MajorTom

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6 - 10 von 105
MajorTom vor 7 Monaten 16 4
9
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Der Duft, der dich liebte
Brunello Cucinelli - wer in der Modebranche ein bisschen bewandert ist, ist zumindest schin einmal über den Namen gestolpert. Und weiß dann gegebenenfalls, dass hier ein Cashmere Pullover gern mal 2.000 Euro kostet, für einen Cardigan auch 3.500 Euro aufgerufen werden und für einen Mantel durchaus bis zu 8.000 Euro über die Ladentheke wandern müssen, soll das edle Stück seinen Besitzer wechseln. Unabhängig davon stellt sich natürlich immer die Frage, ob ein Anzug 5.000 Euro wert ist, aber das liegt ja immer im Auge des Betrachters und dessen finanzieller Möglichkeiten. Klar wird bei diesen Preisschildern aber, dass es bei dieser Marke für viele von uns wahrscheinlich beim Schaufenster-Shopping bleiben wird.

Umso hellhöriger bin ich geworden, als ich letztlich einen Flakon gesehen habe. Sollte es mir plötzlich ermöglicht werden, wenigstens einen minimalen Teil des Designers zuhause zu haben? Und wenn ja, zu welchem Preispunkt und wie würde sich die Qualität darstellen?

Brunello Cucinelli steht für Extreme in jeder Hinsicht. Die verarbeiteten Stoffe sind von höchster Qualität, die Verarbeitung selbst auf allerhöchstem Niveau, der Preispunkt leider auch. Insofern war ich von den veranschlagten 130 Steinen für 50ml nicht geschockt. Selbstverständlich ist aber natürlich die Erwartungshaltung an jedes Cucinelli-Produkt, entsprechend dem ganzen Marken-Firlefanz, maximal hoch. Denn wer ansagt im Leben, muss auch liefern, ansonsten geht das nicht lange gut.

Man kann einen Blindkauf in diesem Preissegment für vollkommen gestört erachten, ich habe es dennoch getan. Zum einen, weil sich in einer ganzen Reihe meiner Flakons nur noch wenige ml befinden, zum anderen, weil ich mir wieder mal einen neuen Duft gönnen wollte, einen, der nicht an jeder Ecke getragen wird und schließlich auch, weil mir angesichts des doch exzellenten Namens der Marke das Risiko eines Fehlkaufs vertretbar erschien.

Wie gesagt, die Erwartungshaltung war immens. Zurecht?

Der gelbe Versanddienstleister lieferte zuverlässig das Päckchen. Unboxing. Ein taupe-farbener Karton umschließt einen optisch wie haptisch sehr hochwertigen Flakon. Dieser liegt satt und schwer in der Hand, im Vergleich zu vielen anderen 50ml Gefäßen. Vermutlich haben sie bei Brunello Cucinelli etwas Stahl in den Sockel einfließen lassen, um das Teil schwer zu machen. Schöne Rillen ziehen sich um das viereckige Fläschchen mit abgerundeten Ecken. Ein wirklicher Handschmeichler, das ist meiner Meinung nach sehr gelungen. Hoffentlich fühlen sich die Nerven meines Gewürzprüfers genauso geschmeichelt wie meine Hände. Kappe (mit dem Markenemblem) abziehen und - Moment, sogar auf dem Sprühknopf befindet sich das Markenemblem oben aufgebracht. Viel Liebe zum Detail also, das gefällt. Der Sprühkopf selbst entlässt den Inhalt mit Nachhaltigkeit, will sagen, einem ordentlich Druck. Ich hatte hier eine feine Zerstäubung wie bei den Roja-Flakons üblich, erwartet. Schlecht ist das dennoch nicht, weil umso exakter plazierbar.

Sodann sie Nase an die besprühte Stelle geführt. Und im Vergleich zu den meisten Parfums kein scharfer Auftakt, der sich erst mal legen muss, sondern von Anfang an, ja, ein Nasenschmeichler. Erster Impuls: Passt perfekt zur Marke. Weil kein Schreihals und kein Lautsprecher, sondern ein Vertreter der leiseren Töne, vollkommen Gentleman-like. In einer Zeit, wo einen oft eine Ambroxan-Bombe in die nächste Ecke donnert, wohltuende Zurückhaltung.

Ich rieche Bergamotte und, was ich später der Duftpyramide entnehme, aber so nicht direkt erkannt hätte, Zypresse. Dazu eine feine Schärfe, wobei ich nicht zu unterscheiden mag, ob diese dem Pfeffer oder dem Ingwer geschuldet ist. Ein sehr edles Arrangement, so viel ist mal klar. Definitiv in der grünen Ecke, aber wenn ich meinen so geliebten Bottega Veneta Parco Palladiano V Lauro daneben setze, dann ist letzterer, obwohl per se ähnlich fantastisch gemacht, geradezu grob grün, fairerweise gesagt aber auch etwas holziger. Ja länger, je besser entwickelt sich Brunello Cucinelli bei mir, die am Anfang minimal vorhandene Frische zieht sich zurück und gibt den grünen Elementen mehr Raum. Wacholder gesellt sich zur Zypresse, während die Bergamotte langsam aber sicher in den Hintergrund tritt. Die laut Duftpyramide verbauten Ambrox-Elemente nehme ich nur am Rande war, hingegen aber das nicht so oft verwendete Clearwood, welches dem Duft eine gewisse Leichtigkeit und „Sauberkeit“ verleiht. Und in dieser Konstellation geht dem Duft dann irgendwann die Luft aus.

Kommen wir zur Bewertung.

Duft: Ich habe da nichts zu meckern. Erwartungen voll erfüllt, der perfekte Duft zu business- und smart casual-outfits, ein sehr guter Büroduft, ein compliment catcher, m.E. ab 30+, aber eher nix für die generations Y and Z, sorry. Aufgrund des Preispunkts wird die Verbreitung sich in überschaubaren Grenzen halten, die Wahrscheinlichkeit, dass der Kollege morgen genauso duftet, ist eher gering. Will ich so riechen? Ein klares JA. Ich sehe den Duft vor allem im Herbst und Frühjahr performen, im Winter zu wenig kräftig und für den Sommer zu wenig frisch.

Flakon: Da hab ich mich entsprechend zu ausgelassen, sehr liebevoll und wertig gemacht.

Sillage: Für mich enttäuschend. Am Anfang noch gut, genauso aber gut nachlassend. Nach zwei Stunden ist da nicht mehr viel Sillage. Ich hatte oben erwähnt, der Duft ist kein Lautsprecher, aber eine bessere Performance sollte schon drin sein.

Haltbarkeit: Auf einem ordentlichen Niveau. Bringt dich auf Hautlevel durch einen 8-Stunden-Tag.

Preis-Leistung: Geht in Anbetracht des Gebotenen (speziell im Hinblick auf die Sillage) gerade noch okay. Die Parco Palladiano Reihe von Bottega Veneta liegt noch einmal aggressiv gepreist darüber, vielleicht wollte sich Cucinelli bewusst einen Tick darunter einsortieren.

Fazit: Ein mehr als nur beachtliche Neuerscheinung. Fällt man auf, dann nur positiv, denn er ist ein Schmeichler für Nase und Sinne. Er wird wahrgenommen, ohne zu provozieren. Das alleine ist schon eine Kunst. Klare Testempfehlung.
4 Antworten
MajorTom vor 10 Monaten 5 1
8
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
8.5
Duft
Falsche Erwartungshaltung und positive Überraschung
Eros. Ein Name wie ein Donnerhall. Griechische Gottheit der Liebe. Oder italienischer Sänger, der reihenweise Ladies in Ohnmacht (oder sonstwohin) fallen ließ. Und natürlich auch passend zu Versace. Leidenschaftlich. Unmoralisch. Ekstatisch. Wollüstig.

Für mich eine Parfümbezeichnung, die in meiner kleinen Welt und meinem Hirn die Erwartungshaltung getriggert hat, es müsse sich um ein extrem schwülstiges Parfüm handeln, schwer im Auftritt, brutal in der Sillage, raumfüllend aber keineswegs gefällig, eher ein Süßling und ein Spalter, was die Geschmäcker angeht.

Oft bin ich am Flakon vorbeigezogen, um ihn irgendwann dann doch in die Hand zu nehmen. Im Wesentlichen eigentlich deswegen, um mein vorgefertigtes Urteil bestätigt zu bekommen. Sprühkopf betätigt. Einmal, zweimal, das sollte reichen. Und sofort positiv überrascht gewesen von einem Start, der zitrischer und frischer kaum sein könnte, genau so, wie ich es mag. Spannend, dachte ich mir, wir sicher gleich ins Süße umschlagen. Aber auch da weit gefehlt. Klar, die Frische geht etwas verloren, aber das ist ja normal. Ein bisschen Ambroxan kommt zum Vorschein, aber glücklicherweise keine Bombe dessen, sondern ein feiner touch. Zum Ende hin wird der Duft ein bisschen weicher, geschuldet der verarbeiteten Vanille, und in der Abrundung mit einem leichten Holzunterton verabschiedet sich das ganze Ensemble dann heimlich, still und leise.

Und da sind wir dann eigentlich auch schon bei der größten Schwäche von Eros, der Haltbarkeit. Und das ist wirklich schade. Weil der Duft als solcher kein Poser, kein Krawallo oder sonst was ist, sondern ein fein gemachter und gute Laune verbreitender Geselle. Natürlich ist er etwas auffälliger als die ganz dezenten Leisetreter, aber in einem vollkommen akzeptablem Rahmen.

Tragbar für alle Herren der Schöpfung, egal welchen Alters. Meines Erachtens auch ganzjährig, perfekt aber an Tagen zwischen 20 und 30 Grad. Für den absoluten Hochsommer im Abgang etwas zu süß, im Winter kommt seine Performance nicht zur Geltung. Sillage am Anfang gut, dann aber auch gut nachlassend. Haltbarkeit s.o., nachsprühen erforderlich, ansonsten ist nach 4-5 Stunden (zumindest bei mir) Feierabend.

Auf jeden Fall eine Testempfehlung!
1 Antwort
MajorTom vor 1 Jahr 3
6
Flakon
5
Sillage
6
Haltbarkeit
7
Duft
Wenn zwei das Gleiche tun…
…ist das noch lange nicht dasselbe!

Der Name Terrae fiel mir sofort ins Auge, gibt es doch da einen meiner Lieblingsdüfte namens Terre d‘Hermes, einen der vielleicht top 10 fragrances auf diesem Planeten überhaupt. Wenn sich also jemand mit diesem einfach wahnsinnig guten Duft anlegt, dann weiß er entweder, dass er ein Ass im Ärmel hat oder er ist schlichtweg größenwahnsinnig.

Interessant ist die Namensähnlichkeit auf jeden Fall und wenn man den Sprühknopf betätigt, dann gehen einem tatsächlich Ähnlichkeiten zum großen Franzosen durch den Kopf. Aber der zitrische Auftakt ist hier sehr markant, fast schon aggressiv, süßer und irgendwie synthetischer als bei Terre. Kann man durchaus mögen, meins ist es jedoch nicht. Immerhin erzeugt Terrae keinen Abwaschreflex, also geben wir ihm die Zeit, sich zu entfalten und damit eine Chance. Nach zwei Stunden hat sich der anfänglich stürmische Auftakt gelegt und ich vernehme eine Mischung aus Holz, Erde und Vetiver. Je nach Uhrzeit, eine halbe Stunde hin oder her, tritt mal das eine, mal das andere etwas stärker hervor, wobei ich die holzigen Noten schon ziemlich dominierend finde. Dieser drydown rückt Terrae natürlich etwas in die Nähe von Terre, ohne ihm aber auch nur im Ansatz gefährlich werden, will sagen, auch nur auf drei Kilometer nahekommen zu können. Zu schwach die Ausstrahlung, zu schwach die Sillage und zu schwach am Ende des Tages auch die Haltbarkeit. Vor allem aber setzt sich Terre mit seinem so gefälligen wie wiedererkennbaren Duft einfach total ab.

Es ist vielleicht unfair, zwei solche Düfte zu vergleichen, aber mutmaßlich wollte sich Bulgari einen Teil des doch so leckeren Kuchens abschneiden. Der Versuch ist aller Ehren wert, muss am Ende aber als gescheitert eingestuft werden. Terre spielt in einer vollkommen anderen Liga und leider ist aus Terrae nicht mehr geworden als ein netter Duft. Hier wurde klar eine Chance vergeben.

Für mich unter dem Strich kein großer Wurf, da hat Bulgari bessere Düfte im Portfolio. Schade.
0 Antworten
MajorTom vor 1 Jahr 23 3
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Eine Liga für sich
Wenn ich als Mann einen Frauenduft bewerte, dann muss schon Besonderes passieren. Nicht, weil ich mich auf Terrain nicht auskennen würde, sondern weil ich es in aller Regel der holden Weiblichkeit hier überlasse, entsprechende Rezensionen zu verfassen. Denn oft beurteilt die Damenwelt das Duftuniversum anders als wir Männer und am Ende des Tages sollen ja schließlich möglichst hilfreiche Stellungnahmen zustande kommen.

Aber bei Pure Musc muss ich einfach eine Ausnahme machen. Narcisco Rodriguez trat das erste Mal mit „For Him“ und danach als „For Him Perfume“ in mein Leben. Beides Düfte, wo ich mir dachte, wirklich gut gemacht, Düfte, die auch schnell Einzug bei mir hielten. Düfte mit einem gewissen Alleinstellungsmerkmal, welches unverkennbar ist und den Duft von so vielen anderen abgrenzt, durchaus auffallend, wenngleich nicht provokant.

Ähnlich erging es mir nun mit Pure Musc. Ein Duft, der sofort einen „wow-da-muss-ich-gleich-nochmal-riechen“-Reflex bei mir ausgelöst hat. Um dann nach dem zweiten und dritten Schnüffler binnen kurzer Zeit einen „ist-der-geil-muss-ich-haben“-Kaufreiz auszulösen. So geschehen, der Herzdame meiner Wahl geschenkt und diese wiederum sammelt nun fleißig positive Kommentare und „was-trägst-du-heute-für-einen-Duft?“-Anfragen. Was mir letztlich zeigt, dass mein Geschmack (so individuelle und verschieden Geschmäcker natürlich sind) doch anscheinend nicht so ganz schlecht ist.

Dabei ist Pure Musc selbst ein von Ingredienzen und Duftverlauf her geradezu unspektakulär, aber vielleicht macht ja genau das den Reiz aus. Viele Herrendüfte sind weit komplexer aufgebaut, aber deswegen nicht zwangsweise besser. Hier haben wir einen super cleanen Duft, einen wahren Nasenschmeichler, der das Zeugs zum crowd pleaser hat. Kein Lautsprecher, der in Lounge oder Bar alle und alles im Umkreis von 5 Metern einnebelt. Aber einer, der wahrgenommen wird im Vorbeigehen und der hängenbleibt. Auf der Haut gut und gerne 8-10 Stunden, auf Kleidung wie in Schals oder Seidentüchern tagelang. Der Duftverlauf ist aus meiner Sicht vollkommen linear und das ist kein Nachteil, denn warum einer Kopfnote irgendeine Wandlung verpassen, wenn sie so überragend ist wie hier? Es bietet ja auch eine gewisse Sicherheit, zu wissen, ich rieche in 6 Stunden noch genauso wie jetzt.

Von den Duftnoten her nehme ich tatsächlich den Cashmeran deutlich mehr wahr als Moschus, und genau darin liegt auch das Geheimnis versteckt. Der Moschus erschlägt dich nicht, sondern biegt ganz fein, ganz weich und unglaublich verbindlich um die Ecke, hüllt und lullt dich ein und hinterlässt einfach eine Wohlfühlatmosphäre.

Für wen eignet sich Pure Musc? Er ist nicht gebunden an Alterklassen. Sicher ein moderner Duft, ja, aber eine 40jährige kommt damit genauso klar wie eine 20jährige. Wann? Für mich immer, super aber am Morgen. Ein Gute-Laune-Macher über den Tag. Ganzjährig tragbar. Wo? Auch da sehe ich keinerlei Einschränkungen, passt am Wochenende zum Shoppingbummel, im Café, in der Bar aber auch bestens und gerade im Büro.

Fazit. Meines Erachtens ist Narcisco Rogriguez (respektive Sonia Constant) mit Pure Musc ein ganz großer Wurf gelungen. Zeitlos, nie in, nie out. Ein Duft, der heute tragbar ist und auch (keine Reformulierungen vorausgesetzt) noch in 10 Jahren. Ein Duft, der in praktisch jede und in jeder Situation passend erscheint. So etwas muss man erst mal kreieren. Und deswegen bekommt das Resultat von mir (die wirklich seltene) volle Punktzahl.

Definitiv eine Testempfehlung!
3 Antworten
MajorTom vor 2 Jahren 26 1
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt
Als ich an einem Wochenende mit viiiiieeeel Freizeit und ausnahmsweise weeeenig Plan auf dem Sofa rumgelümmelt habe, bin ich wieder mal etwas ausführlicher durch die Parfumo-Welt gesurft. Um dann die 2.842ste Rezension über Aventus zu überfliegen und irgendwo einen Querverweis auf L‘Aventure zu finden. Da mir weder der Duft als solcher noch das Haus Al Haramain in der Vergangenheit großartig untergekommen sind, war meine Neugier geweckt.

Und als ich einen 100ml Flakon für 40 Euro schießen konnte, dachte ich mir, da hast schon dümmer Geld ausgegeben, also blind bestellt. Mit einer durchaus geringen Erwartungshaltung, denn es gibt auch Düfte, die gut und gerne das zehnfache dessen kosten, was hier aufgerufen wurde. 100ml Flakons in dieser Preisklasse finden sich entweder in irgendwelchen Drogeriemärkten oder second hand bei nur noch mäßiger Füllung.

Das Teil kam und ich war zunächst positiv überrascht von einer doch recht ordentlich wirkenden Verpackung. Schöner Klappmechanismus, klar, hat man auch schon noch hochwertiger gesehen, aber in Relation zum Preis durchaus gut gemacht. Der Flakon selbst dann ebenfalls optisch gefällig, ein leicht verspiegelter Würfel mit einem Sichtfenster plus satt einrastendem Verschluss. Die ebenfalls quadratische Verschlusskappe ist für einen sicheren Griff rundum gummiert und besitzt oben ein Metallquadrat, auf dem der Firmenname eingeprägt ist. Okay, das Plättchen ist nicht wirklich aus Aluminium oder Metall, sondern an Ende des Tages gecoatetes Plastik, stört aber den guten Gesamteindruck keineswegs.

Um an den Inhalt zu gelangen, Sprüher betätigen und ja, auch dieser erfüllt seinen Job zu meiner vollen Zufriedenheit, sowohl von der Dosierung wie auch der Zerstäubung her.

Und dann die erste Wahrnehmung: Kenn ich doch! Nein, ich stelle keinen Vergleich zu Aventus her, vielmehr zu Royal Vintage. Fast eine 1:1-Variante des von mir über lange Zeit als Signatur getragenen Micallef-Dufts. Eine geradezu unglaubliche Ähnlichkeit, bei der man sich zwangsweise die Frage stellt, ob es denn nur reiner Zufall ist, oder ob hier jemand, nein, nicht geklaut, sondern sich hat inspirieren lassen ;-) Ein Schelm….

Ich habe das zur Kenntnis genommen, noch einmal nachgespürt und dann erst mal einige Stunden wirken, will sagen, ziehen lassen. Tatsächlich bergen Aventure, Aventus und Royal Vintage viele Gemeinsamkeiten in sich. Und dennoch unterscheiden sie sich in Nuancen, die allerdings so fein sind, dass sie nur ein absoluter Kenner wirklich wahrzunehmen in der Lage ist. Denn Bergamotte und Zitrone bilden einen gemeinsamen Auftakt. L‘Aventure startet noch einen Tick frischer als die Mitbewerber, offenbar ist die Zitro-Komponente hier etwas ausgeprägter verarbeitet. Wo aber beim Aventus die Ananas noch durchschimmert, fehlt dieses Element den beiden anderen komplett. Auch im dry down sehe ich Unterschiede, auch hier geht Aventus einen etwas anderen Weg, wird etwas rauchiger/muffiger und für mein Empfinden sogar leicht süßlich. Royal Vintage und Aventure schlagen einen anderen Weg ein, gehen deutlich verstärkt Richtung Patchouli-Note, ohne aber diese Ingredienz zu sehr zu betonen, was in beiden Fällen ein zumindest für meine Nase sehr verträgliches Ergebnis liefert.

Ich muss J.W. Goethes Faust bemühen, der damals den allseits bekannten Monolog „Nun steh ich da, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“ von sich gab. Und so manchmal geht es mir durchaus ähnlich mit gewissen Düften. Diese adäquat und vor allen Dingen so objektiv wie möglich zu rezensieren, ist teilweise gar nicht so einfach. Ein Versuch ist es dennoch wert.

Der Royal Vintage ist für mich der Erwachsenste der Drei. Irgendwo angesiedelt zwischen beherrschend, kühl, nüchtern, frisch und vor allen Dingen selbstbewusst. Ein Businessduft par excellence.

Aventus als mutmaßliche benchmark. Gefühlt: Gerade in letzter Zeit zu einem Massenprodukt geworden, trotz des nach wie vor aberwitzigen Preisschildes. Alleinstellungsmerkmal durch die Ananas-Beigabe, aber einen dry down, der mir persönlich nicht soooooo gefällt.

L‘Aventure als absolut valide Alternative zu beiden. Vor allem bei der Preisgestaltung. Die anderen spielen diesbezüglich ja in einer vollkommen anderen Liga, aber - und das ist für mich die eigentliche Überraschung der Geschichte - ohne nennenswerte Vorteile zu bieten. Denn nicht nur der Preis spricht klar für das Al Haramain Produkt. Auch die Performance ist nicht von schlechten Eltern. Wer einmal mehr den Sprühkopf betätigt, stellt eine vergleichbare Haltbarkeit fest. Raumtest: Einmal im Büro in die Luft gesprüht, hat das Ding genug Überlebenskraft, sich den Weg bis in den Gang zu bahnen, was dort zwangsweise (positive) Kommentare provoziert. Zum Flakon habe ich bereits oben genug gesagt.

Und so bleibt am Ende ein klares Fazit. Großer Duft zum kleinen Preis. Enorm unterschätzt in allen Belangen. Ganzjährig tragbar und, sorry, liebe lgbtq-Gemeinde, für mich einfach total männlich. Frisch im Start, gefällig im dry down, so stell ich mir einen guten Duft vor. Aus meiner Sicht ganzjährig tragbar, im business jederzeit, für abends gibt es sicherlich auf- und anregendere Alternativen.

Testempfehlung!
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