
Bobby
Hilfreiche Rezension
10
Aber ja, aber nein...
Es ist Sonntagnachmittag, gegen 14.00 Uhr: Ich stehe im Zoo auf dem Spielplatz und schaukel meine Tochter an. Es ist recht voll. Mehrere Väter mit Kindern stehen und laufen mit ihren Kindern in der Nähe.
Ich nehme mit zunehmender Intensität einen extrem guten Zitrusduft wahr, was mich genauso zunehmend verwirrt.
Wie stark muss hier denn jemandes Parfüm sein, damit ich das so intensiv wahrnehmen kann?
Der Vater, der sein Kind direkt neben mir anschaukelt, muss es sein.. Ich will ihn gerade fragen, was da so unglaublich klar und lecker nach würzigem Zitrusholz riecht, da geht er weg.
Nach einer Weile und mehreren wechselbden Verdächtigen in meiner unmittelbaren Umgebung wird mir klar, dass es nicht von jemand anderem kommen kann. Dafür präzisiert sich das Duftbild: Ich muss kurz an Creeds wacholdrig-zitroniges Royal Water denken
Sollte es vielleicht der Sprüher Dolce Gabbana lemon sein, den ich gestern testweise auf dem rechten Handgelenk hatte? Aber so natürlich und gleichzeitig komplex war der nun wirklich nicht. Das kann auch von der Haltbarkeit her überhaupt nicht sein, der muss längst weg sein. Ich rieche am Handgelenk- nein. Nichts.
Ich bin ratlos, aber stelle zumindest fest, dass dieser Duft extrem gut ist.
Plötzlich fällt mir ein: ich habe doch zwei Proben dabei aus einem Wanderbrief-Rückläufer. Ängstlich fasse ich in meine Jackentasche.
Worstcase: der eine 2ml -Zerstäuber ist restlos ausgelaufen. Meine Hand ist nass, die Jackentasche auch. Was, wenn da gleich noch eine Basis aus Yasmin-Sambac-Osmanthus-Labdanum folgt? Werden die Zoo-Tiere dann unruhig? Bekomme ich Spielplatz-Verbot? Werde ich mich je wieder nach Hause trauen?
Im Moment allerdings riecht es einfach nur lecker.
Zittrig greife ich zum Handy und tippe auf Parfumo den Duftnamen ein, der auf dem kaputten Röhrchen steht.
Gottseidank: gut bewertet, "zitrischer" Duft.
Das ist schonmal die halbe Miete.
Dann die Duftnoten: donnerwetter. Fast alles, was ich mag, in einem Parfum. Mandarine, Wacholder, Zeder...
Mehr Glück kann man mit einem zerbrochenen Tester wohl nicht haben.
Noch nie gabe ich so schnell einen Flakon bestellt: Noch im Affenhaus, nur die Orang-Utans waren Zeuge.
Zwei Tage später will ich zur Arbeit gehen und kann das, was ich rieche, schon wieder nicht zuordnen. Ich mag es überhaupt nicht, es passt nicht zu mir: Es ist ein klebrig-süßer Weihrauchschleiher.
Na klar, meine Jacke...
Respekt für die Haltbarkeit und Respekt für diese klaren Phasen, die wie unterschiedliche Parfums voneinander getrennt werden: erst Zitrone mit Wacholder, dann ein etwas isoartiges Zeder-Intermezzo und zuletzt eine etwas zu geduldige Weihrauchbasis.
Wegen letzterer habe ich den Flakon dann doch ungeöffnet zurückgeschickt.
Eine recht aufwändige, aber auch aufschlussreiche Testerfahrung.
Und jetzt muss meine Jacke erstmal in die Wäsche.