Drakkar Noir (Eau de Toilette) von Guy Laroche

Drakkar Noir 1982 Eau de Toilette

Siebenkäs
30.11.2017 - 13:57 Uhr
30
Top Rezension
7.5Duft 7Haltbarkeit 7Sillage 8Flakon

Sisters.

Genau zehn Tage war es jetzt her,
seit sie aus Bramsche abgehauen war.
Kaum zu glauben.
Nur zehn Tage sollten vergangen sein, seit sie hier
im Frauenhaus angekommen war?
Sie stand vor dem Waschbecken und schaute in den Spiegel.

"Now there was a time when they used to say
that behind every great man there had to be
a great woman..." klang es aus dem Kassettenrekorder.

Sie nahm den Flakon in die Hand. Drakkar Noir.
Laura hatte es ihr geschenkt.
Seltsam.
Ausgerechnet dieses Parfum
Sie trat näher an den Spiegel.
Sie verzog ihr Gesicht, so dass die Hautpartie unter Ihrer Nase
ganz straff wurde.
So hatte es ihr Vater immer gemacht, beim Rasieren.
Und danach hatte er Drakkar Noir in seine Hände
geschüttet und es sich auf sein Gesicht geklatscht.
So gerne hatte sie ihm beim Rasieren zugesehen,
die Bewegungen seines Gesichts mitgemacht,
ihn dabei irgendwie beneidet.

Dieser frische, raue, herbe Rasiergeruch.
Wie das breite, unverschämte Grinsen
eines Gebrauchtwagenhändlers. Selbstbewusst.
Schulterklopfig. In die Rippen stoßend. Unverfroren.
Also genau richtig, um es sich einfach zu holen.
Ohne zu fragen. Laura hatte es getan.
Genau wie viele andere.

Sie spürte den Flakon in Ihrer Hand.
Wie ein Schmuckstück fühlte er sich an, irgendwie samtig.
Aber auch wie ein Stein, bereit geworfen zu werden.

"Woman to woman - we're singin' with you..."

Sie musste an Lauras Haarfarbe denken.
Und an den sanften Knick in ihrer Nase, der ihr
so etwas melancholisches gab.
Ihr wurde ganz warm.

Drakkar blieb nicht so.
Es ging ja auch nicht darum, Mann zu spielen.
Zu spielen sowieso nicht.
Es ging um Weiblichkeit.
Nicht die, die von Männern definiert wurde.
Sondern die, die keine Definition brauchte.

Drakkar wusste das irgendwie.
Es spielte mit.
Denn bald wurde es ganz weich, anschmiegsam, sexy.
Da war was von Hexenkräutern, ein Geheimnis,
freundlich, aber machtvoll.
Eine gewisse Bitternis, die das Süße erst verführerisch machte.
Wie die Berührung weiblicher Lippen auf zarter Haut.
Weiblicher Haut.

"...the inferior sex got a new exterior..." sangen Aretha und Annie.

Am Ende gab Drakkar eine Art Ruhe.
Eine Ruhe, die aus einem edlen, feinen Holz geschnitzt schien.
Ein Holz, wie geschaffen, um Särge daraus zu machen.
Särge für das, was Männer über Jahrhunderte
für selbstverständlich gehalten hatten.

Irgendwo in ihrem Innersten wusste sie,
dass sie Bramsche moch eine Zeit lang mit sich
rumschleppen würde.
Aber es würde vergehen. Die Zeiten änderten sich.
Das neue Jahrtausend war nicht mehr so weit.

Einem Sonnenstrahl gelang es, durch das kleine Fenster
einzudringen, er fiel in den hinteren Teil des Zimmers
auf ihre wenigen Habseligkeiten.

Sie ging zum Rekorder und drehte ihn noch lauter.

"...Sisters...", sang sie mit, -
"...sisters are doin' it for themself!"

14 Antworten
JackoJacko vor 4 Jahren
Beeindruckend. Sehr schöne Charakterisierung, für was der Duft auch stand.
ToppineToppine vor 5 Jahren
Aus Prosa wird während des Lesens Poesie......auch nach 3 Jahren noch wunderschön...:-) Bist du Schriftsteller?
FvSpeeFvSpee vor 8 Jahren
Der Duft, den ich zufällig heute erstmals (seit den 80-ern) getestet habe (ohne deinen Kommentar zu kennen) weckt vage-wehmütige Erinnerungen an diese Zeit, wirkt aber auf mich zwar nett, aber letztlich eher kraftlos und sehr naja, sodass ich ihn mit 7,5 für sehr fair bewertet halte. Anders als dein Kommentar, der wirklich groß ist!
DOCBEDOCBE vor 8 Jahren
Ich schätze Kommentare, für die man sich Zeit nehmen muss zum reflektieren :-)
VerbenaVerbena vor 8 Jahren
3
Deine Kommentare sind eine Klasse für sich, eine große.
StulleStulle vor 8 Jahren
Bramsche. Wow. Da muss man wohl mal nicht gewesen sein....?
Kurzfilmreifer Kommentar, danke dafür!
AzaharAzahar vor 8 Jahren
Darauf einen Pokal voll Hexenkräutersuppe!
ExUserExUser vor 8 Jahren
Aus Bramsche wäre ich auch geflohen, mit oder ohne den ollen Winkinger unterm Arm. Mich erinnert er immer an einen Liebeskummer, dem ich nicht so schnell entfliehen konnte.
FlirtyFlowerFlirtyFlower vor 8 Jahren
1
Sehr metaphorisch geschrieben. Pokal dafür
ParmaParma vor 8 Jahren
Wahnsinn, was für ein geiler Kommentar!! :) Deine Duftbeschreibungen sind kreative Kunstwerke!! Ich lese sie so gern :) Und könnt mich ins Knie schießen, dass ich vor kurzem einem alten Probenfläschchen, weil es den Anflug hatte, gekippt zu sein, keine zweite Chance mehr gab und es entsorgte :(
JumiJumi vor 8 Jahren
Du kannst Spannung aufbauen! Ich habe beim Lesen den Atem angehalten... Der Duft ist an mir leider vorbeigegangen. Das lässt sich nachholen!
KovexKovex vor 8 Jahren
Immer noch ein toller Duft und ein MEGA- Kommentar dazu! :)))
ClarasTanteClarasTante vor 8 Jahren
Ringed my bell. Pokal.
YataganYatagan vor 8 Jahren
Eurythmics... Gut! Gerade dieses Lied! Der Duft ist groß gewesen, jetzt nur noch gut - reformuliert wie so viele. Gerade habe ich einen Artikel der Herrnhuter Missionshilfe zu einem Frauenhaus in Afrika gelesen. Ich wage mir nicht vorzustellen...