09.03.2018 - 13:43 Uhr
Parma
260 Rezensionen
Parma
Top Rezension
22
Bauhaus-Sideboard
Intro:
Du betrittst einen Raum, in dem nur ein Sideboard steht. Dein Blick wird sofort gefangen genommen von seiner Klarheit, seiner schlichten, aber fundierten Eleganz und vollendeten funktionalen Schönheit. Ein Bauhaus-Sideboard aus Teakholz, unbehandelt. Du lässt dieses Bild auf dich wirken und merkst, dass du ganz ruhig wirst, nichts lenkt dich ab. Gleichzeitig vermisst du aber auch nichts. Dieses Sideboard steht dort und wirkt. Es füllt den Raum…. Nach einer gewissen Zeit wünscht du dir aber dann doch wenigstens einen Stuhl oder eine Lampe dazu ;)
Dieser Duft ist wie ein solches Sideboard. Minimalistisch, aber gerade dadurch wirkend. Konzentriert, aber Raum gebend und gleichzeitig einnehmend, ohne zu vereinnahmen. Er ist da und bietet seine Schönheit, Klarheit und Eleganz an, aber biedert sich nicht an. Wenn nicht, dann nicht. Wenn ja, dann wirst du stilvoll, zurückhaltend und wie selbstverständlich begleitet. Mir fehlt auf Dauer aber eine zusätzliche Nuance, die den Duft etwas auflockern bzw. komplexer machen würde.
Duftverlauf:
Cuiron eröffnet ganz kurz hesperidisch geprägt mit einer Mischung aus frisch-bitterer Zitrizität und einer runden, mandarinigen Note. Das ist ein frischer, interessanter und feiner Auftakt, der nach etwa einer halben Minute fast vollständig verschwindet und Platz für eine trockene Gewürz-Holz-Mischung (Pfeffer-Holz) macht, die mich zusammen mit den Ausläufern der hesperidischen Nuance und einer minimal herben Süße (Zimt) kurzzeitig an die faszinierende Note in Jil Sanders Man Pure erinnert. Leider hält sich dieser Beginn nicht lange und der Duft wird schnell recht eindimensional, wenn auch fein und hochwertig ausgerichtet. Im weiteren Verlauf gesellt sich noch schleichend eine sehr dezente, feine und durchlässige Wildledernote dazu, die dann mit einer ebenfalls sehr zurückhaltenden harzig-bitteren Nuance unterlegt wird, welches dem Duft eine herbe Wärme und Intimität gibt, ihm aber keine zusätzliche Spannung mehr verleihen kann. Die trockene Holz-Gewürznote bleibt immer dominant. Der Gesamteindruck zum Ende ist feinholzig-trocken mit leichtem Wildledereinschlag, dabei weder hart noch weich, weder hell noch dunkel und wirkt zeitlos, vornehm, puristisch, selbstverständlich, angenehm zurückhaltend und etwas humorlos, allerdings ohne übermäßig streng zu wirken.
Haltbarkeit und Sillage:
Auf meiner Haut ist der Duft etwa 4-5 Stunden gut wahrnehmbar, was für ein EdC annehmbar ist. Ich nehme an, dass es ein EdC ist, zumindest war das Original so eingeordnet. Die Abstrahlung ist in der ersten Stunde solide und zieht sich danach recht schnell auf Hautnähe zurück.Flakon:
Die Schlichtheit sowohl des Glases, als auch des Aufdrucks gefällt mir sehr und korreliert mit dem Charakter des Duftes wie auch mit der Mode Helmut Langs unter seiner Ägide*.Fazit:
Der Cuiron ist ein klarer, bauhaushafter Holz-Lederduft mit einem unglaublich schönen, komplex-feinen Auftakt, der sich im Verlauf zu einem recht eindimensionalen, aber sehr hochwertigen, durchscheinend trockenen Holz-Wildlederduft entwickelt. Gepflegt, elegant, zurückgenommenen, ohne Schnörkel, intim, konzentriert. Lediglich die recht schwache Haltbarkeit trübt den Eindruck etwas. Tragbar durch sein Understatement das ganze Jahr über. Für mich ein reiner Herrenduft. Wie auch das Eau de Cologne aus dem gleichen Haus zu Recht wieder aufgelegt.Hintergrundinfo:
Zur Vita Helmut Langs habe ich in meinem vorangegangenen Kommentar zum Eau de Cologne etwas ausführlicher geschrieben. Dieser Duft war ursprünglich der letzte von nur fünf erschienenen Helmut Lang-Düften. Er wurde 2002 unter der Bezeichnung „Cuiron pour Homme“ als EdC lanciert und schon 2005, nach dem freiwilligen Ausscheiden Helmut Langs aus seiner Firma, eingestellt. Auf Druck seiner Fans wurde er 2014 wieder aufgelegt. Die Zutaten stimmen zum großen Teil mit denen des Ursprungsdufts überein, weshalb der Duftcharakter ähnlich sein soll. Dazu ist in den vorhergehenden Kommentaren auch nachzulesen.
Kreiert hat diesen Duft die französische Parfumeurin Francoise Caron, die ebenfalls für den Entwurf des Originals verantwortlich war. Sie ist z.B. durch die Kreation eines meiner Lieblingsdüfte, dem „Eau de Cologne“ von Hermes, Vorgänger des "Eau d'Orange Verte", bekannt. Das war übrigens auch der Grund, warum ich den Cuiron auf der Merkliste hatte.
*Die heutigen Kollektion, die unter dem Namen Helmut Lang laufen, haben im Prinzip nichts mehr mit der Grundidee des Purismus und Minimalismus der Langschen Mode bis 2005 zu tun.
14 Antworten