12.04.2013 - 13:50 Uhr
Yatagan
395 Rezensionen
Yatagan
Top Rezension
49
Radio Moskau
Mein Vater hörte regelmäßig Radio Moskau. Mein Vater war kein Kommunist, war kein Spion der Sowjetunion, war nicht mal Sozialdemokrat, sondern gemäßigt konservativ. Mein Vater aus dem Volk der Täter war einfach auch ein Opfer der Kriegszeit, gerade 18 Jahren alt geworden als letzte Reserve in den Krieg geschickt, nach wenigen Monaten an der Front in Russland in Gefangenschaft geraten - und hatte dort das Glück, dass ein russischer Offizier einen jungen Mann suchte, von dem er die deutsche Sprache lernen konnte. Im Gegenzug lernte mein Vater von diesem Offizier Russisch, so dass er die Sprache recht gut verstehen und sprechen konnte. Damit war er ein Exot in der so genannten BRD der 60er, als ich schließlich auf die Welt kam.
Mein Geburtsjahr (1967) ist auch das Geburtsjahr von Russisch Leder. Uns verbindet also einiges. Und so lange ich mich erinnern kann, stand in unserem Bad eine Flasche Rasierwasser der Sorte Russisch Leder von Farina Gegenüber, stets ein Geschenk einer aus Köln stammenden Tante, die immer für Nachschub dieses Kölnisch Wassers sorgte. Vermutlich war es der erste Duft, den ich bewusst wahrnahm, sicher aber der erste mir bekannte Herrenduft.
Ehrensache, dass ich eine neue Flasche Russisch Leder brauchte, als Farina Gegenüber (vollständig und korrekt: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH; das ist doch mal ein Markenname!) wieder auferstand und auch sein Herrenwasser Russisch Leder wieder neu lancierte, leider in einer neuen Flasche, die zwar elegant und schlicht ist, die aber natürlich nicht mit dem Originalflakon in Opalglas mithalten kann, der hier auf Parfumo sinnigerweise abgebildet ist. Ein Kunstobjekt des Warendesigns der 60er. Aus eben diesem Grund habe ich - aus nostalgischen Erwägungen - vor Jahren schon einen gebrauchten Originalflakon erstanden, dessen Inhalt zwar nicht mehr ganz authentisch riecht, der als Erinnerungsstück aber allemal besser taugt als die neue, gefällig klare Flasche.
Farina Gegenüber ist im Grunde die älteste Duftmarke der Welt (seit 1709), ältere Marken sind allenfalls legendarisch oder wenigstens unsicher belegt, einige jüngere Marken haben zwar eine länger Geschichte, weil bis heute durchgängig existent (Floris), Farina Gegenüber aber darf stolz daran erinnern, dass man bereits seit 1709 in Köln Düfte produziert, vertreibt und versendet. Die genaue Geschichte dieses Hauses ist auf der Homepage in allen Einzelheiten nachzulesen, kann im Duftmuseum der Familie Farina in Köln nachvollzogen werden und findet sich auf diversen Homepages, so dass ich mir an dieser Stelle weitere Details spare.
Wie aber riecht nun Russisch Leder, das, wie bereits erwähnt, 1967 lanciert wurde?
Russisch Leder gehört in den Kontext von Herrenduftwässern und Rasierwässern, die in den 50er und 60er Jahren in Deutschland (und zum Teil auch anderen Ländern wie Italien, Spanien und Japan, weniger in Frankreich und England) entwickelt wurden und in Image und Namen eine rauchig-ledrige, somit männlich gedachte Note andeuten, in Wahrheit aber eher frisch-holzig duften. Ein vermutlich allen geläufiges Beispiel ist Tabac original, das gleichfalls frisch, leicht zitrisch mit Bergamotte und Zitrone startet und dann über einige florale Noten zu einer holzigen und schließlich sogar weichen Basisnote übergeht. So auch Russisch Leder.
Ein echter Lederduft wie Patou pour Homme oder Knize Ten, vor allem letzterer auch ein Klassiker (1925), riecht vollkommen anders, schwerer, schwülstiger, weicher und damit für einen kernigen Mann der 60er scheinbar alles andere als geeignet. Sicherlich war es eine Elite, die damals schon Knize Ten, den vielleicht bedeutendsten Herrenduft aller Zeiten, im Schrank stehen hatte; bei den meisten wird es Russisch Leder oder Tabac original gewesen sein - oder einer der preiswerten Klassiker aus Amerika, Italien oder Spanien, im seltensten Falle ein teurer Franzose (wie z.B. Chanel pour Monsieur, Dior Eau Sauvage oder Caron pour un homme).
Russisch Leder ist somit alles andere als spektakulär, denn das war schlicht nicht gewünscht, sondern eine Mischung aus Markanz (hier verstanden als Männlichkeit) und Frische (auch dies ein Attribut von Herrendüften, nicht nur der damaligen Zeit, im Gegensatz zu klassisch blumigen und weichen Damendüften). Das muss man nicht mögen oder gar loben, aber es ist schön, einfach schön und irgendwie immer tragbar. Und dass die Mischung, die in Russisch Leder steckt, ansteckend, anziehend, anregend zu sein scheint, dass zeigt die derzeit hohe Durchschnittsbewertung, die den Duft in die TOP 100 katapultieren würde, gäbe es nur genug hinterlegte Bewertungen zu diesem Duft.
Mein Kommentar kann auch als Plädoyer verstanden werden, diesen eleganteren, vielleicht besseren Bruder von Tabac original wenigstens einmal zu testen und ihm eine Chance zu geben, auch wenn er heutzutage keine Frauen mehr dahinschmelzen lässt, dafür aber immer noch ein guter Begleiter im Büro und im Alltag sein kann.
Er hat es verdient.
Meinem Vater gewidmet (1926 - 1994).
Mein Geburtsjahr (1967) ist auch das Geburtsjahr von Russisch Leder. Uns verbindet also einiges. Und so lange ich mich erinnern kann, stand in unserem Bad eine Flasche Rasierwasser der Sorte Russisch Leder von Farina Gegenüber, stets ein Geschenk einer aus Köln stammenden Tante, die immer für Nachschub dieses Kölnisch Wassers sorgte. Vermutlich war es der erste Duft, den ich bewusst wahrnahm, sicher aber der erste mir bekannte Herrenduft.
Ehrensache, dass ich eine neue Flasche Russisch Leder brauchte, als Farina Gegenüber (vollständig und korrekt: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH; das ist doch mal ein Markenname!) wieder auferstand und auch sein Herrenwasser Russisch Leder wieder neu lancierte, leider in einer neuen Flasche, die zwar elegant und schlicht ist, die aber natürlich nicht mit dem Originalflakon in Opalglas mithalten kann, der hier auf Parfumo sinnigerweise abgebildet ist. Ein Kunstobjekt des Warendesigns der 60er. Aus eben diesem Grund habe ich - aus nostalgischen Erwägungen - vor Jahren schon einen gebrauchten Originalflakon erstanden, dessen Inhalt zwar nicht mehr ganz authentisch riecht, der als Erinnerungsstück aber allemal besser taugt als die neue, gefällig klare Flasche.
Farina Gegenüber ist im Grunde die älteste Duftmarke der Welt (seit 1709), ältere Marken sind allenfalls legendarisch oder wenigstens unsicher belegt, einige jüngere Marken haben zwar eine länger Geschichte, weil bis heute durchgängig existent (Floris), Farina Gegenüber aber darf stolz daran erinnern, dass man bereits seit 1709 in Köln Düfte produziert, vertreibt und versendet. Die genaue Geschichte dieses Hauses ist auf der Homepage in allen Einzelheiten nachzulesen, kann im Duftmuseum der Familie Farina in Köln nachvollzogen werden und findet sich auf diversen Homepages, so dass ich mir an dieser Stelle weitere Details spare.
Wie aber riecht nun Russisch Leder, das, wie bereits erwähnt, 1967 lanciert wurde?
Russisch Leder gehört in den Kontext von Herrenduftwässern und Rasierwässern, die in den 50er und 60er Jahren in Deutschland (und zum Teil auch anderen Ländern wie Italien, Spanien und Japan, weniger in Frankreich und England) entwickelt wurden und in Image und Namen eine rauchig-ledrige, somit männlich gedachte Note andeuten, in Wahrheit aber eher frisch-holzig duften. Ein vermutlich allen geläufiges Beispiel ist Tabac original, das gleichfalls frisch, leicht zitrisch mit Bergamotte und Zitrone startet und dann über einige florale Noten zu einer holzigen und schließlich sogar weichen Basisnote übergeht. So auch Russisch Leder.
Ein echter Lederduft wie Patou pour Homme oder Knize Ten, vor allem letzterer auch ein Klassiker (1925), riecht vollkommen anders, schwerer, schwülstiger, weicher und damit für einen kernigen Mann der 60er scheinbar alles andere als geeignet. Sicherlich war es eine Elite, die damals schon Knize Ten, den vielleicht bedeutendsten Herrenduft aller Zeiten, im Schrank stehen hatte; bei den meisten wird es Russisch Leder oder Tabac original gewesen sein - oder einer der preiswerten Klassiker aus Amerika, Italien oder Spanien, im seltensten Falle ein teurer Franzose (wie z.B. Chanel pour Monsieur, Dior Eau Sauvage oder Caron pour un homme).
Russisch Leder ist somit alles andere als spektakulär, denn das war schlicht nicht gewünscht, sondern eine Mischung aus Markanz (hier verstanden als Männlichkeit) und Frische (auch dies ein Attribut von Herrendüften, nicht nur der damaligen Zeit, im Gegensatz zu klassisch blumigen und weichen Damendüften). Das muss man nicht mögen oder gar loben, aber es ist schön, einfach schön und irgendwie immer tragbar. Und dass die Mischung, die in Russisch Leder steckt, ansteckend, anziehend, anregend zu sein scheint, dass zeigt die derzeit hohe Durchschnittsbewertung, die den Duft in die TOP 100 katapultieren würde, gäbe es nur genug hinterlegte Bewertungen zu diesem Duft.
Mein Kommentar kann auch als Plädoyer verstanden werden, diesen eleganteren, vielleicht besseren Bruder von Tabac original wenigstens einmal zu testen und ihm eine Chance zu geben, auch wenn er heutzutage keine Frauen mehr dahinschmelzen lässt, dafür aber immer noch ein guter Begleiter im Büro und im Alltag sein kann.
Er hat es verdient.
Meinem Vater gewidmet (1926 - 1994).
24 Antworten