02.03.2018 - 17:59 Uhr
Parma
260 Rezensionen
Parma
Top Rezension
32
Erwachsene Intimität
Intro:
Schlaftrunken reibt sie sich die Augen. Gerade aufgewacht blinzelt sie dich an, rekelt sich sanft und lächelt verträumt, schmiegt sich an dich und du spürst ihre Haut an deiner. Du atmest ihren Schlafduft ein und ein tiefes Glücksgefühl durchflutet dich. Du fühlst dich auf leicht aufregende Weise geborgen und geliebt.Das in etwa löst dieser Duft in mir aus. Lange Zeit war er ein Mysterium für mich. Kaum präsent, in Geschäften nicht gesehen, aber die Reduziertheit des Flakons und der puristische Name übten seit dem ersten Blick eine besondere Faszination auf mich aus.
Duftverlauf:
Der Duft startet mit einer deutlich sanftholzig unterlegten leicht anzüglich pudrigen Note, bei der gleichzeitig eine frisch-saubere, weich-seifige Nuance (Lavendel und Rosmarin) mitschwingt. Ein sehr faszinierender Mix. Die frische Lavendel-Note verschwindet recht schnell und im weiteren Verlauf wandelt sich die Pudrigkeit immer mehr in eine ganz feine, nie überbordende und nur minimal angesüßte heliotrop-fluffige, vanillige Cremigkeit, bei der die Holzuntermalung stets aufrecht erhalten bleibt. Für mich wirkt der Duft dadurch unheimlich erwachsen, selbstverständlich, gepflegt und gleichzeitig auch sehr intim, erotisch und dicht.
Hier ist alles klar, nichts Überflüssiges stört den Eindruck. Über den gesamten Verlauf ist es ein linearer Duft, der sich nur in Nuancen weiterentwickelt. Zu Beginn steht das holzig-pudrige im Vordergrund, später das vanillig-holzige. Daher ist auch der Verzicht auf eine klassische Duftpyramide nachvollziehbar. Die Anmutung ist hochwertig, es stört keine Künstlichkeit und jeder Bestandteil fügt sich sehr harmonisch in die Gesamtkomposition ein.
Haltbarkeit und Sillage:
Auf meiner Haut hält sich der Duft etwa 3 Stunden gut wahrnehmbar, was für ein Cologne erwartbar ist. Danach ist er noch etwa 3 - 4 Stunden leicht zu vernehmen. Die Projektion ist insgesamt sehr zurückhaltend und abgesehen von den ersten 30 Minuten etwa ist er ein reiner Hautduft.Flakon:
Die minimalistische und puristische Aufmachung des Flakons entspricht Langs Auffassung von Mode und Design. Mir gefällt sie sehr. Den Flakon gibt es übrigens nur in der 100ml-Version und er liegt mit einem Preis von 160 € im eher hochpreisigen Segment.Fazit:
Mit dem Eau de Cologne ist Helmut Lang bzw. dem Parfumeur Maurice Roucel ein ungewöhnliches Eau de Cologne gelungen, da es keinerlei Zitrik aufweist und nicht klassisch frisch ist, sondern auch orientalische Anleihen aufweist. Es ist ein puristischer, pudrig-vanilliger Duft, sanftholzig unterlegt, sauber und eine besondere, erwachsene Intimität und Erotik ausstrahlend, die ich so bisher noch bei keinem Duft verspürt habe. Er ist von der Richtung her z.B. mit dem Boy von Chanel vergleichbar, allerdings hat der Lang eine unterschwellige Anzüglichkeit, die dem Boy fehlt. Wie in Langs Mode gibt es hier eine Konzentration auf das Wesentliche. Understated und voller Qualität. Ein Duft für eine reife, in sich ruhende Persönlichkeit, egal welchen Alters. Auch an einer Frau sehr gut vorstellbar. Zu allen Jahreszeiten gut tragbar, aufgrund seines leicht warmen Charakters ebenso in den kühlen wie aufgrund seiner Leichtigkeit und Zurückhaltung auch in den wärmeren. Ein sehr persönlicher Duft, mit Sicherheit kein Crowdpleaser, sondern zum stillen Genuss seines Trägers geschaffen. Zurecht wieder aufgelegt.
Einen Vergleich zur Urversion findet man bei Interesse in meinem entsprechenden Kommentar und in einigen der unten stehenden.
Hintergrundinfo:
Der Österreicher Helmut Lang gründete 1986 sein Modelabel und setzte ähnlich wie Jil Sander auf Minimalismus und Purismus. Sein Spruch, „Alles, was nicht richtig ist, muss weg“, symbolisiert das treffend. In einer Zeit der grellen Farben, monströsen Schulterpolster, vielfältigen Applikationen und anderen modischen Ausschweifungen war seine Mode für manche sicher eine Erholung für Geist und Auge.Im Jahre 2005 verkaufte er sein Unternehmen an die Prada-Gruppe, übrigens genauso wie Jil Sander. Im Gegensatz zu ihr kehrte er aber nie wieder in das Unternehmen zurück, sondern zog sich nach Long Island zurück – wo er das angeblich schönste Haus der Insel bewohnt - und sich fortan nur noch der bildenden Kunst und v.a. dem Skulpturenbau widmete.
Noch unter seiner Ägide wurden 2 Herrendüfte, 2 Damendüfte und ein Unisexduft lanciert: „Eau de Cologne“ und „Cuiron“, „Eau de Parfum“ und „Parfum“, sowie „Velviona“. Nach dem Ausscheiden Langs wurden auch die Düfte eingestellt. Schon bei Erscheinen lösten sie unter seinen Fans einen großen Hype aus, der sich nach der Einstellung noch vergrößerte. Als abzusehen war, dass sich die restlichen Bestände dem Ende näherten, wurden die Düfte zu Mondpreisen gehandelt, selbst leere Flakons. Auf großen Druck seiner Fans legte die Marke, inzwischen von Prada an ein japanisches Unternehmen verkauft, die drei Düfte „Eau de Cologne“, „Eau de Parfum“ und „Cuiron“ wieder auf, diesmal als Unisexdüfte und mit angeblich gleichem Charakter wie dem der Originale. Beteiligt waren wiederum die gleichen Parfumeure wie damals, Maurice Roucel (EdC, EdP) und Francoise Caron (Cuiron).
Helmut Lang gab den Ursprungs-Duft aus dem Jahr 2000 wohl mit der Vorgabe in Auftrag, den Duft seines Freundes und Liebhabers nachzustellen, den dieser nach einer Nacht auf einem frischen Bettlaken hinterließ. Er muss mit dem Ergebnis sehr zufrieden gewesen sein, denn trotzt schwacher Vortestreaktionen und Ratgebern, die ihn aufgrund dessen zu einer Änderung des Duftes drängten, setzte er die Produktion durch. Diese Unbeirrbarkeit und Unabhängigkeit macht mir Helmut Lang sehr sympathisch, abgesehen davon, dass er ein angenehm zurückgenommener, reflektierter und gleichzeitig straighter Mann ohne Manierismen ist.
14 Antworten