Von Wendler bis Vuitton: Die Skala geht nicht erst bei 7 los!
Immer wieder stoße ich hier bei Parfumo auf entrüstete Kommentare unter Verrissen beliebter Parfums. Zum Nachlesen: Ganz einfach unter "Parfum - Entdecken - Top - Amouages Reflection Man - Rezensionen - Negativ - Kommentare" schauen und schon findet man zahllose Musterbeispiele der schrecklichen Bewertungskultur, über die ich heute sprechen will.
Wenn hochdekorierte Communitylieblinge wie beispielsweise der "Reflection man" von Amouage (aktuell Top 9 der Herrendüfte) schlecht bewertet werden, zieht es die Liebhaber des kritisierten Parfums in die dazugehörige Kommentarspalte darunter wie die Motten zum Licht. Es fallen Sätze wie "bei einer objektiven Bewertung müsstest du MINDESTENS 7 Punkte vergeben!" oder "Diese Bewertung ist unfair und unseriös!". Je schlechter dabei die Bewertung ausgefallen ist desto unsachlicher die Kommentare darunter. Ganz besonders schlimm: "Sicher, dass du die richtige Abfüllung bekommen hast?".
Als Außenstehender frage ich mich da: Was soll das? Jeder hier hat das gute Recht, ein Parfum auf einer Skala von 0,5 bis 10 zu bewerten. Dabei steht es auch jedem frei, diesen Rahmen in beide Richtungen auszureizen. Die Skala geht nicht erst bei 7 los!
Der häufigste Fehler, den die militanten Verteidiger der TOP-Düfte hier machen, ist, dass sie die schlechte Bewertung umter ihrem heiligsten Lieblingsparfum sofort in den direkten Vegleich mit den Durchschnittsbewertungen anderer Düfte setzen. Doch das ist leider völliger Quatsch.
Als Allererstes gilt es zu verstehen, dass die Skala von 0,5 bis 10 lediglich dazu dient, Meinungen und Eindrücke zu vereinheitlichen, indem man sie aus komplizierten und interpretationsbedürftigen Worten in eine einfach verständliche Zahlenskala presst. Diese Skala hat NICHT den Anspruch, unterschiedliche Düfte zu vergleichen, sondern soll lediglich Bewertungen vereinheitlichen, die dann in einen Durchschnittswert zusammenlaufen. Zwischen einer 3-Sternebewertung unter Wendlers Wunderwasser "DJ Love" und einer 3-Sternebewertung unter Amouages "Reflection man" liegen Welten. Bei beiden fließen Erwartungen, Markenname, Preis und zahllose andere Faktoren unweigerlich auch in die Kategorie "Duft" mit ein. Trotz teils seperater Kategorien wie 'P/L'. Entsprechend sind diese Bewertungen auch nicht miteinander vergleichbar. Niemand hier würde ernsthaft behaupten, "DJ Love" und RM wären qualitativ auch nur ansatzweise gleich 'gut' (Falls doch, möge er/sie auf Lebzeiten von Parfumo verbannt werden).
Die Existenz von olfaktorischen Hassverbrechen wie 'DJ Love' darf aber nicht dazu führen, dass Bewertungen für qualitativ hochwertige Parfums wie "RM" erst bei 6 oder 7 beginnen und alles darunter quasi nur für die übelsten Gestanksbrühen reserviert ist. Das würde die Bewertungsskala nämlich drastisch verkleinern und ihre Relevanz gewaltig unterhöhlen. Eine aussagekräftige Abstufung zwischen 7 und 10 ist kaum möglich. Insofern ist auch der häufige Vorwurf "Wenn du Parfüm 'A' nur einen Stern gibst, findest du es damit schlechter als (z.B.) 'DJ Love', und das ist ja wohl unfair" völlig unsinnig. Immer noch nicht überzeugt?
Hier ein weiteres Gedankenexperiment:
Schritt 1: Suche dir (falls möglich) 21 verschiedene Parfums aus deiner Sammlung aus!
Schritt 2: Ordne sie von 'Lieblingsduft' zu 'Was macht der eigentlich noch hier?!' Geschafft? Nun, DAS sollte eigentlich nicht möglich sein, wenn man die Vergleichbarkeit von Parfums anhand von deren individueller Bewertung bejaht. Schließlich gibt es nur 20 Abstufungen zwischen 0,5 und 10. Folglich müsstest du mindestens 2 deiner Düfte gleich bewerten und sie entsprechend auch als 'gleich gut' befinden. Hier sehen wir also erneut, dass sich Bewertungen NUR auf den jeweiligen Duft beziehen, ihn aber NICHT in einen direkten Vergleich mit sämtlichen anderen Parfums stellen können.
Schließlich ist die Punkteskala nichts anderes als eine Übersetzung komplizierter Worte in eine universelle und einheitliche Zahlensprache. "Schlecht" ist nicht gleich "schlecht"; "1" ist nicht gleich "1".
Und so bleibt mir zum Schluss nur noch übrig, euch, liebe Leserinnen und Leser, dazu zu ermutigen, das GESAMTE Spektrum der Bewertungsskala auszunutzen (und somit weit aussagekräftigere Bewertungen zu schaffen) und euch fürs Lesen meines ersten Blogbeitrages zu danken. Ich freue mich auf eure (gerne auch kritischen) Antworten!
Gruß und bleibt gesund; Nebutzer
PS: Ich mag den "Reflection man". Der diente hier nur Beispiel. Also bitte steinigt mich nicht!
PPS: Dieser Beitrag spiegelt nur meine Meinung wieder und hat keinen Anspruch auf vollständige Richtigkeit!
PPPS: die Bebilderung zu diesem Beitrag erfolgt noch...
1) Ich bin hängen geblieben an diesem Satz: "Niemand hier würde ernsthaft behaupten, "DJ Love" und RM wären qualitativ auch nur ansatzweise gleich 'gut' (Falls doch, möge er/sie auf Lebzeiten von Parfumo verbannt werden)." Mir ist bewusst, dass das als humorige Formulierung gemeint war. Und doch steckt darin ein bisschen von "selber tun, was man anderen vorwirft", nämlich: Anordnen, wie etwas zu bewerten/empfinden ist und wie eben nicht. (Man darf die nicht gleich gut/schlecht finden, sonst Platzverweis.)
2. Ich habe auch schon mal eine Parfuma gefragt, ob sie sicher ist, den richtigen Duft getestet zu haben. Ihre Beschreibung des Dufteindrucks klang dermaßen weit weg von allem Denkbaren... Es hat sich herausgestellt: Sie hatte tatsächlich eine Fälschung getestet.
3. Grundsätzlich stimme ich Dir zu :-) Ich bespiele auch das gesamte Klavier und finde es hilfreich, wenn Andere dasselbe tun.
bei 2. kommt es denke ich auf die Formulierung an: Respektvoll fragen? Ja! Sich über jemanden und dessen Dufteindruck lustig machen? Nein!
https://www.parfumo.de/Parfums/Yves_Saint_Laurent/le-vestiaire-babycat/rezensionen/225302
Eine subjektive numerische Bewertungsskala ist an sich ja absurd. Warum sollte ich meine Bewertung des Duftes in einen Zahlenwert fassen, wenn ich damit nicht andere Düfte damit vergleichen wollte? Wenn eine eins nicht gleich einer eins ist, dann ist doch am Bewertungsmaßstab etwas falsch.
Nehmen wir mal an, ich müsste meine Lieblingsessen benoten - ich täte mich schwer damit, die Spaghetti Bolognese besser zu bewerten als das Gulasch meiner Mama. Und die Pizza vom Italiener ist ja auch nicht schlechter als die Grillplatte vom Griechen. Klar, die sind unterschiedlich und auch unterschiedlich gut; aber keins davon ist schlechter als das andere. Somit hätte ich dann halt möglicherweise vier mal zehn Punkte und dafür keine 8,5 - 9 - 9,5.
Mein Fazit daraus ist, dass man Düfte deswegen eben NICHT so ohne weiteres nur anhand ihrer Bewertung vergleichen kann.
Die Zahlen sollen zeigen, ob ein Duft GUT ist, aber NICHT, ob er BESSER ist als ein anderer Duft.
So verstehe ich das, viele andere aber (leider?) nicht.
Handwerkliche Qualität und subjektive Meinung in unterschiedliche Kategorien aufzuteilen, wie du es implizierst, fände ich gut!
Danke für deinen Beitrag, ich hoffe ich konnte deine Fragen beantworten :)
Aber so ist das auf Sozialen Medien - wird leben in Zeiten, in denen sich Fans von Musikgruppen als „Army“ bezeichnen, es ist ein Kampf um Macht und Einfluss.
Deshalb lese ich mir die die Rezensionen und Statements zu gewissen Düften gar nicht mehr durch (sind oft eh die immergleichen Plattitüden, die sich per Influencer Marketing draufgeschafft wurden) und vermeide auch weitgehend meinen Senf zu diesen Düften dazuzugeben, weil für Machtspiele und Kleinkriege ist mir meine Freizeit schlichtweg zu schade.
Glücklicherweise bietet Parfumo Personalisierungsfunktionen an, z.B. das Abonnieren von Usern, so dass man gezielt auf deren Rezensionen und Statements zugreifen kann. So habe ich bereits eine handverlesene Auswahl von Parfumos, die zwar oft einen deutlich anderen Parfumgeschmack als ich haben (um mal dem Vorwurf entgegenzuwirken, ich würde mir eine „Bubble“ einrichten), aber das immer unterhaltsam, informativ und mit echter Leidenschaft zum Dufterlebnis darlegen können.
Letztlich ist Parfumo auch eine soziale Plattform - und wie auf den meisten anderen Plattformen gibt es User, denen es weniger um konstruktiven Austausch und Informationsgewinn, sondern primär um die Deutungshoheit über andere User geht.
Oft ist ja die Rede vom "(Parfum)game" - ein Spiel, dass man versucht zu gewinnen; und wer die Deutungshoheit hat und anderen als Instanz erklären kann was gut ist und was nicht, der hat es gewonnen.
Und weil natürlich jeder ein Gewinner sein will und die Gewinnchancen in der Gruppe steigen, hat sich (simultan zu Youtube) so eine gewisse Userschaft herausgebildet, die alle ähnliche Düfte besitzen, diese Produkte fast schon kultisch-mystifizierend verehren (mein innerer Alarm schlägt an, wenn Parfums als „der King“, „heiliger Gral“, „Beast“, oder – besonders schlimm – „GOAT“ [määh] bezeichnet werden) und dementsprechend auch wenig bis keine Gegenrede tolerieren.
Ich will nix bewerten
Ich will Spass an meinen schönen Düften haben
Mich nicht um die Meinung anderer scheren oder nach dessen Mund reden
Oder angesehen sein
Ich bin ein Querkopf und will keine komplizierten Texte lesen
Das Leben ist das mit der Freude und den Farben, jawoll
Insofern, und um auf Chizzas Antwort zurückzukommen: Die Underdogs hier werden für meine Begriffen deutlich fairer und ehrlicher kommentiert und bewertet als die aktuell durchs olkfaktorische Dorf getriebenen Hypesäue. Hier wird von der jeweiligen Fan-/Hatebase unfaßbar viel Unsinn getrieben mit den Bewertungen.
Leider werden beide Gruppen weder diesen klugen Blog, noch irgendeine der Antworten lesen, denn so gut wie keine dieser Neuanmeldungen wird hier, nachdem sie hier ihr olfaktorisches Häufchen gesetzt haben, jemals wieder gesehen. Nicht schlimm, könnte man denken. Doch schlimm, sage ich, denn mit jeder 10 für einen Hypeduft wird ein angestammter Duft, womöglich über Jahrzehnte gereift und subtil modernisiert, ein Duft, der (ob man ihn mag oder nicht) einen Platz im Dufthimmel behalten sollte, ein wenig nach hinten geschoben und statt dessen besteht die Männer-Top-Ten zum großen Teil aus Düften, von denen ich bezweifle, daß der größere Teil in zehn Jahren überhaupt
Und ebenfalls ja: Ich finde es auch schade, dass die zeitlos guten Düfte jetzt kaum noch Thema hier sind, sondern nur noch der aktuelle Massenhysterie-Duft.
Allgemein neigen wir als Gesellschaft vermehrt zur Abschwächung von Kritik und das führt sicherlich auch dazu, keine niedrigen Bewertungen abgeben zu wollen.
Ich liebe Parfumo und die Community hier, ich hab hier soviel Positives erlebt und erlebe es noch. Aber am Anfang meiner Reise hier habe ich ein Statement zu By the Fireplace von Replica geschrieben. Das Statement fiel nicht gut aus aber dennoch höflich und ich zog den Vergleich zu einem anderen Duft an den er mich erinnern würde.
Dafür wurde ich so massiv zerissen, das ich das Statement schlussendlich gelöscht und daraufhin auch keine weiteren mehr geschrieben habe.
Das hat richtig was mit mir gemacht und hat mich noch lange Zeit danach geärgert.
Ich liebe den Austausch und man kann sicher auch mal Späße machen aber meine Meinung lasse ich mir nicht mehr madig reden.
Ich selbst versuche immer, ehrlich und fair zu bewerten - letzteres heißt, die Qualität des Duftes auch anzuerkennen, wenn der Duft nicht mein Geschmack ist. Aber wenn die Qualität nicht da ist oder der Duft mich anwidert, mache ich das auch mit einer niedrigen Bewertung deutlich.
Ich selbst habe übrigens erst zwei Mal eine 10 vergeben, denn das heißt für mich Perfektion, die ist selten!
Andererseits hat jeder tatsächlich einen sehr individuellen Geruchssinn - sogar bekannte Parfumeure haben bestimmte Anosmien. Dazu kommen Assoziationen, die Düfte auslösen. Es kann also keinen Duft geben, der allen gefällt - und das ist auch gut so!
Und: Wenn ich mich immer beschweren würde, sobald ein von mir geliebter Duft undifferenziert als 'Omaduft' oder 'für alte Damen' abgeurteilt wird, hätte ich kein Leben mehr! Ist zwar verletzend, muss ich aber aushalten... Gibt sonst nur sinnlose Diskussionen.
Nur weil ein teurer Duft viele Fans hat, heißt das doch nicht, dass ich ihn auch mögen muss. Und wenn dem nicht so ist, ist das völlig ok, das auch zu sagen. Und es ist genauso OK, wenn mir ein günstiger Duft, der hauptsächlich schlecht bewertet wird, gefällt. Meine persönliche Meinung ist kein Angriff, sondern einfach nur meine Meinung. Ich trage meine Parfums für mich und es ist mir ziemlich egal, ob andere diese mögen oder nicht. Finde es sogar gut, wenn ich einen Duft mag, den nicht jeder mag und somit auch nicht jeder trägt. ;-)
Und es gibt nunmal auch Düfte, die polarisieren. Entweder man liebt oder hasst sie, da gibt's wenig dazwischen.
In diesem Sinne: duften und duften lassen. :-)
Ich denke, es ist eine Frage des "wie", ob eine Antwort ernsthaft darauf hinweisen soll, dass eine Probe gekippt sein könnte, oder ob sie nur diffamieren soll. Zwischen "könnte es sein, dass du da eine abgelaufene Probe erwischt hast?" und "Probe verwechselt oder was !?!?!1!11😂" liegen Welten!
Dass sich die persönlichen Duftvorlieben im Laufe der Jahre verändern, ist (vermute ich mal) ganz normal, aber auf jeden Fall ein wichtiger Aspekt, den ich jetzt gar nicht so sehr auf dem Schirm hatte ☝️
Auf kritische Besprechungen bzw. Wertungen unterhalb der 7 reagieren diese Brandlover dann ausgesprochen empfindlich bis beleidigend. Sehr sonderbar !!
Ich persönlich würde gerne mehr fundierte Kritik, meinetwegen auch Verrisse lesen, als mich mit ständigen Jubelarien zu langweilen.
Ich denke auch, dass Kritik weit wertvoller ist als Lob (auch bei Restaurantbewertungen beispielsweise). Umso schlimmer, wenn Leute dann für einen Negativrezension angegriffen werden!
Ich halte gerade die von Scentennial unten aufgeführten Aspekte für zentral in der Ursachenforschung dieser hier doch eher „aktuellen“ Entwicklung.
Mit dem Aufkommen von Düften als Thema in Influencerkanälen jeglicher Couleur in den letzten Jahren stieg nicht nur die Anzahl hier angemeldeter und bewertender Parfumos - es kam durch das ewige Durchkauen der stets ähnlichen „Top“-Listen entsprechender Internetprominenter auch entsprechend zu einer Art Inflation in der Bewertung ohnehin bereits relativ beliebter Düfte. Frei nach dem Motto „Was XY abfeiert, muss ja Nonplusultra sein“ … ohne eventuell gar zu wissen, was es sonst noch so auf dem Duftmarkt gibt und einem vermutlich persönlich gar besser gefällt, als Influencer-Tipp XY. Eine etwas differenzierte Herangehensweise fände ich also auch echt klasse. Andererseits gebe ich auch gerne höchst hoffnungsvoll zu, dass vor rund sieben Jahren (Beginn Parfumozeit) „La Nuit de L‘Homme“ das absolut Höchste sein MUSS ;-)
Sich persönlich angegriffen fühlen, aufgrund einer schlechten Bewertung eines Lieblingsduftes, finde ich schon sehr fragwürdig.
Ist man denn das Maß aller Dinge?
Das erinnert mich auch gleich an die Aussage, Parfum mit einer niedrigen Bewertung erst gar nicht zu testen... kann ja einem selbst nicht gefallen.
Wir sind ja alle so offen und Akzeptanz wird groß geschrieben...
Vielleicht sollten einige auch anfangen, es umzusetzen 😉
Gern gelesen 👍