24.08.2015 - 12:32 Uhr
Sarungal
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Sarungal
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13
Noblesse oblige
Nachdem mich das von Ramon Bejar komponierte „Black Cube“ bereits tief beeindruckte, hatte ich es eilig, weitere Arbeiten des spanischen Parfumeurs unter die Nasenlupe zu nehmen. In „Sanctum Perfume“ begegnet uns eine minimalistisch orchestrierte, gleichwohl pompös tönende Weihrauchsymphonie in Moll, der das Kunststück gelingt, neben den erhaben-sakralen, kühlen und völlig ungesüßten Aspekten des orientalischen Harzes auch seine verräuchert-sinnlichen Elemente olfaktorisch zum Klingen zu bringen. Allergrößtes, sehr puristisches Kino!
„Wild Oud“ erscheint vielschichtiger, auch wenn der Name des Dufts auf eine völlig falsche Fährte führt: Bejar zähmt das Adlerholz, ohne es zu verstecken; stattdessen ergänzt der Pafumeur die gelegentlich etwas medizinisch-stechende Oud-Note bereits im Opening mit der zitrisch-bitteren Bergamotte. Der eigentliche Coup aber ist das Muskatöl. Seine Dominanz degradiert die Adlerholz-Spitze umstandslos zur Würze – ein unerwarteter Rollentausch insofern, als das eigentliche Gewürz – die Muskatnuss - beinahe fremd-fruchtig erscheint, während das langsam aufsteigende Oud der frischen Eröffnung einen olfaktorisch dekorativen Spinn ins Saubersüß-Glänzende (sic!) verleiht. Eine Prise nur vom zu Mehl zerstäubten Adlerholz ist es, die da als feinste Duftahnung ins Bouquet strebt, ohne um Aufmerksamkeit zu ringen.
Ist das zu kompliziert ersonnen – oder versteigt sich der Rezensent gar und bläst zu großer Kunstfertigkeit auf, was eigentlich harmlosestes Handwerk ist? Möglich, aber unwichtig – meine Nase diktiert mir diese Wahrnehmung der Kopfnote, in der übrigens bereits fast alles angelegt ist, das sich im weiteren Verlauf manifestiert.
Der Oud-Zauber gelingt nämlich nur im Verein mit der Tonka-Bohne; wer sich nun allerdings auf einen vanilligen Adlerholz-Kracher freut, wird enttäuscht werden: Es bleibt ruhig im Gebälk, und süßer wird’s nimmer. Dafür wirft ein durchaus ps-starker Vetiver den Motor an, um dann doch nur mit der Laufruhe seines erstaunlich kultivierten Antriebs zu beeindrucken. Seine Vibes sind unzweifelhaft vorhanden, aber sie begnügen sich damit, den Duft zu erden. Er dunkelt vornehm und leicht hölzern nach. Hatte eben noch die Muskatnote das Oud zivilisiert, so übernimmt nun der Vetiver diese Aufgabe. Das Duett beider Aromen ist von vollendeter Harmonie, während in der Oberstimme noch immer das Echo der zarten Muskatmelodie nachklingt.
Wenn wir davon ausgehen, dass Bejar das Adlerholz zähmt, dann geht er beim Patchouli einen Schritt weiter: Dessen Noten werden regelrecht gezüchtigt, bis sie – frei von aller roh-sinnlichen erdschweren Süße und schon gar bar aller Muffigkeit – als schlichte Fixierung fungieren. En passant mögen sie den Duft vielleicht noch ein wenig dunkler färben; abseits dessen ist dieses Patchouli mindestens gefesselt, geknebelt und paralysiert obendrein.
In einem Interview bekannte sich Bejar zu seinem Moschus-Faible; kaum verwunderlich, dass dieses Aroma auch in seinem „Wild Oud“ eine Rolle spielt. Animalische Aspekte sind bestenfalls Behauptung; es ist die weiße, die saubere Variante des Moschus, die das inzwischen voll entwickelte, sanft nachgedunkelte und noch immer höchstens leicht gesüßte Bouquet im Schonwaschgang auflockert, um es anschließend beim Trocknen mit leichter Pudrigkeit nachzubereiten. Sehr hautschmeichelnd verharrt „Wild Oud“ dann über längere Zeit bei seinem Träger als kaum mehr zu differenzierendes, sehr weiches und aristokratisch-distinguiertes Aroma – noch immer eigenartig erfrischend und fern aller Finsternis: Gülden glimmt auf der Haut, was sonnengelb startete…
Vornehm scheint Bejart es zu mögen und sehr elegant; das gilt bislang für alle von ihm gestalteten Düfte, die ich beschnuppern konnte. „Black Cube“ überzeugt dabei zusätzlich durch den reichsten Duftverlauf, während „Sanctum Perfume“ mit eherner Kraft sein einsames, aber machtvolles Thema anstimmt. „5Elements“ besticht mit einer der spannendsten grün-floralen Noten, die mir bislang begegnet sind – und unser „Wild Oud“? Ist viel zu sophisticated, um so heißen zu dürfen. Aber wer weiß? Vielleicht ist Ironie ja Bestandteil des Konzepts. Auch die Sillage ist fern von wild, dafür aber beständig – und einem Duft dieser Klasse durchaus angemessen: Noblesse oblige.
Dass Bejar den Show-Effekt schätzt, beweist ein Blick auf seine Molvizar-Düfte: So viel BlingBling mag bei Manchem gar Zweifel am Inhalt wecken. Anders, wenn auch mindestens ebenso eindrucksvoll, geht Bejar bei dieser Duftlinie vor. Die Flakons zählen zu den schönsten, die mir je unter die Augen kamen: kantig, diamantgeschliffen, monumental groß im Verhältnis zur überschaubaren Füllmenge und schwer wie eine kleine Hantel, dazu von schwarzem Glas gerahmt, das übergangslos mit dem transparenten Teil verschmilzt. Die Schrift ist molvizar-bejar-typisch eingefräst, also auch haptisch interessant. Ist er handlich? Ganz sicher nicht – auch wenn ich mit meinen Händen das Kind schon schaukle, wenn ich mir Mühe gebe. Scheißegal – die Dinger sind Kunst! Dass sie außerdem zur Mordwaffe taugen, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Unisex ist die Parole, denn tatsächlich kann ich mir „Wild Oud“ an beiden Geschlechtern gut vorstellen. Manchem Kerl mag die Basis aufgrund ihrer leichten Pudrigkeit vielleicht etwas zu feminin erscheinen – aber gegen Pradas Infusionen (Homme wie Vetiver) verblasst dieser Einwand.
Fazit: Außen wie innen hui-est – aber (wie immer) sicher nicht jedermanns Geschmack. Angesichts des aufgerufenen Preises verbieten sich Blindkäufe ohnehin – aber allein des saugeilen Flakons wegen wird einer aus der Reihe früher oder später bei mir einziehen müssen, so hübsch die Probe auch verpackt ist…
„Wild Oud“ erscheint vielschichtiger, auch wenn der Name des Dufts auf eine völlig falsche Fährte führt: Bejar zähmt das Adlerholz, ohne es zu verstecken; stattdessen ergänzt der Pafumeur die gelegentlich etwas medizinisch-stechende Oud-Note bereits im Opening mit der zitrisch-bitteren Bergamotte. Der eigentliche Coup aber ist das Muskatöl. Seine Dominanz degradiert die Adlerholz-Spitze umstandslos zur Würze – ein unerwarteter Rollentausch insofern, als das eigentliche Gewürz – die Muskatnuss - beinahe fremd-fruchtig erscheint, während das langsam aufsteigende Oud der frischen Eröffnung einen olfaktorisch dekorativen Spinn ins Saubersüß-Glänzende (sic!) verleiht. Eine Prise nur vom zu Mehl zerstäubten Adlerholz ist es, die da als feinste Duftahnung ins Bouquet strebt, ohne um Aufmerksamkeit zu ringen.
Ist das zu kompliziert ersonnen – oder versteigt sich der Rezensent gar und bläst zu großer Kunstfertigkeit auf, was eigentlich harmlosestes Handwerk ist? Möglich, aber unwichtig – meine Nase diktiert mir diese Wahrnehmung der Kopfnote, in der übrigens bereits fast alles angelegt ist, das sich im weiteren Verlauf manifestiert.
Der Oud-Zauber gelingt nämlich nur im Verein mit der Tonka-Bohne; wer sich nun allerdings auf einen vanilligen Adlerholz-Kracher freut, wird enttäuscht werden: Es bleibt ruhig im Gebälk, und süßer wird’s nimmer. Dafür wirft ein durchaus ps-starker Vetiver den Motor an, um dann doch nur mit der Laufruhe seines erstaunlich kultivierten Antriebs zu beeindrucken. Seine Vibes sind unzweifelhaft vorhanden, aber sie begnügen sich damit, den Duft zu erden. Er dunkelt vornehm und leicht hölzern nach. Hatte eben noch die Muskatnote das Oud zivilisiert, so übernimmt nun der Vetiver diese Aufgabe. Das Duett beider Aromen ist von vollendeter Harmonie, während in der Oberstimme noch immer das Echo der zarten Muskatmelodie nachklingt.
Wenn wir davon ausgehen, dass Bejar das Adlerholz zähmt, dann geht er beim Patchouli einen Schritt weiter: Dessen Noten werden regelrecht gezüchtigt, bis sie – frei von aller roh-sinnlichen erdschweren Süße und schon gar bar aller Muffigkeit – als schlichte Fixierung fungieren. En passant mögen sie den Duft vielleicht noch ein wenig dunkler färben; abseits dessen ist dieses Patchouli mindestens gefesselt, geknebelt und paralysiert obendrein.
In einem Interview bekannte sich Bejar zu seinem Moschus-Faible; kaum verwunderlich, dass dieses Aroma auch in seinem „Wild Oud“ eine Rolle spielt. Animalische Aspekte sind bestenfalls Behauptung; es ist die weiße, die saubere Variante des Moschus, die das inzwischen voll entwickelte, sanft nachgedunkelte und noch immer höchstens leicht gesüßte Bouquet im Schonwaschgang auflockert, um es anschließend beim Trocknen mit leichter Pudrigkeit nachzubereiten. Sehr hautschmeichelnd verharrt „Wild Oud“ dann über längere Zeit bei seinem Träger als kaum mehr zu differenzierendes, sehr weiches und aristokratisch-distinguiertes Aroma – noch immer eigenartig erfrischend und fern aller Finsternis: Gülden glimmt auf der Haut, was sonnengelb startete…
Vornehm scheint Bejart es zu mögen und sehr elegant; das gilt bislang für alle von ihm gestalteten Düfte, die ich beschnuppern konnte. „Black Cube“ überzeugt dabei zusätzlich durch den reichsten Duftverlauf, während „Sanctum Perfume“ mit eherner Kraft sein einsames, aber machtvolles Thema anstimmt. „5Elements“ besticht mit einer der spannendsten grün-floralen Noten, die mir bislang begegnet sind – und unser „Wild Oud“? Ist viel zu sophisticated, um so heißen zu dürfen. Aber wer weiß? Vielleicht ist Ironie ja Bestandteil des Konzepts. Auch die Sillage ist fern von wild, dafür aber beständig – und einem Duft dieser Klasse durchaus angemessen: Noblesse oblige.
Dass Bejar den Show-Effekt schätzt, beweist ein Blick auf seine Molvizar-Düfte: So viel BlingBling mag bei Manchem gar Zweifel am Inhalt wecken. Anders, wenn auch mindestens ebenso eindrucksvoll, geht Bejar bei dieser Duftlinie vor. Die Flakons zählen zu den schönsten, die mir je unter die Augen kamen: kantig, diamantgeschliffen, monumental groß im Verhältnis zur überschaubaren Füllmenge und schwer wie eine kleine Hantel, dazu von schwarzem Glas gerahmt, das übergangslos mit dem transparenten Teil verschmilzt. Die Schrift ist molvizar-bejar-typisch eingefräst, also auch haptisch interessant. Ist er handlich? Ganz sicher nicht – auch wenn ich mit meinen Händen das Kind schon schaukle, wenn ich mir Mühe gebe. Scheißegal – die Dinger sind Kunst! Dass sie außerdem zur Mordwaffe taugen, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Unisex ist die Parole, denn tatsächlich kann ich mir „Wild Oud“ an beiden Geschlechtern gut vorstellen. Manchem Kerl mag die Basis aufgrund ihrer leichten Pudrigkeit vielleicht etwas zu feminin erscheinen – aber gegen Pradas Infusionen (Homme wie Vetiver) verblasst dieser Einwand.
Fazit: Außen wie innen hui-est – aber (wie immer) sicher nicht jedermanns Geschmack. Angesichts des aufgerufenen Preises verbieten sich Blindkäufe ohnehin – aber allein des saugeilen Flakons wegen wird einer aus der Reihe früher oder später bei mir einziehen müssen, so hübsch die Probe auch verpackt ist…
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