Eigentlich interessiere ich mich nicht so für Parfumeure, es sei denn vielleicht, ich treffe sie selbst, wie dies bei Jens Lehmann, dem Erben von Harry Lehmann, und bei Lady Le Fèbvre von Urban Scents in ihren Berliner Geschäften gelegentlich mal der Fall ist. Bei einem Duftmischer mit dem äußerst abgefahrenen Namen "Rosendo Mateu" ist das aber natürlich anders, da muss man ja neugierig werden. Zuerst dachte ich ja, er hieße "Mateu Rosendo", quasi wie Matthias Rosenthal, aber er ist weder Ungar noch Koreaner, sodass nicht vermutet werden kann, dass der Familienname vorne steht. Und tatsächlich ist Rosendo ein in Spanien wohl nicht völlig unüblicher Vorname; des Heiligen Rudesind wegen, der im 10. Jahrhundert in Nordspanien sowohl das Amt eines Vizekönigs, als auch das eines Bischofs bekleidete und je nach Bedarf Klöster gründete oder Feldzüge befehligte. Damals wurde berufliche Vielseitigkeit noch groß geschrieben!
Recherchiert man hier auf Parfumo und allgemein im Internet ein wenig herum, stellt man fest, dass Herr Mateu ein Herr im inzwischen schon etwas vorgerückten Alter ist, der als stolzer Spanier (wobei der Name etwas katalanisch klingt, ich kann mich aber irren) für mehrere Dufthäuser seines Heimatlandes über Jahrzehnte hinweg tätig war, namentlich für Puig, Zara, Carolina Herrera, Mango und Paco Rabanne. Ich hab nur einen einzigen Duft gefunden, den er für ein nichtspanisches Unternehmen (Ermegildo Zegna, Italien) geschaffen hat.
Die von ihm kreierten Werke, die ich allesamt nicht kenne, scheinen nicht durchweg zur Spitzenklasse zu gehören. Sein soweit ersichtlich erstes, Agua Brava von Puig (1968!), bekommt hier immerhin 7,6 Punkte bei über 100 Bewertungen (wird noch hergestellt), recht häufig sind allerdings Bewertungen wie 5,5 (für "Delirium"; es ist mir nicht bekannt, ob es dazu auch einen Flanker "Delirium tremens" gibt). Und sein "Textures-Green" gehört mit Sicherheit zu den Düften mit der infantilsten Kartongestaltung ever, wobei er dafür ja nichts kann.
Verständlich erscheint es jedenfalls, dass unser Freund Rosendo nach einem langen Parfumeursleben im Dienste großer Dufthäuser, die seine Werke in schräge Flakons und Verpackungen gestopft und ihn vielleicht auch sonst gedisst und geknechtet haben, im Alter auch mal Lust hat, sich ganz alleine und ungestört auszutoben und seinen seltenen und auffälligen Namen endlich auch mal persönlich selber (wie Cattarella sagen würde) dick auf dem Flakon stehen zu sehen. Deshalb, so ist anzunehmen, ist die Linie "Rosendo Mateu" entstanden. Und damit dieser schöne Name wirklich ganz im Mittelpunkt steht und nicht durch einen Duft-Namen beeinträchtigt wird, sind die Düfte auch nur nummeriert.
Was soll ich sagen, ich finde diese Nummer 4 sehr gelungen. Oud vermag ich hier allerdings nur in Spuren wahrzunehmen, aber er tritt ja auch nicht als reiner Oudist auf, der Safran steht auf dem Etikett an erster Stelle. Doch der Reihe nach.
Die hier kritisierten schweißigen oder säuerlichen Noten begegnen mir nicht. Für mich beginnt Nummer 4 sehr trocken, fast schon staubig und knarzig, dabei aber in höchst reizvoller Weise würzig und harzig. Anders als bei vielen anderen Düften dieser Richtung ist das dabei eine recht vegetarische Angelegenheit, irgendwelche Ledermänner oder Stinksekrete schauen hier eher nicht um die Ecke. Hölzer, Harze, pflanzliche Gewürze tun hier in reizendster und kunstgerechtester Weise ihr Werk. Ich muss zugeben, dass ich anders als z.B. bei "Safran Troublant" bei diesem Duft den namensgebenden Safran NICHT gesondert herausspüre. Da ich Safran mag, kann es aber gut sein, dass das Vorhandensein dieser Note allgemein zu meinem Wohlgefühl beiträgt, das ich bei diesem Duft empfinde. Bei aller (ganz leicht ins Stechende spielenden) Trockenheit ist der Duft für mich auch in dieser Anfangsphase nicht hart, er weist schon hier eine warme, vegetabile, fast weiche Würze auf, in die man durchaus versinken kann.
Im weiteren Verlauf wird der Duft weniger trocken, sehr schön rund, glatter und noch weicher als zuvor. Nach etwa zwei Stunden mutet er fast fruchtig an, hier meine ich dann auch sehr zart etwas leicht stinkigen, doch durchaus angenehmen Oud auszumachen. Nach etwa neun Stunden klingt er in einer honigartigen und noch immer differenzierten (die vielen gelisteten Zutaten aus der Basisnote müssen ja irgendwo hin) Süße aus.
Insgesamt ist das für mich kein hochorigineller, aber ein reichhaltiger, facettenreicher, charaktervoller und unlangweiliger Duft. Ich mag ihn. Die Haltbarkeit ist angemessen, die Projektion für ein EdP, zumal mit diesen krachigen Zutaten eher kein Brecher. Der Preis - da ich den auch bei den Teilen 1 und 2 dieser Miniserie erwähnt habe - beträgt etwa 175 Euro im Internethandel, was ich für durchaus gehoben, aber angesichts der Qualität des Dufts und des Preises vergleichbarer Produkte nicht für mondmäßig halte. Der Duft ist zu Recht als unisex deklariert und gewiss universell tragbar; ich sehe ihn allerdings tendenziell doch eher an einem Herrn in den besten Jahren als an einem jungen Mädchen (wobei das, wenn ich recht nachdenke, auch einen reizvollen Kontrast ergäbe).