Terra
Terras Blog
vor 11 Jahren - 14.05.2014
13 1

Moschus - was so alles hinter einem Namen stecken kann...

lange hatte ich nur recht verzerrte Vorstellungen, wie denn Moschus riechen mag. Es kamen mir so einige "White Musk"-Düfte unter die Nase, mit denen ich wenig anfangen konnte. Was sollte "Weißer Moschus" sein? Für mich eine undefinierte Geruchsvorstellung, eher etwas weiches, vielleicht etwas sauber-synthetisches, vielleicht gar etwas süßes!?

Mit fortgeschrittener Erfahrung und dem Kontakt einiger Profis kam ich in den großen Genuss zu erfahren, was es mit diesem Thema auf sich hat. Meist werden wohl verschiedenste, synthetische Moschusriechstoffe verwendet. Vielen dürfte "Ambrettolide" bekannt vorkommen, alleine weil man "Ambrette" usw. nicht selten unter Duftnoten findet. Meiner Erinnerung nach riecht dieser synthetische Moschusriechstoff fast nach Waschmittel, sehr sauber, angenehm. Keine Spur süß oder weich, sondern einfach klar und rein. Ich denke nicht, dass er mit dem Ambrettesamenöl viel gemeinsam hat. Moschus-Keton wäre ein weiterer dieser Stoffe. Er riecht weich, leicht pudrig, etwas nach Kosmetika. Nicht wirklich süß und es wirkt auch ein wenig synthetisch, aber doch angenehm. Cashmeran ist ebenso ein Moschusriechstoff - viel verwendet und angeblich gesundheitsgefährdend. Ich finde den Geruch sehr angenehm, sehr weich und kuschelig.

Doch es gibt zu viele, synthetische Moschusduftstoffe. Viele kenne ich nicht und kann daher hier auch gar nicht genau darauf eingehen.

Natürlich gibt es dann noch den tierischen Moschus. Aufgrund von Tierschutzabkommen, großen Margen an Duftölherstellung und der Preisgestaltung wird dieser allerdings kaum verwendet. Ich denke Düfte wie Musc Ravageur oder Muscs Koublai Khän sollen eine Hommage an diesen "natürlichen" Moschus darstellen. Nun hatte ich auch das Vergnügen echten Moschus einer Gazelle riechen zu können sowie ein arabisches Duftöl welches mit großer Wahrscheinlichkeit einen hohen Anteil tierischen Moschus enthält. Dieser ist nicht "animalisch", wie man es vielleicht von Lutens oder Malle kennt. Es ist ein ganz warm-weich-süßer Duft, der auf eine Art und Weise "animalisch" ist, wie vielleicht auch die menschliche Haut. Keine ungeduschte, schmutzige Menschenhaut. Er riecht eindeutig organisch, aber nicht schmutzig oder fäkal. Ich finde diesen Geruch äußerst anziehend und leider kann da kein Lutens, Malle oder mir bekannter, westlicher Moschus rankommen.

Doch der Facettenreichtum dieser Duftstoffe ist unerschöpflich. Moschus ist also nicht gleich Moschus. Auch für mich hat diese Reise quasi erst begonnen und es ist spannend.

Vom saubersten Waschmittel bis zum sexy Kuschelduft geht alles; perfekt für neugierige Parfumos ;)

Meine Moschus-Dufttipps: Golden Musc von E99 Esans und Black Musc von Al Qurashi.

13 Antworten
RoninRonin vor 11 Jahren
Dank Euch beiden!
DrPabloDrPablo vor 11 Jahren
Hallo Ronin, das Ambrettolid hat auf jeden Fall auch apfelartige Aspekte - zumal im Ambrettsamenöl. Das Ambrettsamenöl kann man sich ganz grob als eine Mischung aus 70% Farnesylacetat, 5% Farnesol, 5% Laurylacetat, 6% Decylacetat, und 12% Ambrettolid vorstellen. Es hat durchaus starke Anklänge an Weinhefenöl, was ja vom Apfel auch nicht so weit weg ist. Moschusriechstoffe werden allgemein individuell sehr verschieden wahrgenommen. Manche empfinden das Abrettolid riecht wie ein Apfel dort, wo der Stiel herauskommt. Mir riecht es eher nussig, aber eine gewisse "Trockenfruchtigkeit" nehme ich auch war.
TerraTerra vor 11 Jahren
Bei dem industriellen Ambretollide habe ich sowas nicht empfunden, aber vielleicht nimmt das jeder auch etwas anders wahr, ähnlich wie bei Iso usw. Der tierische Moschus riecht nach längerer Zeit, zum Beispiel später im T-Shirt auch völlig anders. Süße Aspekte gehen verloren und er wird nur noch weich und anschmeichelnd, ich finde das betörend. Ambrettesamenöl kenne ich ja leider nicht - daher kein Vergleich.
RoninRonin vor 11 Jahren
Terra und v.a. Dr. Pablo, vielen Dank für die Ausführungen! Ich habe mal eine Frage an Euch: aus einem Marokkourlaub habe ich pflanzlichen Moschus mitgebracht (mir wurde zumindest versichert, dass es das sei), also Ambrettesamenöl, in Form duftender Würfel. Direkt daran gerochen riecht es - na ja, nach Moschus. Und etwas cremig, nicht pudrig und eher süßlich. Schön, aber nicht zum Niederknien. Wenn ich nun so einen Würfel offen liegen lasse und nach einiger Zeit den Raum mit diesem Würfel betrete, vernehme ich überall in diesem Raum einen dezenten Duft von rotem Apfel (leicht runzelig schon oder auch wie Apfelchips, diese getrockneten Spalten). Das finde ich betörend! Direkt am Würfel nehme ich den Apfelduft nicht so deutlich wahr. 1. Geht Euch das auch so, nehmt ihr in Verdünnung stärker eine sehr diffusive, obstige Note wahr? 2. Falls ja, weist das industriell hergestellte Ambrettolid auch diesen Aspekt auf?
DrPabloDrPablo vor 11 Jahren
..und was ich noch hinzufügen möchte: erstaunlicher Weise ist das Moschus Keton, also ein Nitromoschus, im Duft dem im Moschusextrakt natürlich vorkommenden L-Muscon am nächsten.....
DrPabloDrPablo vor 11 Jahren
Naja, Moschusriechstoffe haben die Eigenschaft, andere Riechstoffe stark zu "exaltieren". D. h. sie heben sie extrem hervor. Ich hab eine ganze Weile gebraucht um das zu begreifen. Wahrscheinlich hatte das Ambrettolid die Riechstoffe der Umgebung "angezogen". Unsere Proben aus dem Kühlschrank haben auch oft mehr oder weniger schnell eine "Kühlschranknote"....
TerraTerra vor 11 Jahren
@Dr. Pablo: ich habe Ambrettolide in Reinform hier, riecht für mich eher nach Waschmittel, aber nicht fettig-nussig. Mit Moschus-Keton gebe ich dir recht. Cashmeran gehört soweit ich weiß zu den Moschusstoffen, riecht aber schon sehr eigen, stimmt. @Fittlewort: vielen Dank :)
DrPabloDrPablo vor 11 Jahren
Das industriell hergestellte Isomer vom Ambrettolide ist geruchlich praktisch nicht vom dem aus dem Ambrettsamenöl zu unterscheiden, obwohl es nicht im Ambrettsamenöl vokommt. Amberttolid hat einen fettig-nußartigen Moschusgeruch. Viele macrocylische Laktone (Cyclopentadecanolid, Habanolid, Ethylenbrassylat) kann man als fettig-wachsig beschreiben, mit mehr oder weniger stark ausgepägter Note wie "heißes Bügeleisen". Die Lactone sind alle eher "pflanzliche" Moschusnoten (u. a. im Angelikawurzelöl, Galabumöl) und geben Komopsitionen of auch "fruchtige" Effekte (rote Früchte). Die macrocyclischen Ketone (Exalton, Muscone, Muscenone) dagegen haben einen sehr typischen "pudrigen" Geruch und sind näher am echten tierischen Moschus. Civettone ist dem Ambrettolide im Geruch erstaunlich ähnlich, es gibt aber vollkommen andere Effekte. Die Nitromoschusse, von denen uns leider nur noch das Moschus Keton geblieben ist, sind extem pudrig, gerade Moschus Keton. Das ist die Pudrigkeit schlecht hin. Interessanterweise hat Moschus Keton den niedrigsten Geruchsschwellewert aller bekannten Moschusriechstoffe, obwohl es eine vollkommen andere Struktur hat. Wer ein mal Moschus Keton gerochen hat, wird es nie wieder vergessen. Es hat die paradoxe Eigenschaft extrem diffusiv und doch ganz mild zu sein. Die Polycyclischen Moschusse (Galaxolid, Tonalid) sind im Geruch sehr weich und rund, Galaxolid ist blumiger, während Tonalid eine leichte "Mottenkugelnote" hat, die es aber interessant macht. Ihr Geruch ist, da die Pudrigkeit fehlt, näher an dem der macrocyclischen Lactonen als an den Ketonen oder den Nitroverbindungen. Die Polycyclen geben den Komopsitionen einen sehr warmen, weichen und milden Hintergrund, während die Macrocyclen dem Parfüm eher spitze, scharfe und seifige, manchmal fruchtige Effekte verleihen. Von der Haftfestigkeit können die Macrocyclen weder den Polycyclen noch den Nitromoschussen das Wasser reichen. Gerade Moschus Keton gehört zu den am längsten haftenden Riechstoffen überhaupt. In einem Feinparfüm können schon mal 20%-60% Galaxolid bzw. Tonalid enthalten sein, wohingegen die Macrocyclen eher nicht so hoch dosiert werden (bis auf Ethylenbrassylat, das auch viel billiger ist), Ausnahmen bestätigen die Regel. Allen syntetischen Moschusriechstoffen fehlen jegliche wirklich animalisch-fäkalische, honigartige, aminige und tabakartige Noten, die aber im echten Civette und Moschus über den pudrigen Geruch der Macrocyclen dominieren. Das wir Moschusnoten mit "Sauberkeit" assoziieren ist stark konditioniert durch ihre Verwendung in Seifen, Waschmitteln und Weichspülern. Cashmeran würde ich nicht wirklich zu den Moschusriechstoffen zählen, es ist eher warm, holzig, würzig. Alle gesundheitsgefährdende Eigenschaften, die den Polyclen und den Nitromoschussen nachgesagt werden basieren auf einer sehr dünnen Beweislage und sind m. E. an den Haaren herbeigezogen, ganz nach dem Motto "was der Denker denkt, wird der Beweißführer beweisen" (Robert Anton Wilson).
ShamisShamis vor 11 Jahren
Ich habe jahrelang mit Moschus ausschließlich warmen, weichen, sinnlichen Duft verbunden. Irgendwann habe ich dann auch die eher "sauberen" Moschusdüfte entdeckt. Ich mag beides ausgesprochen gern, aber es sind völlig verschiedene Duftrichtungen für mich. Ich glaube, früher wurde billiges Duschel oft mit Moschus parfumiert. Dann kamen erste Warnungen wegen gesundheitlicher Bedenken.
MrWhiteMrWhite vor 11 Jahren
"Musc Nomade" fand ich irgendwie schön, bin sonst aber kein Moschus-Jäger bis auf den "Musc Ravageur" :-)
SeeroseSeerose vor 11 Jahren
Durch viele mehrdeutige Duftangaben muss man sich durchkämpfen. Und sich mit vielen fantasievollen Pyramiden und Ingredienzenangaben auseinandersetzen. Hier und da ein Interpretationsversuch ist immer hilfreich.
DuftJunkieDuftJunkie vor 11 Jahren
So ein Zufall. Gerade heute erst habe ich einen Kommentar zu einem Duft mit Moschus Schwerpunkt verfasst. Kann Dir nur zustimmen in Sachen Facettenreichtum des Moschus. Was die angebliche Gesundheitsgefährdung angeht; da ist sicher tatsächlich was dran. Denn es ist nunmal so, dass einige synthetische Moschus Riechstoffe sich auf der Haut für längere Zeit ansammeln, daraufhin gerade bei sensiblen Hauttypen Allergien hervorrufen oder begünstigen können. Die Lösung des Problems kann aber meines Erachtens nicht darin liegen, diese Stoffe vom Markt zu verbannen. Vielmehr müsste man die Benutzer auf mögliche Reaktionen des Körpers hinweisen. Die Devise müßte also lauten: ,,Aufklärung statt Verbote". Verbote hatten schon immer etwas Verlockendes an sich. Also bewirken sie nur das Gegenteil dessen, was man eigentlich erreichen will. Nämlich, dass die Verbraucher Selbstverantwortung übernehmen.
FittleworthFittleworth vor 11 Jahren
Danke für Deinen spannenden und informativen Blogeintrag! :-)

Weitere Artikel von Terra