarkeit
1
Duft
Ein Kandidat für den "Walk of Shame"
Eins möchte ich vorweg schicken: Diese Rezension ist höchst subjektiv, ich bin mir dessen bewusst und möchte auch kurz erklären, woran das liegt:

Meine große Duftpassion begann Ende der 1980er Jahre mit dem einen Duft: Dem "damaligen" Cool Water Eau de Toilette, den ich als Blindkauf im Flieger bei einer Urlaubsreise erstanden habe. Dieser Duft war sozusagen meine "Initialzündung" in die Duftwelt.

Viele Jahre später, als ich den Duft erneut in einer der üblichen Filialisten-Parfümerien gerochen habe, dachte ich nur: "Was ist geschehen?", denn mit "meinem" Cool Water Eau de Toilette von damals hatte der Duft, der zu dieser Zeit im nahezu gleich aussehenden Flakon angeboten wurde, kaum mehr etwas zu tun. Es fühlte sich eher an wie ein verwässerter Abklatsch einer großen Ikone - so, als ob ein unerfahrener Nachwuchs-Schauspieler eine große Rolle übernehmen würde, die wir sonst nur von etablierten, erfahrenen Hollywood-Stars kennen.

Und nun, vor dem Hintergrund dieser Melancholie über das in Vergessenheit geratene "kühle Nass" meiner Jugend, sehe ich eine Anzeige von "Cool Water Reborn | Davidoff" und bestelle mir eine Probe davon, da mir der Name suggeriert, dass dies die Wiedergeburt, die ersehnte Auferstehung der Duft-Ikone meiner Jugend ist.

Doch was soll ich sagen - zu Zeiten der Lannisters wäre diese Neulancierung des Hauses Davidoff aka Coty für mich ein Spitzenkandidat für den berühmten "Walk of Shame" gewesen. Die Dreistigkeit, mit der man den Kunden im Namen einer etablierten Marke und mit dem ikonischen Flakon eine austauschbare, aquatische Plörre mit null Charakter, null Wiedererkennungswert, dafür aber mit "Nachhaltigkeit" und 94% Zutaten aus "natürlichen Quellen" (was immer das im Kosmetiksegment auch bedeutet, wo auch Ambroxan aus natürlichen Quellen (Mustkatellersalbei) stammt) anbietet, ist eine Schande und an Frechheit kaum zu überbieten.

Vom angeblich enthaltenen Galbanum nehme ich nichts bis kaum etwas wahr (man will ja durch zu viel "Grün" nicht potentielle Kunden vergraulen) und das ggf. vorhandene echte Vetiver wird durch eine Überdosis Calone (nicht natürlichen Ursprungs) in die Knie gezwungen.

Schade. Einen vergleichbaren Duft (so man diese Duftrichtung mag) findet man zu einem Bruchteil des Preises in jeder Drogerie.

Die Wiedergeburt hätte so schön werden können...
5 Antworten
EmergeR vor 3 Jahren 9 3
Ein echter Baruti
Wie schon beim Erstlingswerk Allegretto 7.2 von Parfümeur Antonio Gardoni trägt auch dieses Werk eindeutig die Handschrift des Schöpfers - in diesem Falle Spyros Drosopoulos, Gründer und Parfümeur des Nischenhauses Baruti aus den Niederlanden.

Minneapolis 5.3 birgt die geballte Kraft eines opulenten Chypre, der einem im ersten Moment aufgrund der Dichte und Komplexität fast überfordert. Hinter den über allem zu tanzen scheinenden Aldehyden verbirgt sich ein tiefer, fast düsterer Abgrund, der dem Thema des als Inspiration dienenden Song von Tom Waits gebührend Rechnung trägt. Insbesondere schwingt auch der "Vibe" der Zeit mit, in der der Song entstanden ist.
Ein wenig aus der Zeit gefallen - und doch aktueller denn je - wirbelt ein bunter Reigen dunkler Gewürze und Blüten um die Nase. Fast hat man den Eindruck man könne hier und da einen kleinen lichten Moment erhaschen, doch umgehend findet man sich wieder im dunklen Gehölz.

Minneapolis 5.3 reiht sich prima in die Riege der bisher von Baruti erschienenen Düfte ein. Es ist fast so, als habe man die düster-melancholische Schwester des spritzig-grünen "Tindrer | Baruti" oder die noch düstere, im Dickicht verschwundene Tante von "Berlin im Winter (Indigo RMX) | Baruti" in der Nase. Wer die Kompositionen von Spyros mag, der sollte sich diesen Duft nicht entgehen lassen.
3 Antworten
EmergeR vor 4 Jahren 11 6
8
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Unverkennbar Gardonis Handschrift
Wenn man sich mit verschiedenen Düften eines Parfümeurs auseinandersetzt, dann entdeckt man manchmal so etwas wie eine "Handschrift", eine charakteristische Eigenart, die sich durch all dessen Werke zu ziehen scheint.
So auch bei diesem - vergleichsweise unbekannten - Werk von Antonio Gardoni (Bogue Profumo) aus Italien.
Die Idee von berceuse (franz. Wiegenlied) und Gründer Will Carius ist eine Sammlung von Musikstücken, die ihn stark emotional berührt. Aus diesen Werken darf sich der Parfümeur dann ein Stück aussuchen, das als Inspiration zum Duft dienen soll. In diesem Fall (und leider dem bislang einzigen Duft von berceuse) handelt es sich um das Allegretto (Satz 2) der 7. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Ein durchaus bewegendes Stück, wie ich finde.
Der korresponiderende Duft dreht sich um das Thema Vetiver. Auch wenn die Musik eher düster und melancholisch klingt, so kommt der Duft für mich mit einer gewissen Heiterkeit daher. Er ist nicht schwer und drückend, sondern verläuft kreis- und eher wellenförmig mit den Gardoni-typischen Lacton-Noten über Vetiver und grün-krautige Noten.
Wer Gardonis Stil mag, ihr/ihm die Intensität seiner Werke wie MEM, MAAI, DOULEUR! oder LiTA aber für den Alltagsgebrauch zu heftig sind, der findet in Allegretto 7.2 einen einzigartig-charakteristischen und doch tragbaren Zeitgenossen, der sein Umfeld eher betört als verstört...
Für Nasen, die bislang noch keine Gardonis gerochen haben, rate ich allerdings von einem Blindkauf ab ;-)
6 Antworten
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