Bath & Beauty 1981

Version von 1981
Salander
29.04.2018 - 09:47 Uhr
31
Top Rezension
7
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Legends never die

Es war einmal ein kleines Mädchen namens Heidemarie Jiline Sander, das an einem kalten Novembertag in 1943 in Hedwigenkoog an der Nordsee das Licht der Welt erblickte. Niemand ahnte, dass dieses niedliche zarte blonde Geschöpf irgendwann die Modewelt auf den Kopf stellen würde.

Schon als Kleinkind hatte sie eine große Affinität zu Hosen, wohlgemerkt in einer Zeit, in der Mädchen "obligatorisch" Kleidchen trugen. Ästhetik spielte in ihrem Leben eine immer größer werdende Rolle. Nach ihren beruflichen Anfängen bei verschiedenen Modezeitschriften fiel jemandem auf, dass sie bei Fotoshootings den Herstellern erklärte, wie sie sich die Kleidung vorstellte, damit sie diese für Magazine besser fotografieren lassen kann. Daraufhin hat die Faserfirma Trevira gefragt, ob sie Lust hätte, eine Kollektion zu entwerfen. Dies war der Beginn ihrer Karriere als Modedesignerin. Sie machte sich bald selbständig und eröffnete in 1968 ihre inzwischen legendäre Modeboutique in der Hamburger Milchstraße. Sie war äußerst kreativ, genau, veränderte Strukturen, experimentierte mit Hightech-Stoffen, die nicht knitterten, nicht kratzten, leichter waren. In 1975 gab es dann die erste Jil-Sander-Schau in Paris. Die coolen Teile definierten eine neue "clean chic"-Linine, irritierten das Publikum, wurden aber gleichzeitig von vielen bejubelt. Innovation setzt sich gewöhnlich nicht über Nacht durch. Die architektonische Ästhetik von Jil Sander war einfach viele Jahre ihrer Zeit voraus.1976 schaffte sie dann mit dem sogenannten Zwiebel-Look, der aus vielen miteinander kombinierbaren Einzelteilen und aus hochwertigen Materialien bestand, den internationalen Durchbruch.

Drei Jahre später erweiterte Jil Sander mit Lancaster ihre Produktpalette um die Duft- und Pflegeserie Jil Sander Woman Pure. Es folgten einige Düfte, die Parfümgeschichte schrieben und viele Liebhaberinnen fanden, so wie Sun, No. 4 aber auch Bad & Beauty.

Bad & Beauty war eigentlich eine Serie, die unter anderem Cream Bath, Shower Balm, Beauty Soap und Body Milk beinhaltete. Nichts davon habe ich damals gekauft oder getestet. Ich war viel zu jung, fühlte mich weder von ihrem zarten blonden Konterfei in der Werbung angesprochen, noch gehörte ich zu Ihrer Zielgruppe von wohlhabenden Frauen, souverän und mitten im Leben, häufig geschäftlich unterwegs. Ich lernte aber irgendwann Sun kennen und lieben, Scent 79, Sensations, Jil und Style. Die Welt von Jil Sander erschien mir interessant und ich kaufte mir im vergangenen Jahr blind einen Vintage-Flakon Bath & Beauty Eau de Toilette.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, ein Duft ebenso. All die Beschreibungen, die Duftnoten haben mir nur wage vermittelt, was mich erwarten würde. Denn diese Duft ist für mich eine Studie zu No. 4, der Jahre später lanciert wurde, bzw. eine deutlich leichtere, verspieltere Variante. Die beiden "Schwestern" sind keine Zwillinge aber wo - obwohl absolut Präsent - ein Bad & Beauty aufschäumende Reinheit und Badespaß ins Spiel bringt, ist No. 4 eine selbstbewusste Frau im Hosenanzug. Im Auftakt lässt Jil Sander die Aldehyde tanzen, wodurch Bath & Beauty im ersten Moment androgyn erscheint. Ich kann danach Ingwer (nicht gelistet) erkennen, Koriander, moderaten Honig, einige herbe und angenehme Blüten die von Ylang-Ylang "versüßt", von Iris gezähmt werden. Ein klassischer Sauberduft ist B&B nicht, trotzdem umhüllt mich ein frisch gebadet Gefühl, das Stunden bleibt.

Dezent definiere ich gewöhnlich ganz andere Düfte, trotzdem hat Bath & Beauty etwas Zurückhaltendes. Ich nehme häufig einige Sprühstöße, wenn ich mich einfach nur für mich parfümieren möchte. Er ist stark, nicht im Sinne der Sillage, vielmehr hat der Duft eine gewisse Haltung. Feminin muss schließlich nicht immer sexy sein. Ausstrahlung, Charakter und Erscheinungsbild machen viel mehr von unserer Weiblichkeit aus. Eine selbstbewusste, unabhängige, moderne Frau kann, bzw. konnte Bad & Beauty perfekt in Szene setzen. Und umgekehrt. Dies wird auch der Grund sein, weshalb viele der Kundinnen von Jil Sander diese Aura heute noch herbeisehnen.

Aber wie sagte es Konfuzius 500 Jahre vor Christus in einem ganz anderen Zusammenhang schon sehr treffend: "Leuchtende Tage. Nicht weinen, dass sie vorüber. Lächeln, dass sie gewesen".

(Quellenangaben: Welt – Iconist: „Mode hat nicht denselben Stellenwert wie früher“// Wikipedia - Jil Sander // BR Fernsehen – „Mein Leben" // Ausstellung „Präsens“ - Frankfurt)
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