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3lbows’ Blog
vor 3 Jahren - 13.08.2021
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„Mein Parfum soll mir gefallen, aber das tut es vor allem deshalb, weil ich davon ausgehe, dass ich damit anderen gefalle.“

Ich beobachte ja gerne Menschen. Und noch lieber verstehe ich sie. Und da ich mich hier auf Parfumo nun schon 3 Jahre wohlfühle, und die Community als wohlwollend, höflich, aber dennoch spannend durchmischt erlebe, wollte ich an dieser Stelle einen Gedanken zu einem Aspekt äußern, zu dem wir als Parfumos vielleicht nicht immer ganz ehrlich sind, bzw. zu dem ich mir selbst noch etwas klarer werden muss.

Meine Karriere als Parfumo begann wie die wohl vieler anderer auch als Otto-Normalnutzer, oder auch Flaschen-Aufbraucher. Worte wie Bunkerflakon, Abfüllung oder Sharing waren mir natürlich fremd, und so war Parfum, so wie Duschgel, Deo, Seife, Zahnpasta auch, ein reines Gebrauchsprodukt. Ausgewählt wurde das Duftwässerchen natürlich nach der Kopfnote – gekauft wurde, was mir selbst olfaktorisch zusagte. Aber wie bei anderen Kosmetikartikeln auch, war man natürlich auch froh, bei anderen gut anzukommen, und sich darüber auch selber wohl in seiner Haut zu fühlen.

Gerade das scheint aber bei fortschreitender Parfumokompetenz verpönt zu sein, bzw. wird kontrovers diskutiert. Düfte trägt man in erster Linie für einen selbst. Scher dich nicht drum, was andere denken. Wem Haltbarkeit und Sillage, oder noch schlimmer Performance wichtig sind, der hat das Wesen der Dinge nicht verstanden, und wird im Beastmode zu den Crowdpleasern in die Ecke gestempelt. Nun, ganz so schlimm ist es nicht, und wir sind ja alle ein toleranter Haufen hier, aber Ihr wisst, worauf ich hinaus will.

Nun bin ich der Meinung, dass das, was andere denken, sehr wohl eine Rolle spielt bei dem, was wir auflegen und ja – auch bei dem, was wir gut finden. Und zwar eine größere, als vielen lieb ist. Aber Moment mal – muss das zwingend verwerflich sein? Ist das banal? Warum sind wir nicht bereit, oder empfinden es als Makel oder gar unschicklich, uns diesen Wunsch nach Anerkennung einzugestehen?

Wir sind nun einmal soziale Wesen und finden im Du zum Ich, oder besser noch, zum Wir. Mit Düften kommunizieren wir Stimmungen, Gefühle, wir wollen mit ihnen werben, einladen, auffallen, gefällig, seriös, sportlich oder sonst wie wirken, ein Statement setzen, provozieren, mit dem (potentiellen) Partner ins Gespräch kommen, kurz: etwas mitteilen, und zwar durch den Duft – oder lateinisch per fumum. Darauf basieren dann auch unsere Kriterien für das, was ein Wohlgeruch ist, und was nicht. Ganz normal. Ganz biologisch. Ich kann mir z.B. nicht vorstellen, dass jemand in seinem stillen Kämmerchen sitzt, und Düfte völlig abstrakt und emotions- sowie kontextlos, nur für sich selbst bewertet. Natürlich kann ich Herod abends alleine vor der Glotze, nur für mich selbst auflegen. Und selbstverständlich darf mir ein Duft gefallen, der der breiten Masse vielleicht nicht zusagt. Aber wenn er anderen gefällt, oder vielleicht sogar ein Compliment Getter, oder noch schlimmer, ein Pantydropper ist: Macht ihn das dann schlechter? Nein – gerade das kann und darf ein Qualitätsmerkmal sein. Wäre dem nicht so, dann könnten wir uns auf Parfumo Kategorien wie „für Ältere / Jüngere“, Büro, Sport, Freizeit, Abend, sowie alles was mit Performance zu tun hat komplett sparen. Übrig blieben lediglich Kreativität, handwerkliche Umsetzung sowie Wertigkeit der verwendeten Zutaten. Über kreativen Anspruch zu streiten ist müßig, und die letzten beiden dieser Kategorien sind klar dem eigentlichen Ziel, nämlich der Ästhetik des Duftes untergeordnet. Ästhetische Maßstäbe aber sind bei einem Produkt, dass dazu dient, besser anzukommen (oder zumindest den eigenen Dunst zu kaschieren) ganz klar daran angelehnt, ob es diesem Zweck auch förderlich ist. Ebenso wie Wohlgerüche wie frisches Brot, Gebratenes vom Grill oder Kaffee im Allgemeinen auch mit dem Verlangen nach dessem Konsum verknüpft sind. Niemand würde auf die Idee kommen, mir vorzuwerfen: Du isst das ja nur, weil´s gut schmeckt. Du Banause du! Und ganz nebenbei: Auch die extrovertierte Seht-her-ick-hab-One-Million-Fraktion trägt bestimmt keine Düfte, die ihr letztlich nicht auch selbst gefällt.

Emotionen und Assoziationen zu evozieren, bzw. die Fähigkeit von Düften, uns an andere Orte, in andere Zeiten entführen, oder an liebe Menschen zu erinnern ist für mich ein ganz gewichtiger Grund, mich mit Parfums auseinanderzusetzen. Aber noch einmal: Das sind dann dennoch überwiegend Wohlgerüche mit denen ich mich – gerne auch im stillen Kämmerlein – auseinanderzusetzen, bei denen ich davon ausgehen kann, dass sie auch anderen gefallen würden. Und: Viele der Situationen, in die wir uns von Düften enführen lassen, sind ohnehin vom menschlichen Miteinander geprägt – womit wir wieder beim Thema wären.

Um noch kurz auf das Thema Haltbarkeit einzugehen: Selbst wenn ich meine Düfte überwiegend alleine genieße, wertet es jeden Duft für mich ab, wenn ich ihn nach 20 Minuten nicht mehr wahrnehme. Ich differenziere zwar durchaus zwischen dezent aufspielendem Büroduft oder U20-Clubbing-Keule, aber gewollte kunstvolle Subtilität hin – flüchtige Ingredienzen her: Ich will schon länger etwas vom Duft haben, daher ist die so viel zitierte Performance für mich durchaus ein wichtiges Bewertungskriterium.

Wir tragen Düfte für uns selbst und/oder für andere. Soweit, so gut und einfach. Was ich herausarbeiten wollte ist aber, dass es dazwischen keine Hierarchie gibt. Wer Düfte für andere trägt, auch wer Düfte hauptsächlich für andere trägt, steht alleine deshalb nicht auf einer niedrigeren Evolutionsstufe der olfaktorischen Erleuchtung. Wenn ich mir selbst besser gefalle, weil ich mich mit einem Parfum besser / attraktiver / dynamischer / sympathischer / mehr mojo fühle, dann ist das gut so. Anders herum untereiche ich meinen Auftritt auch, wenn ich einen Duft auflege, der zunächst nur für mich selbst einfach passt. In mir selbst ruhend, im Reinen mit meiner ganz persönlichen Scentbubble bin ich sicher auch angenehme Gesellschaft, auch wenn die anderen meinen Duft vielleicht gar nicht wahrnehmen. Wie dem auch sei: Ganz ohne Kommunikation geht´s auch und gerade in der Duftwelt nicht.

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