Revolte in der Schublade
„Komm mal her, wir müssen reden!“ schallte es aus meiner Parfumschublade.
Ich stutzte. Schüttelte den Kopf, wandte mich wieder meinem Rechner zu.
„Hey! Hörst du schlecht? Komm her!“
Verwirrt stand ich vom Schreibtisch auf, ging ins Schlafzimmer und öffnete die Schublade. Zahlreiche Parfums standen da und schauten mich vorwurfsvoll an, allen voran „Shalimar Parfum Initial L‘Eau Si Sensuelle“. Es verschränkte dir Arme und begann: „Wir wollen nicht mehr! Wir fühlen uns vernachlässigt!“ sagte es und wackelte dabei bekräftigend mit seinem Bommel, was irgendwie sehr putzig aussah. Dennoch unterdrückte ich ein Grinsen, schließlich wollte ich doch keinen Guerlain verärgern.
„Ok Leute“, seufzte ich. „Wo ist das Problem? Aber macht schnell, ich hab schließlich ne Menge zu tun.“
Der Sensuelle begann: „Ich bin jetzt seit drei Wochen hier. Und weißt du, wie oft ich bis jetzt getragen wurde? Ganze drei Mal! Das ist unter meiner Würde! Wenn ich sonst irgendwo neu ankomme, werde ich jeden Tag benutzt und erfreue so die Leute in meinem Umfeld. Und du bist so zögerlich und benutzt mich so wenig, dass keiner es in deinem Umfeld mitbekommt. Wie langweilig ist das denn?“
„Aber…“ setzte ich an, wurde aber sofort unterbrochen, „Shalimar Parfum Initial L‘Eau Si Sensuelle“ redete einfach weiter. „Und das geht nicht nur mir so! Candy hier“ – es deutete auf den verschüchterten Prada-Flakon neben ihm – „Candy hier ist traurig, weil es noch nie die Sommersonne gesehen hat. Es darf nur im Winter raus, wenn es kalt ist, dabei will es so gerne mal das Meer und den Strand sehen.“ „Candy“ nickte bekräftigend.
„Hört mal, meine Freunde“, sagte ich. „Das ist jetzt total ungerecht. Ich hab schließlich nur einen Körper und die meisten hier sind so treu, dass es reicht, einen von euch am Tag auszuführen. Und du, Candy“ – streng schaute ich zu dem Flakon rüber – „Du weißt genau, dass du eine Sonnenallergie hast und ganz penetrant wirst, wenn du die Sonne siehst. Es ist nur zu deinem besten.“
Da schaltete sich „Eau des Missions“ ein: „Können wir denn nicht mal einen Freund mitnehmen, wenn wir rausgehen. Alleine ist es manchmal so langweilig.“
So langsam wurde es mir zu bunt: „Hör mal, ich weiß doch, wie das endet. Zwei Minuten freut ihr euch und dann fangt ihr an zu streiten, und versucht, euch zu übertrumpfen, wer am dollsten riecht. Nee, nicht mit mir! Und überhaupt: Mag sein, dass ihr nicht oft benutzt werden, aber dafür werdet ihr hier artgerecht gehalten. Es ist kühl und dunkel und so werdet ihr ganz alt. Oder wollt ihr etwa ins Bad neben die Dusche? Naaa?“
Betreten schauten die Aufständischen zu Boden und schüttelten den Kopf.
„Außerdem: wenn ihr wieder an der Reihe seid, freue ich mich total, euch den Tag über begleiten zu dürfen. Ihr seid dann der Star. Welches Alltagsparfum kann das schon von sich behaupten? Und jetzt entschuldigt mich. Ich habe noch eine Hausarbeit zu schreiben!“
Mit einem energischen Schubs schloss ich die Schubade und schickte die ob der klaren Ansage peinlich berührten Flakons wieder ins Dunkel.
Gerade, als ich zum Gehen ansetzte, hörte ich noch den „Narciso (Eau de Parfum)“ sagen: „Kommt Leute, wir machen jetzt die Abfüllungen fertig!“
….diese Rasselbande….