Von Blindgänger No.4 und Blindtest No.5
Hallo liebe Parfumo-Blindtest-Fans,
hier kommt der vorletzte, vielleicht sogar bereits letzte Blindkommentar zu den interessanten Düften, die FrauLohse mir geschickt hat.
Sie hatte mir 6 kleine Abfüllungen geschickt. Als ich sie erhielt, dachte ich No. 6 sei auf dem Postweg ausgelaufen, weil die Sendung stark duftete und das Röhrchen No. 6 fast leer war. Inzwischen hat FrauLohse mir geschrieben, dass sie von No. 6 einfach nicht mehr hatte und hofft, dass die Menge für einen Kurztest reicht. Der Duft im Päckchen sei von Duft No. 3 gewesen, der ihr beim Abfüllen übergelaufen sei. Ob Nr. 6 für einen nächsten Blindtestblog reicht, bleibt abzuwarten.
Welcher Duft aber überraschender Weise zum Totalausfall wurde, war No. 4.
No. 4 ist still und heimlich bei den derzeit herrschenden Temperaturen innerhalb einer einzigen Woche bei mir im Wohnzimmer nahezu vollständig aus dem geschlossenen TZ mit Kappe verduftet! Ich konnte das kaum glauben, sah mir noch einmal das Foto von meinem ersten Blindtestblog an: da ist noch ordentlich was drin in No. 4. Aber auch da hätte man schon ahnen können, was vor sich geht denn der Füllstand ist da schon geringer als bei den anderen (außer No. 6). Ich füge das Foto nochmal an:
Jetzt wollte ich ihn testen - leer! Von FrauLohse erfuhr ich, dass sie mir von diesem Duft nichts nachschicken kann, weil sie ihn selbst nicht besitzt. Und sie verriet mir, dass es Cologne Blanche von Dior war, der sich da so aus dem Staub gemacht hat. Es wäre sicherlich ein interessanter Test geworden.
Aber so muss No. 4 übersprungen werden und es geht gleich weiter mit Blindtestduft No. 5:
Meine unmittelbare Assoziationskette zu diesem mit der Tür ins Haus fallenden Duft ist: Heliotrop - Mandel - Stephanotis - Careful Hot von P1. Ich habe Careful Hot und werde nachher mal checken, ob er es ist. Aber ich möchte nicht wieder verfrüht meinen Kommentar lesen. Bei Duft 3 sah man ja, wohin das geführt hat. Ich schreibe hier lieber erst einmal zuende.Es kommt noch etwas leicht Stechendes dazu. Es könnte Jasmin sein, in anderen Düften, die ich kenne, kommt dieser etwas stechende Faktor offensichtlich von einem Lilien-Duftstoff.Hier gibt diese Note dem Duft, der sonst in der weichen, pudrigen Mandelmasse dumpf versacken würde, den nötigen Biss und ein wenig Blumigkeit.
Trotz eines Eindrucks des Synthetischen gefällt mir der Duft. Dieser Gegensatz von leicht stechenden Blüten und heimeliger Pudrigkeit ist irgendwie toll und sogar ein wenig betörend.
Ich nehme noch leicht milchig-karamellige Untertöne und etwas Rauch wahr. Der Duft ist zwar süß, aber nicht überbordend und dabei sehr, sehr trocken. Nach ein paar Minuten meine ich im Hintergrund Vanille auszumachen.
Die Vanille nimmt zu und wird zu einer wunderbare Marshmallow-Vanille, also auch hier wieder künstlich, aber dennoch toll und mit einem Hauch von Rauch.
Und so bleibt dieser Duft über etwa 6 Stunden. Ab und zu erscheint die Vanille, dann ist sie mal wieder weg und Blüten, nun aber milder und mir angenehmer, sind wahrnehmbar, immer begleitet von einer unausweichlichen, raumgreifenden Heliotrop-Stephanotis-Mandelpuderwolke. Nun beginnt der Duft mich auch ein wenig an By Night White zu erinnern.
Ich ahne, dass noch weitere Bestandteile sich in No. 5 hinter der pudrig-künstlichen Welle verstecken, aber sie sind zu sehr im Hintergrund als dass ich sie genauer benennen könnte. Wahrscheinlich steckt hinter diesem mir zu synthetisch vorkommenden Mandelpuder mit etwas Rauch auch noch eine Kunstholzzutat, denn sonst würde mich der Duft, obwohl er mir eigentlich zusagt, wohl nicht so schnell nerven. Im Vordergrund ist immernoch staubtrockenes Mandelpuder zu riechen. Zwischendurch meine ich plötzlich im Hintergrund Kakao wahrzunehmen, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.
Insgesamt hält dieser Testduft 6 Stunden, danach ist er nur noch hautnah, aber dafür nun auch deutlicher holzig auszumachen.
Duft No. 5, welcher es auch immer sein mag, ist für mich wesentlich einfacher zu beschreiben als die vorhergehenden. Dieser Test ist nach den sehr herausfordernden vorherigen geradezu eine Erholung. Ich empfinde den Duft als viel weniger kompliziert im Sinne von wohlgeordneter als alle drei Vorgänger und mit einem klareren, systematischeren Zusammenspiel und Verlauf. Das gefällt mir gut - wenn er mich doch nicht so schnell nerven würde.
Tendenziell passt dieser Duft nicht so sehr zum Sommer, er ist meines Erachtens eher etwas für Herbst und Winter. Im Sommer, gerade bei Hitze, wünsche ich mir etwas mit auch frischen Anteilen.
Da er recht intensiv ist, sowohl in seinem Puder, als auch in seiner anfänglichen Blütenbissigkeit und der Vanillemandel, muss ich aber auch im Herbst und Winter schon richtig Lust auf so einen Duft haben, um ihn zu tragen. An manchen Tagen ist das definitiv der Fall. Dennoch weiß ich, dass mir No. 5 spätestens nach ein paar Stunden immer wieder auf den Geist gehen würde. Er ist mit seiner dichten Mandeldominanz und seinem künstlichen Holzfaktor für mich wie ein stetiger Beschuss der Sinneszellen, die dann irgendwann um Gnade bitten.
Auch wenn der No. 5 mir hier weniger komplex, gradliniger im Verlauf und insgesamt deutlich künstlicher als die zuvor getesteten erscheint, heißt das nicht, dass es ein Duft geringer Preisklasse, Promiduft oder gar Drogerieware sein muss. Im Gegenteil, diese klarere Komposition und die weniger brüchige, elegantere Verlaufskurve lässt ihn mich tendenziell sogar höher verorten als die bislang getesteten.
Bleibt der Gegentest zu P1 zu erwähnen: Ja, das ist am Anfang der Herznote ein sehr ähnlicher Grundton, klar, warum er mich erinnert hat, aber verglichen mit P1 ist der getestete Duft wesentlich feiner, differenzierter, zarter und um Dimensionen weniger plakativ. Gegen P1 wirkt der getestete Duft wie ein Ausbund von Natürlichkeit und Transparenz und hat auch viel mehr Tiefe.
Dass ich auch No. 5 als synthetisch empfinde, wird daran liegen, dass ich Heliotrop und viele moderne Holznoten tendenziell immer als unangenehm künstlich empfinde.
In der Entwicklung haben P1 und der Testduft kaum noch Ähnlichkeit. Am Ende liegen Welten dazwischen, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch im Preis.
Ein Gegentest mit By Night White ergibt, dass der getestete Duft, trockener, pudriger und herber ist.
Wie immer bei meinem Blindtestblog weiß ich selbst bei Veröffentlichung noch nicht, welchen Duft ich getestet habe. FrauLohse wird uns irgendwann aufklären, zwischenzeitlich könnt Ihr wieder Tipps abgegeben.
Auf geht's, Ihr wisst ja, ist der Ruf erst ruiniert...