Candila
Top Rezension
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Freudentaumel, zweiter Teil
Ich kann in Anguas Freudentaumel nur einstimmen. Dieser Duft hat mich überrascht. Ich hab nicht viel erwartet, aber so viel gekriegt.
Eigentlich mag ich Lindenblüten nicht unbedingt, und eigentlich sind leise und relativ hautnahe Düfte nicht unbedingt mein Beuteschema, und eigentlich erwartete ich von diesem Duft nicht allzu viel….und nun ist das Uneigentliche eingetreten: Ich finde kaum Worte für die Schönheit dieses Duftes.
Laura Tonatto beschreibt den Duft als Kindheitserinnerung, als Spaziergang unter blühenden Linden, zwischen Teppichen aus Glockenblumen, Veilchen und Anemonen, als die Melange dieser Aromen mit einem pudrigen Moschusfinish. Und sie kategorisiert ihn mit blumig Chypre.
Für mich zeigt sich Madeleine in den ersten Minuten mit kräftigem, saftigem, fröhlich-frischem Orangen- und Mandarinenaroma, das bereits in den ersten Minuten weich abgerundet erscheint - wie durch einen Weichzeichner gerochen.
Während ich noch verzückt dieser frischen Zitrusweichheit nachschnuppere, passiert pure Magie:
Die Lindenblüten blühen auf, vermischen sich mit der Frische der Zitrusnoten und mit traumhaft schönem, sauberem, cremig-weichem Moschus und erzeugen einen Duftcharakter, der für mich der Inbegriff von Weichheit ist. Eine sanft-aromatische, zart-süße, frisch-cremig-pudrige Wolke.
Die Lindenblüten sind leichter, unaufdringlicher und überhaupt „anders“, als ich sie in Lindenblütendüften bisher angetroffen habe. Da ist weder etwas übermäßig Süßes, nichts Herbes, keine grünen Nuancen, gar nichts „Stechendes“ oder Schweres und auch nichts von dieser süßlichen, lauwarmen Wärme, die mich bei anderen Düften schnell mal an Lindenblütentee denken lässt. Entweder es handelt sich hier um eine andere Sorte an Lindenblüten oder sie wurden völlig andersartig und neu kombiniert oder Laura Tonatto ist ein Genie… wahrscheinlich treffen alle drei Punkte hier zu.
Jedenfalls merke ich die Lindenblüten „nur“ als Dufthauch. Ich rieche nicht direkt an den Blüten, sondern merke den authentischen Duft nach Sommer, wenn die Luft von Lindenblüten geschwängert ist und ein warmes, frisches Lüftchen diesen Dufthauch heranträgt.
Luftig, unaufdringlich, angenehm kuschlig süß, aber eine Süße, die sich nicht greifen lässt, sondern subtil mitschwingt, wie ein kleiner Tropfen ganz heller Honig, der in eine Creme gemischt wurde.
Die Hauptrolle spielt an mir diese Creme, eine sehr pudrige, plüschige Moschuscreme, die so hell und weich ist, dass sie einen Touch vanillig wirkt (oder es ist ein Hauch Vanille im Duft vorhanden). Diese traumhaft pudrige Moschuscreme wurde außerdem mit hellen floralen, frischen und zitrischen Aromen aufgefrischt. Ich rieche keine Blumen einzeln heraus, aber ich weiß, dass welche vorhanden sein müssen. Der Duft ist so viel mehr als Moschus und Lindenblüten.
Ein zarter, frisch-süßer Duft. Und ein einfach wirkender Duft, der im Endeffekt vielleicht gar nicht so einfach ist. Kann sein, dass der wesentlich komplexer aufgebaut ist, um diesen Eindruck von Unbeschwertheit und Einfachheit so lange zu halten.
Madeleine ist für meine Nase kein besonders anspruchsvoller Duft; ich würde ihn auch nicht als elegant oder als Ausgehduft bezeichnen.
Mir liefert er ein Duftbild von „heiler Welt“, von vagen Kindheitserinnerungen an unbeschwerte Sommertage, an eine Zeit, in der die Sommermonate mit dem Gefühl von unbeschwerter Freiheit schier endlos andauerten.
Trotz der Zartheit überraschend gute Haltbarkeit; an die 6 Stunden ist er für mich gut vernehmbar. Die Duftprojektion ist unaufdringlich, aber präsent genug, um andere näher rücken und "Was riecht denn hier so gut" fragen zu lassen.