Jumi

Jumi

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36 - 40 von 41
Jumi vor 8 Jahren 22 7
9
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Eine Frau durch und durch...
Es wurde wie immer spät. Er fuhr runter mit dem Aufzug und verließ das Officegebäude als das Gewitter ausbrach. Na toll, jetzt schnell noch ein Taxi schnappen bevor er tropfnass wird. Er drängelte sich an den Straßenrand und hebte die Hand – in dieser Stadt, die niemals schläft, ging es nicht anders. Ein Taxi lavierte auf unerklärliche Weise durch den stockenden Verkehr und stoppte vor ihm. Er öffnete die Hintertür und wurde von hinten angesprochen. “Sorry, können wir uns das Taxi teilen?” Er drehte sich um. So stand sie da, weiße Officebluse und strenger knielanger Rock, und versuchte sich den Regen aus dem zusammengesteckten Haar nach hinten zu streifen. Businesswoman durch und durch. Naja, abgesehen davon, dass sie barfuß war, mit hellen Wildlederpumps in der Hand, und bereits ziemlich durchnässt. Ohne ein Wort zu sagen ließ er sie zuerst einsteigen...

Die Fahrt schien ewig zu dauern und er began sie heimlich zu beobachten. Sie suchte etwas in ihrer hellen, zu den Schuhen passenden Wildledertasche und schien nicht fündig zu werden. Er sah einen Wassertropfen von ihrem Ohrläppchen ihren Hals herunter rollen. Zuvorkommend bot er ihr sein Stofftaschentuch an. Sie griff dankend zu und tupfte sich damit das Gesicht und den Hals trocken. Dann öffnete sie ihre Haare und schüttelte den Kopf. Er spürte ihren Duft, so altbekannt und doch so anders. Es war der Duft ihrer Haut, ihrer Haare, gepflegt und zur gleichen Zeit so menschlich. Ein seidig-pudriger, mit leisem Blütenschleier und doch so kraftvoll. Sexy Duft des weichen Leders. Und der der puren Weiblichkeit, etwas verrucht, aber so selbstverständlich. Eine Frau durch und durch. Und eine, die weiss was sie vom Leben will. Manchmal berührten sich ihre Ellbogen und Knie, er erstarrte dabei und sie schien sich nichts daraus zu machen. Er wollte sie ansprechen und traute sich nicht. Hatten sie sich schon einmal gesehen? fragte er schließlich, mit sich selbst über die Banalität der Frage schimpfend. Sie würde im selben Officegebäude arbeiten, antwortete sie. Sie hatte eine melodische, für eine Frau etwas tiefe Stimme. Warum hatte er sie vorher nie gesehen? Er würde für das Taxi zahlen, meinte er. Sie lächelte und dankte wieder. Er wollte sie noch so vieles mehr fragen, doch steckte ihm ein verräterischer Kloß im Hals. Er lockerte den Krawattenknoten - es half nichts. Er wünschte die Taxifahrt würde ewig dauern... Nein, sie küssten sich nicht, so sehnlichst er es sich gewünscht hätte. Ist ja keine Hollywood-Romanze.

Es endete bevor es angefangen hat – sie verabschiedete sich mit einem Lächeln und stieg aus. Er drehte sich noch mehrmals um - der Regen hörte bereits auf, die Abendsonne spielte in ihrem offenen Haar als sie davon ging, barfuß über den nassen Asphalt, mit Wildlederpumps in ihrer Hand. Eine Frau durch und durch.

Erst jetzt merkte er, dass sie sein Taschentuch auf dem Nebensitz liegen ließ. Er führte es an seine Nase um ihren Duft nochmal zu spüren, ja, er war noch da. Noch etwas war da, im Inneren der Stofffalten – ein Zettel mit DER Telefonnummer... Glücklich lächelnd lehnte er sich in den Taxisitz zurück. Eine Frau durch und durch...

P.S. Ich liebe diesen Duft! Einzigartig in meiner Sammlung, nichts mädchenhaftes, süßes oder opulent-blumiges, sondern selbstbewusst, modern und doch so retro-pudrig, und durch die sich als roter Faden ziehende helle Iris-Ledernote auf eine besondere Art sexy, feminin und sinnlich.
7 Antworten
Jumi vor 8 Jahren 25 8
5
Flakon
5
Sillage
10
Haltbarkeit
1
Duft
Mein olfaktorisches Fettnäpfchen...
in welches ich – OMG – doch tatsächlich zweimal reingetreten bin... Warum bloß, warum können wir nicht einfach aus fremden Fehlern lernen? Warum müssen immer erst die eigenen gemacht werden, damit wir schlauer werden?

SM – damit meine ich den Duft :) – war schon immer ein Reizthema für mich. Wie wohl das schlechteste Parfum der Welt riechen könnte? Was ist, wenn ich doch zu der klitzekleinen Minderheit gehören sollte, die den Duft wunderschön findet? Ja, was würde sich eigentlich damit ändern? Würde ich mich wirklich trauen, einen Duft zu tragen, der bei über 90% der Menschen den Brechreiz auslöst? Soweit habe ich gar nicht nachgedacht. Probe bestellt und auf den richtigen(???) Moment gewartet. Abends vor dem Fernseher dann der erste Test. Probeschnüffeln versprach schon etwas unangenehm ungewohntes. Ein kleiner Tupfer auf den Unterarm... Ich rieche Metall. Und Blut. Viel von beidem. Vielleicht noch Speichel (erahnt). Wie Zahnarztinstrumente nach einer langen OP. Wellenartig wechselt es sich ab mit etwas versteckt-blümigem, was keinesfalls die Komposition verbessert. Nicht gut. Aber auch kein Abwaschzwang. Was sollte der Negativ-Hype? Doch was dann passiert kann ich mir selbst nicht erklären – mein Herz fängt an zu rasen, Unruhe kommt jedes Mal auf, wenn ich am Unterarm rieche (die Sillage empfinde ich persönlich nicht stark). Ich weiß nicht wie Adrenalin riecht, aber hier scheint es (oder auch etwas anderes) eine erhöhende Wirkung auf meinen eigenen Adrenalinspiegel zu haben. Diese Wellen werden ja immer größer. Es erinnert mich irgendwie daran wie ich als Kind fast im Meer ertrunken bin. Das Erlebnis hat sich so stark, bis in alle Einzelheiten in mein Gedächtnis eingeprägt, dass es jetzt einfach rausgesprungen ist – mein kurzes Auftauchen, das kaum zum Luftholen, sehr wohl aber zum Funken Hoffnung auf Rettung ausreichte, ständig abwechselnd mit meinem Untergehen ins dunkelgrüne stille Naß, Herz pochend, weiche und ungehorsame Glieder. So ähnlich wechseln sich die eisern-blutige mit der blumigen Komponenten im Duft ab. Ich habe weiter ausgeharrt und auf irgendeine Duftentwicklung gewartet, doch es wurde spät und ich bin ohne Schrubben ins Bett gegangen. Gut geschlafen ohne Albträume :)

Morgens war immer noch (gute 11 Stunden nach dem Auftragen) etwas am Arm zu spüren – kein Blut und Metall, auch keine Blümchen, dafür aber ein durchaus angenehmer Hauch von Sandelholz ähnlich den Überbleibseln einiger Herrenparfums. Ich habe mir eingeredet, dass ich wohl die Verwandlung von SM vom hässlichen Entlein in den schönen Schwan buchstäblich verschlafen hätte. Und dass es sich vielleicht gelohnt hätte die Angst- und Ekelphase abzuwarten, was für die meisten ja schier unmöglich war. Also sofort einige neue, diesmal sehr großzügige Tupfer auf den Arm. Alles wie am Tag zuvor. Keine anderen/neuen Körperflüssigkeiten oder Noten. Und da kamen sie wieder, die Wellen der Unruhe und Angst, noch intensiver als zuvor. Das Adrenalin pochte mir aus den Ohren hinaus, etwas schwindelig wurde mir auch. Und keine direkte Übelkeit, sondern dieser sauer-salzige Geschmack im Mund bevor einem schlecht wird. Das wars, diesmal muss ich ihn abwaschen, das masochistische Spielchen spiele ich nicht mehr mit. Denkste... Er spielt nach seinen eigenen Regeln, frißt sich einfach in meine Haut rein und lässt mich immer wieder auf- und untertauchen. Nach langem Schrubben und Übersprühen habe ich meine zweite SM-Erfahrung hinter mir, denn er gibt auf.

Was immer sich der Macher dieses “Werkes” gedacht hat, eines ist ihm gelungen: eine fast instinktive Ablehnung und Abneigung bei der überwältigenden Mehrheit und bei mir zudem eine derart starke Wirkung auf mein innerliches (und äußerliches) Wohlbefinden, dass ich mich jetzt fragen muss – wofür? Sollte es nach Sex riechen? Dann wohl nach Sex mit einem ungeliebten oder gar gehassten Menschen? Das Verdikt meines unvoreingenommenen Mannes, bei dem es sonst entweder “es riecht nach Parfum” oder “es stinkt” heißt, war diesmal sogar “pfui, stinkt widerlich!” Für mich riecht es nach Gefahr gemischt mit moderatem Ekel, unverkennbar bizarr, und nochmals werde ich es mir nicht antun, auch nicht um auf die zweifelhaft angenehme Basisreste zu warten. Dieses hässliche Entlein bleibt für mich hässlich.
8 Antworten
Jumi vor 8 Jahren 36 9
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Sexy Lavendel
Was??? Der soll nicht erotisch sein? *Dumm aus der Wäsche guck* Auf die Gefahr hin hier ausgelacht zu werden, gestehe ich - Gris Clair ist fuer mich der wohl erotischste Lavendelduft aller Zeiten! Sexiness pur. Zuvor habe ich gar nicht gewusst, dass Lavendel ueberhaupt sexy sein kann. Meine Definition von Lavendel war: saubere Wäsche, ja, auch Mottenkugeln, schön, naturnah, doch ein bißchen langweilig, snobby, anständig und sehr zurückgehalten. Dann kam GC. Ich entschuldige mich an dieser Stelle für die eher stichwortartige Kommentarweise – GC ist trotz der vermeintlichen Einfachheit der Duftnoten wirklich nicht einfach und schon gar nicht leicht zu beschreiben. Er ist edel. Erwachsen. Männlich. Nicht Macho-, Cowboy-, James Bond- und was-weiss-ich-noch-was-männlich, sondern auf eine sehr natürliche Weise männlich. Durchaus auch frauentauglich (auch wenn es ein Widerspruch in sich ist). Bizarr. Gegensätzlich. Anders. Laut und schwerst-pudrig. Trocken. Bittersüß. Heiß und kalt gleichzeitig. Kühler Lavendel trifft auf heiße Luft. So heiß als wenn man sich in der Sauna gegenseitig auf den Körper pustet. Heißer-Stein-Assoziation. Überraschend heiße Gedanken ohne sichtliche Provokation – es sollte alles ja “nur” grau sein. Graue Mäuse entwickeln sich manchmal eben zu Vamps. Unter langweilig-grauen Anzügen und lavendelfrischen Hemden versteckte Leidenschaften. Was in diesem Duft manchmal als “Glühbirne” oder “Elektrizität-Note” beschrieben wird kann ich nachvollziehen. Empfinde sie aber als ob man unter Strom steht - knisternde Erotik, die Anspannung der Gefühle, die man zurückzuhalten versucht. Nichts frivoles, dreckiges oder beschämendes – Natur pur. Die Anständigkeit (Lavendel) kämpft gegen die Zügellosigkeit (Weihrauch+Tonka+Iris) an. Diese Kombination ist in GC einzigartig umgesetzt. Der Duft wird zunehmend heißer und pudriger, Lavendel bleibt. Feinstes Holz kommt, Lavendel immer noch da. Die etwas bittere Süsse verstärkt sich zur Basis hin. Begleitet von Lavendel. Bis zum Ende. So sehr männlich und auch an mir ein wahres Schätzchen. Glücksgefühl. Wie sich in sein nach Lavendel duftendes Hemd einkuscheln am Morgen danach...

Getestet habe ich ihn an mir selbst und dann nochmal an meinem Allerliebsten. Ich glaubte den perfekten Unisex-Duft FÜR UNS gefunden zu haben. Hach, mein Mann... Der eigentlich nichts von Düften hält und nur einen einzigen in seinem Badezimmerschrank hat... Hat auch diesmal den Test geduldig und emotionslos über sich ergehen lassen. Nur mein anschließendes genüssliches Nasereiben an seinem Hals für den Rest des Abends wurde mit einem grunzenden Lächeln begrüßt :D

Ich brauch wohl nicht zu sagen, dass ich den doch gekauft habe? Auch wenn ich ihn momentan alleine benutze. Auch wenn es “nur” ein Lavendelduft ist. Auch wenn er “nur” grau sein sollte.

Oh, und wie war das noch mit den berüchtigten 50 Shades of Grey? Wer braucht schon die restlichen 49, wenn man diesen einen, Hell-grauen, hat??? ;)
9 Antworten
Jumi vor 8 Jahren 19 3
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Gespaltene Persönlichkeit oder Ich beide und Er (Memoir)
Um Memoir woman habe ich bis vor einem Jahr einen großen Bogen gemacht. Und das nur wegen der angeblich deutlichen Ähnlichkeit zu Poison. Letzterer war für mich nämlich jahrelang der Inbegriff dessen, was ein Parfum NICHT sein sollte. Aber bekanntlich zieht uns das, was uns abschreckt, auch irgendwie immer wieder an – nur ein Auge drauf werfen, nur vom Rand in den Abgrund schauen, nur einmal probieren und, in diesem Fall, NUR EINMAL DRAN SCHNUPPERN.

Ermutigt durch meinen neulichen Duftgeschmackwechsel habe ich mich (besser gesagt, das Neue Ich) getraut und unter anderen Amouages eine Memoir Probe bestellt. Nun ja, der erste Schnuppertest war ein Fiasko. Das alte Ich war nur froh, dass ich ihn nicht auf die Haut gesprüht habe. Das Riechen an der Probe allein hat bereits ein Naserümpfen meinerseits ausgelöst. Das alte Ich hat die Probe in Sekundenschnelle in die “pfui-geht-gar-nicht”-Schachtel befördert und den Duft als schlechtesten aller Amouages abgestempelt. Eins musste ich ihm aber lassen – die enorme Haltbarkeit. Meine Nasenspitze berührte versehentlich die Probe und nun war das alte Ich den ganzen Tag dazu verdammt diesen Geruch wahrzunehmen. Bewertung: eine 4/10 (und selbst dies war großzügig).

Das neue Ich hingegen hält sich für weiser und mag jedem Duft eine zweite (dritte, vierte...) Chance geben. So wurde 2 Monate später ein Hauttest gemacht. überraschenderweise hat dieser keinen Würgereflex ausgelöst. Mehr noch, das neue Ich fand den Duft durchaus interessant – aus der “undefinierbaren Brühe” wurden einzelne Zutaten deutlicher: Weihrauch, Pfeffer, Rose, Leder. Das alte Ich widersprach und fand die Zusammensetzung immer noch unmöglich und ungenießbar. So wurde auf demokratischem Wege ein Kompromiss geschlossen und die Bewertung auf eine 5/10 erhöht :)

Dann kam der Tag, an dem das neue Ich den zweiten Hauttest machte und den Vorarm vorsichtig an die Nase führte. Es wurde plötzlich Nacht. Eine Dunkelheit breitete sich aus, so dicht wie in einem Nachtwald, fast greifbar, so erscheint auch der Duft. Nach sehr warm-würzigem Auftakt kommt diese balsamische, likörartige, rauchige Blumigkeit. Jetzt wirkt der Duft auf mich zähflüssig wie Honig oder Baumharz. Leder und Hölzer gesellen sich dazu, die Rauchigkeit verstärkt sich, Gewürze lassen auch nicht nach, wie Trommelwirbel vor dem großen Finale, und... Und plötzlich verschwindet der Wald und die Dichte und ich stehe in einem Feld, weit und breit nichts zu sehen und über mir der endlose Nachthimmel. Nicht der trübe, sternenlose Stadthimmel. Miriaden von Sternen durchlöchern die schwarze Nacht und wecken in einem die Ehrfurcht. Die Betrachtung bedarf keiner Worte, je stiller es ist, desto tiefer der hinterlassene Eindruck. In dieser Phase verliert der Duft etwas an seiner manchmal einengend erscheinender Opulenz und wirkt wie der unendliche Sternenhimmel – mächtig erstreckt er sich von einer Seite des Horizonts bis zur anderen. Er erdrückt nicht und engt nicht ein, und trotzdem ist er überall und du bist inmitten. Der Duft wird immer holziger, erst jetzt lässt sich die Rose von mir erkennen, Gewürze und weiße Blumen werden leiser, doch bis zum Morgengrauen dauert es noch lange.

Es ist wie eine Offenbarung – das neue Ich jubelt und macht Freudentänze, das alte Ich ist baff und steht sprachlos mit runtergefallenen Kinnlade. Während das alte Ich zu sich kommt und vergeblich nach Kontra-Argumenten sucht wird die Bewertung des Duftes auf 8/10 erhöht :) Ganz auf die Wunschliste schafft Memoir es (noch) nicht, aber die Tendenz ist hier deutlich zu erkennen. Für jene besonderen (philosophischen?) Nächte, auch im Sommer, oder besondere Anlässe (unbedingt zur Dunkelzeit des Tages). Irgendwann, vielleicht, wenn die letzte Festung des alten Ichs gefallen ist...

P.S. An Poison von Dior haben Ich beide noch zu knabbern, das Eis hat sich hier aber auch schon bewegt :)
3 Antworten
Jumi vor 8 Jahren 36 17
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Es war einmal... oder wonach die Kindheit riecht
Amouage Sunshine – der Duft hat mich in meinem Gedächtnis wie in einem alten Fotoalbum blättern lassen. Ihr wisst schon, die alten Kindheitsfotos, größtenteils noch schwarz-weiß, die in einem Wehmut und den Gedanken “damals war die Welt noch in Ordnung” auslösen...

Es ist das Jahr 198... Der Sommer hier, im südlichen Mittelasien (damals noch ein Teil der UdSSR), ist wieder einmal glühend heiß. +42 im Schatten und es hat auch seit fast zwei Monaten nicht mehr geregnet. Hier im Tal, zwischen der Wüste im Norden und dem Gebirge in Süden, am Fluß, liegt unser Dorf, eine der vielen kleinen Oasen inmitten der dürren Steppe. Die Nachmittagssonne prallt, so dass die Luft über dem aufgeweichten Asphalt buchstäblich “fließt” und bizarre Spiegeleffekte am Horizont entstehen lässt. Ich (damals 10) liege im Schatten unserer Sommerküche und lese (meine Lieblingsbeschäftigung damals). Der heiß-trockene Wind bringt keine Abkühlung, dafür aber jede Menge an Gerüchen. Als ich einen süßen, leckeren Duft wahrnehme schlage ich mein Buch zu und folge dem Duft in unseren Garten. Der Duft ist so intensiv, dass die Quelle nicht schwer auszumachen ist – es sind die Pfirsichbäume, schwertragend, voller reifer und überreifer Früchte, dass sich die Äste fast bis zum Boden biegen. Zwei der schweren Äste sind trotz der von meinem Papa sorgfältig aufgestellten Stützen abgebrochen und nun liegen sie da... Pfirsiche... meine über alles geliebten Pfirsiche... viele zerquetscht und umringt von Wespen, geben den Duft der beginnenden Gärung von sich. Ich pflücke mir von den “guten” den Saum meines Kleides voll und setze mich ins Gras mit Vorfreude auf die leckeren Früchte. Ein neuer Geruch erreicht meine Nase. Ich drehe mich um und sehe die Johannisbeersträuche. Die mag ich auch, vor allem weil nicht nur die Beeren gut duften, sondern auch die Blätter, die meine Mama sogar in ihre Einmachgläser rein tut. So sitz ich da bis die Pfirsiche alle sind und genieße die beiden Düfte – Johannisbeerstrauch im Rücken und Pfirsichduft, den mein Kleid samt dem einen oder anderen Fleck abbekommen hat. Die blühende Gräservielfalt ergänzt den Dufteindruck. Meine jüngere Schwester kommt mit einer Schüssel Aprikosensteine, Papas Hammer und Mamas Nähkästchen. Ich hätte doch versprochen ihr zu helfen und sie hätte jetzt genug Aprikosensteine gesammelt. Wir zerschlagen die Aprikosensteine mit dem Hammer, manchmal ungeschickterweise samt dem Kern, der so schön mandelig riecht. Die unbeschädigten Kerne fädeln wir dann mit der Nadel und etwas Fingergeschick auf und voila – fertig sind zwei dufte und leckere (wenn auch etwas bittere) Halsketten. Wir liegen noch eine Weile im Gras und spielen das Spiel, wer länger die Sonne anstarren kann. Wir sind umgeben von diesen ganzen Gerüchen... Pfirsiche, süß, reif und teilweise vergoren... Johannisbeeren, beerig-fruchtig, lecker, samt aromatischem Grün der Blätter... Gräser, honigartig und frisch zugleich... Unsere “Aprikosenkernjuwelen”, so cremig-mandelartig mit der gewissen Bitterkeit... Der vom Wind herbeigebrachte Duft des Jasminstrauchs aus dem Blumengarten... Der Ansatz einer Rauchigkeit, aber wirklich nur angedeutet. Oder ist es doch der heiße Wind oder gar eine Fata Morgana?.. Und dann noch die sonnig-fröhliche Vanilligkeit, die für mich die sorglose Kindheit verkörpert...

...Ich bin weit über 10, habe diesen Kindheitsort seit über 20 Jahren nicht mehr gesehen und auch nie wieder und nirgendwo solche Pfirsiche gerochen oder gegessen. Amouage Sunshine hat mir diesen authentischen Pfirsichgeruch zurück gebracht, gemischt mit all dem, was ich geschildert habe, nicht einzeln auftauchend, sondern eher miteinander vermischt. Die anderen haben völlig Recht mit der Aussage, dass er stimmungsaufhellend wirkt. Ich weiß nicht, ob es nun Davana zu verdanken ist oder der Vanille, deren starker Präsenz im Parfüm gegenüber ich bis jetzt nur sehr skeptisch gewesen bin und die mich in Sunshine jetzt so überzeugt und in die Kindheit zurück versetzt hat. Dank Sunshine weiß ich, dass ich einen ziemlich süßen Duft im Sommer bei Hitze tragen kann und nicht mehr missen will. Der Flakon und die Verpackung bedarf keines Kommentars, denke ich – typisch aufwändig Amouage und sehr zum Duft passend. Die Sillage – stark und bei Überdosierung Kopfwehkandidat, jedoch magisch anziehend bei sparsamer Dosierung und an der frischen Luft. Was die Haltbarkeit betrifft – mehr als 12 Stunden. Ich habe mal abends an meinem Shirt geschnuppert, das ich am Vortag getragen habe zusammen mit Sunshine. Was soll ich sagen, ich hatte auf einmal nicht das Shirt vor den Augen, sondern mein geblümtes Kleid von damals, mit Pfirsichflecken am Saum :-) Und wenn ich mal gefragt werde, wonach die Kindheit riecht, weiss ich – meine jedenfalls riecht nach Sunshine.

Das ist der zweite Amouage (nach Epic) der mich erobert hat.
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