Ravn1904

...schaut man nicht ins Maul - sagt die Omma. Recht hat sie, doch der gewonnenen Probe vom "Anticonformiste | Mizensir" wollen wir heute ausnahmsweise trotzdem auf den Zahl fühlen.

Erster Eindruck: Frisch. Grün. Synthetisch. Typisch Duschgel DNA, eine Frischekick im Flakon. Eine süße Nebelwolke, getragen von Veilchenblatt und zarter Blumigkeit. Direkt nach dem Duschen, bei hitzigen Temperaturen könnte das Ganze somit für eine Verlängerung des Frische-Gefühls sorgen. Heute, bei kühlen 8 Grad lässt einen auch der "Anticonformiste | Mizensir" unterkühlt zurück. Nicht falsch verstehen, der Duft ist zuweilen angenehm und nur anfangs ein wenig zu stechend, aber gemessen an Titel (und Preis...) kann dieses olfaktorische Erzeugnis nicht beeindrucken.

Das ändert sich auch im späteren Verlauf nicht. Die Pfeffrigkeit muss man gezielt suchen um sie wahrzunehmen und spätestens bei der Basisnote kann man die Komponenten als vermisst melden. Und ich hab mir genüsslich die halbe Ampulle auf den Astralkörper geknallt. Geholfen hat es nicht, nach round about 2-3 Stunden hat mich der Duft verlassen.

Tipp: Wem die Richtung gefällt, sollte den "Roma Uomo Green Swing | Laura Biagiotti" checken. Viel günstiger und große Unterschiede sind nicht zu erkennen. Und nun zurück in den Stall, du oller Gaul. Hast es für heute geschafft.

Ich hab' so meine Probleme mit den Düften von Amouage. Zu hart, zu rauchig und zu anstrengend. Da kam mir der "Reflection Man | Amouage" gelegen, ist er doch als massentauglicher Saubermann Duft eingeordnet.

Und tatsächlich, vom Start weg ganz dezent zitrisch, dann im weiteren Verlauf sehr sanft und cremig. So aufdringlich wie andere Erzeugnisse auf dem Haus ist der Duft damit nicht, auch wenn Haltbarkeit und Sillage trotzdem ordentlich sind. Mich erinnert das Ganze an eine hochwertige Mischung aus "L'Homme | Prada" und "This Is Him! | Zadig & Voltaire", dessen dumpfe Vanille-Note gerade hinten raus auch hier in meiner Nase auftaucht. Ist zwar gar nicht gelistet, aber das heißt ja nicht viel. Der "Reflection Man | Amouage" taugt somit als täglicher Begleiter - wenn man sich den Luxus gönnen mag - aber auch als edles Tröpfchen bei einer Abendveranstaltung. Clean, harmonisch und schön.

Wir können es relativ kurz machen: "Casamorati - Mefisto | XerJoff" vereint beinahe alle Stärken eines Sommerduftes. Die Eröffnung präsentiert eine herrlich frische Grapefruit, umspielt von zitrischen Schwingungen ohne Klostein Vibe. Anders als bei anderen Freshies hält sich die Kopfnote erstaunlich lange und wird erst nach ca. einer Stunde abgelöst. Danach öffnet der Blumenladen seine Tore und lädt ein zu einer kleinen Reise durch die florale Welt.

Rose, Lilie, alle in voller Blüte und verstärkt durch diesen typisch feuchten Geruch, der einem bei frisch angeschnittenen und bewässerten Blumen entgegenströmt. Eine herrlich abgestimmte Komposition, die florale und frische Elemente verbindet. Den Ausklang nehme ich persönlich nicht wahr - womöglich werden die hölzernen Noten überdeckt. Sei's drum, die guten 6 bis 7 Stunden davor sind den Preis absolut wert.

Es gibt Düfte, die bauen Brücken. Menschen lieben sie, in ihrer Nähe fühlen sich die Menschen wohl und es hagelt Komplimente. Und es gibt Düfte, die bauen Mauern. "Purple Heart V.5 | Map of the Heart" setzt Stein auf Stein, in vertikaler Ausprägung.

Die ersten Sekunden springen dir förmlich ins Gesicht. Eine schwere Süße, umspielt von exorbitanter Rauchigkeit. Mittendrin eine saure Kirsche, klar erkennbar. Es ist kaum auszuhalten, und doch irgendwie geil. Ein Duft, der gar nicht versucht der Masse zu gefallen, sondern stattdessen direkt Grenzen absteckt und sich unumwunden von seiner harten Seite präsentiert. Ist der erste Schock erstmal verdaut, schleicht sich folgender Gedanke ein: "Irgendwo hab ich das doch schon mal gerochen!", und tatsächlich. Der "Purple Heart V.5 | Map of the Heart" erinnert zeitweise stark an einen der gehyptesten Düfte überhaupt, den "AddictiveArts - Jump Up and Kiss Me Hedonistic | Clive Christian". Auch dieser stellt die säuerliche Frucht ins Zentrum und stößt immer wieder schrille Rauchwolken aus, die das Ganze unverkennbar machen. Haltbarkeit und Sillage können locker mit der des 550€ Luxusgutes mithalten, für mich ist der "Purple Heart V.5 | Map of the Heart" sogar noch etwas aufdringlicher, noch unbequemer und noch extrovertierter. Das hier ist nix für das Büro, nix für die Pumperbude und nix für fröhliche Spieleabende. Ich sehe ihn eher in nebligen Clubs, wo 80s Synthwave einem das Trommelfell massiert. Oder bei nächtlichen Spaziergängen im Wald.

Warum er als Duft für Damen eingegrenzt wird, ist mir ein Rätsel. Ich sehe ihn absolut unisex, wenn nicht sogar eher im maskulinen Sektor, da viele Damen mit Sicherheit von der Schwere erschlagen werden. Es dauert wirklich lange, ca. 3 oder 4 Stunden, bis er sich beruhigt und etwas floralere Noten in den Vordergrund treten. Ich meine mir einzubilden auch einen Hauch Leder und/oder Oud wahrzunehmen, wobei ich die Lakritz-Note leider vermisse. Hätte diese auch noch ihren Auftritt bekommen, sprächen wir über einen Kandidaten für die Höchstnote. So verbleibt ein "nur" sehr gutes Erzeugnis mit beeindruckender Leistung, der Fans von "Beastmode"-Düften durchaus imponieren könnte.

Andere Rezensionen und/oder Vergleiche geben es nicht her, aber für mich ist "XJ 1861 Zefiro | XerJoff" der kleine Bruder, oder besser gesagt die kleine Schwester vom "XJ 1861 Naxos | XerJoff". Beide sehe ich aufgrund ihrer sehr geschmeidigen Süße eher im femininen Segment, bei beiden strahlt die Honig-Note dominant über allem anderen.

Unterschiede gibt es aber auch, besonders zu Beginn. Da überzeugt "XJ 1861 Zefiro | XerJoff" noch mit einem sanften Weihrauch Einschlag, der interessierte Nasen umschmeichelt und Hoffnung macht, dass das Gesamtkonstrukt nicht auch wieder im undefinierbaren Brei endet - leider passiert aber genau das. Die Haltbarkeit ist dabei beachtlich, spannende Änderungen solltet ihr aber nicht erwarten. Es ist süß, es bleibt süß. Letztlich ist "XJ 1861 Zefiro | XerJoff" für mich der etwas bessere Duft, da der Start spannender und die Süße zumindest nicht ganz so aufdringlich ist. Ansonsten ziemlich unterwältigend.