Serenissima
Top Rezension
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Côte d'Azur im Lesegarten
Ein Spaziergang in die Leihbücherei wurde plötzlich zu einem Kurzurlaub an der Côte d'Azur.
"Lesefutter" muss sein und nachdem ich mich mit Nachschub versorgt hatte, setzte ich mich in den kleinen "Lesegarten" auf der Rückseite der Stadtbücherei.
Bis vor fünf, sechs Jahren bestand dieser Teil des Grundstücks nur aus einem unschönen Plattenweg und einer wildbewachsenen Böschung. Trotz der beiden großen Fenstertüren zog es niemanden dorthin.
Dann ernannte eine pflanzenliebende Rentnerin dieses Stück Land zu ihrem Garten: seitdem ist dort ein Ruhepunkt im städtischen Getriebe entstanden.
Kletterpflanzen haben sich an der Böschung niedergelassen, Küchenkräuter und anderes Grünzeug aromatisiert fein die Luft. Große Kübel und kleine Blumentöpfe beherrbergen Blütenwesen, in einer geschützten Ecke wohnen Bambus und einige Orchideen in ihren Töpfen.
Tische und Stühle laden zum Verweilen ein; häufig sitzen dort auch Studenten mitten in ihren Unterlagen.
Auch viele Menschen, die regelmäßig die Tageszeitungen und sonstigen Druckerzeugnisse - bis hin zur "Yellow Press" - lesen, fanden inzwischen ihren Platz in dieser schönen Idylle.
Erstaunlicherweise wird dort sogar das überall herrschende Handy-Verbot eingehalten!
(Von einem Notarzteinsatz wegen Entzugserscheinungen ist mir jedenfalls bisher noch nichts zu Ohren gekommen.)
Bekanntlich bin ich ja sehr "kommunikativ" (man kann es auch gesprächig nennen) und so traf ich auf eine Frau, mit der ich schon manche Zeit dort verschwatzte. Wir freuen uns immer, wenn wir uns treffen: denn Zeit haben wir ja zwischen all den Büchern und Pflanzen.
Und wenn wir nur über die "Neuerscheinungen" in beiden Bereichen sprechen.
Ich staunte aber doch sehr, als sie mich heranwinkte und sagte, sie habe auf mich gewartet, denn sie wolle mir etwas zeigen. Hm! Was konnte das wohl sein?
Aus ihrer Sommerrock-Tasche zauberte sie ein mir wohlbekanntes Fläschchen: eine Freundin hatte ihr Frau Tonis Parfum "N° 44 Feige" in der neuen Version geschenkt.
Da wir auch über Parfumo und der hier zugrundeliegenden Leidenschaft für Düfte sprachen, war sie stolz auf dieses Geschenk und besprühte mich großzügig damit.
Oh, welch ein Ausblick eröffnete sich mir in unserem kleinen Lesegarten: weites blaues Meer, Sonne, Schattenspiele vieler gefingerter Feigenblätter auf gepflegten Wegen, ganz viel Grün und herrliche Zedern!
Nachdem meine eigene Feigen-Pflanze aus Mangel an einem größeren Topf (wo hätte der auf dem Balkon wohl auch Platz gefunden?) ausreisen musste, habe ich dieses belebende Grün nur noch in unserem Botanischen Garten erlebt.
Dort stehen Feigensträucher in aufgemauerten Rondellen, die von einer Holzbank umrundet sind.
So gibt es das sinnliche Erleben von Sonnen, Schatten, Blattgrün und Früchten auch in Berlin-Dahlem: satt und mit dem beruhigenden Klicken der Rasensprenger im Hintergrund.
Wobei die grüne, unreife Frucht immer noch frischer und herber duftet, als die, die zum Reinbeißen einlädt.
Denn diese, sowie die Feigenblätter und anderes Laub bilden die Grundlage dieses Duftgemäldes aus dem Süden.
Dazu passt natürlich das holzige Aroma der sonnenbeschienenen Zedern; eine fruchtig grüne Würze umgibt mich.
Ein wenig trübt die Tonkabohne meine Sommerfreude: ohne sie wäre ich glücklicher!
Denn auch jetzt noch, nach mehreren Stunden, fühlt sie sich an, wie ein ungebetener Gast - schade!
Dieses herrliche Grün am Rande des Mittelmeeres, wäre (nach meinem Gefühl) ohne dieses Aroma ein zauberhafter Begleiter durch einen südlichen Sommertag.
Das ist allerdings eine ganz persönliche Empfindung: Tonkabohnen und ich, wir sind höchst selten "Best Buddies". So kann ich mir vorstellen, dass diese "N° 44" von Frau Tonis Parfum viele Liebhaber finden wird.
Wer es sommerlich würzig mit grüner Frische mag, kann sich auf einen treuen Begleiter freuen.
Denn bei mir entwickelt sich der Duftverlauf nicht rasend schnell; deshalb ist die Haltbarkeit für einen charmanten Sommerfreund auch angemessen.
Obwohl ich es bei diesem einmaligen und ausgiebigen Duftbad in Frau Tonis Feige belassen werde, freue ich mich doch, so eine freundlich-beschwingte Bekanntschaft gemacht zu haben.
Eine Empfehlung für Tonkabohnen-Freunde ist diese sommerlicher Kreation auf jeden Fall.
Dieser Kurztrip aus Duft bietet sich an!