Achilles

Achilles

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6 - 10 von 88
Achilles vor 7 Jahren 36 20
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft
Fougere+Arabeske= Groteske?
Wieder einmal zuviel Dufteindruck für mich, dass ein Statement reichen könnte.
Eine Groteske vereint Gegensätze in ihrer Darstellungsweise, ob nun als Bild, Skulptur oder hier, dem Parfum. Fougere trifft auf das Morgenland, und Amouage hat in seinem Herrensektor bis auf einige wenige "hellere" Düfte wie Sunshine oder Reflection eher betont orientalische Parfums im Sortiment, was ja auch klar ist.

Schon die Farne auf dem Flakon und die Arabeske auf der Verpackung suggerieren Gegensätze, die erstmal neugierig machen, ob sie denn so vereinbar sein könnten, ohne gemeinsam komisch oder mißlungen zu wirken, wenn mal man so über die Duftkategorien nachdenkt. Ein Fougere zeichnet sich klassicherweise durch das Zusammenspiel von Lavendel, Eichenmoos und Cumarin aus, ein Orientale ist üblicherweise schwer, üppig, würzig, süß, balsamisch und auch rauchig.

Bracken vereint erstaunlicherweise beide Welten, und das nicht schlecht! Sogar gekonnt, subtil, elegant und klassisch maskulin, der gesamte Dufteindruck. Ein Sprüher reicht übrigens auch vollkommen aus, eine Duftwolke mit dem Wendekreis eines Panzers zu kreieren.
Der Auftakt ist Bergamotte und Patchouli, was anfangs eine gar scheußliche Fratze abbildet, wobei wir wieder bei der Groteske wären, der feuchte Kellerduft oder das eingepackte nasse Zelt, was vergessen wurde und wovor man schon irgendwie Angst hat, es auszupacken, ist hier leider nicht wegzudiskutieren. Alsbald legt sich dieses Trauerspiel aber und eine urtümlich starke Note von vertrautem, wohlwollendem und elegantem Lavendel (ohne die manchmal saure Eigennote) gesellt sich hinzu, welche flankierend Feuer von doppelt soviel starker Gewürznelke bekommt, so pikant-saftig wie in Tobacco Vanille - welche in Bracken besonders ölig-aromatisch und pfeffrig daherkommt.

Bis zur Herznote regiert dieses Triumvirat aus Lavendel, Gewürznelke und Patchouli mit eiserner Faust, und riecht einfach fantastisch. Soweit so schön, bis hierhin schon ein wirklich feiner, starker, markanter Duft, eine raffinierte Balance aus Orient und Okzident, feine Spuren von Zimt und Rosengeranie wie in Chanels Egoiste, wirklich ganz famos. Dann, in der Herznote noch eine schöne Überraschung: Orange! Aber keine frisch aufgeschnittene, sonnenscheindurchflutete Orange, sondern weihnachtlich kandiert. Diese bernsteinfarben- bis gülden schimmernde Früchte, oder auch die Orangenspalten, die im Glühwein zusammen mit Nelken schwimmen und ihr charmantes Aroma abgeben.

Die Basis ist eine abgeklungene Mischung aus allem, und Patchouli kommt wieder stärker durch, was dem ganzen eine noch maskulinere Nuance zum Ende hin vereiht. Auch Gewürzkuchen ist drinnen, und Muskat.
Also alles in allem eine überreiche Komposition einer Auswahl kräftiger Noten, welche vielen mit Sicherheit zu stark sein wird und röcheln lässt, wer aber noch was ausdrucksstarkes für den Winter sucht, könnte hier glücklich werden.
20 Antworten
Achilles vor 7 Jahren 26 20
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
2.5
Duft
Sanguinarium
Mein Grundschullehrer pflegte immer zu sagen: "Blut ist ein ganz besonderer Saft". Und tatsächlich ist Blut als Inbegriff der Lebenskraft ein Faszinosum.
Nun aber echtes Stierblut in einem Duft, aha. Das will ich mir lieber so nicht vorstellen, auch wenn das Fleisch der beim Stierkampf getöteten Tiere in Granada z.B wenigstens am nächsten Tag beim Metzger landet, wobei ich das in keinster Weise irgendwie unterstütze. Aber dieser Kommentar soll in den Unterkommentaren keine Plattform für eine Stierkampf Pro- und Contradiskussion bieten, aber allein der Titel des Duftes sollte schon an sich Kontroversen auslösen, zwangsläufig. Seerose hat in ihrem Kommentar eigentlich schon vieles gesagt, was ich auch darin wahrnehme, dennoch hat ja jeder seinen subjektiven, gefilterten Eindruck.
Das eben erwähnte sollte die Komponente Blut einleitend erwähnen, da sie hier in der Duftpyramide aufgeführt ist, tatsächlich ist aber frisches Blut an sich kaum zu riechen. Wohl aber dessen zahlreiche Facetten - dies ist ein kräftiger, in den Augen brennender, beißender Duft, bei dem ich mir nicht vorstellen kann, dass ihn jemand trägt oder dass er jemandem stehen würde, ausser vielleicht Delphine LaLaurie oder Aleister Crowley.

Wer einen empfindlichen Magen hat, bitte ab hier nicht weiterlesen, aber ich werde mich bemühen, die Dinge nicht zu plastisch zu schildern, obgleich für mich der Duft eine ganz bestimmte Assoziation hervorruft, die ich einfach nicht loswerden kann. Dieser Duft riecht für mich weder nach Rose, noch nach Wurzeln, maximal wirklich nach geronnenem alten Blut, verwesendem Fleisch (weiß man, wenn man in der Sonne Südamerikas verwesende Tiere am Straßenrand vorfinden muss), Eisen und Rost, später - erst viel später wird die Basis versöhnlicher, aber auch das ist immer noch gewöhnungsbedürftig und mit keinem anderen Duft zu vergleichen. Fäkal und eine Jauchegrube auch zu jedem Zeitpunkt.

Aber zurück zur LaLaurie, die hätte den Duft geliebt, und ich fasse mich kurz: sie war eine in New Orleans lebende Dame der feinen Gesellschaft, welche sich mit besonderer Inbrunst ihrem Hobby, der Qual und Folter ihrer Sklaven widmete. Der Mythos will es, dass sie sich ihren eigenen Minotaurus schuf, indem sie einem Sklaven einen ausgeweideten Stierkopf aufsetzte. Kurzum, ich stelle mir vor, dass Bull´s Blood genauso riechen muss so wie im Inneren des Stierkopfes, denn dieser Duft riecht für mich einfach nur nach verfallender Materie, lauwarmen Fleischfetzen, Angsthormonen, Metall, Schweiß und animalischen Ausdünstungen, warm und drückend wie das Klima in New Orleans. Das stößt ab und fasziniert zugleich, aber das ist der Reiz des Horrors. Der Duft ist künstlerisch fabelhaft umgesetzt, und er wird mit Sicherheit auch Fans haben. Man kann ihn als Raumduft für schräge Parties nutzen, ohne das ich genaueres wissen will. Das sollte auch dazu reichen.

PS: Das LaLaurie-Haus in New Orleans steht noch, und einer der Besitzer war ein gewisser Mr. Nicholas Cage.
20 Antworten
Achilles vor 7 Jahren 40 19
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Abstecher ins süße Asien
Das muss ich kurz kommentieren, der Duft ist zu komplex für ein Statement:
Was für ein beknackter Name. Was sage ich denn, wie das heißt wenn ich gefragt werde was ich trage? Philippine Houseboy- aber eigentlich Sohn des Reis- und Agrumengottes. Ah ja! Klar, hat man ja schon mal gehört.
Ich hab automatisch eine Art Testverweigerung, wenn Düfte so überzogen getauft werden. Aber sei´s drum, hier solls um den Inhalt gehen, der wahrlich famos ist:
Diese Duftpyramide konnte ich mir nicht entgehen lassen, allein schon weil ich auf Milchreis abfahre und auf Reis als Duft eh, (Reisdampf, clean, pudrig, schwülstig aber trotzdem rein - toll als Geruch!), dann noch mit Limette und Bibergeil und dem ganzen drumherum - die Kombi klingt zu verlockend.

Er startet zitrisch-frisch, aber so würzig, wie man es von Limetten kennt, nicht von Zitronen. Limette hat diese ganz eigene Frische, süß-würzig und stechend bissig manchmal, auf jeden Fall aber immer ein Wachmacher.
Hier sehr authentisch zum Auftakt, kommt zusammen mit einer zimtigen Entourage und viel Ingwer, ganz so wie gesalzener asiatischer Eistee, garniert mit Kokosflocken. Das aufbrausend Frische legt sich nach ca einer Stunde, und dann wirds interessant, so ganz anders, als würde man sich durch ein mehrschichtiges Dessert essen und käme langsam zum cremigen Herzstück.

Kokos (-milch) wird immer stärker zur Mitte hin, Reis riecht man noch nicht, aber erahnt schon, dass der Duft sich verwandelt und : für einige Momente hat man den perfekten Vanillemilchreis in der Nase, der wahrhaft köstlich ist. Aber zu jeder Zeit suggeriert einem der Duft etwas tropisches, mitsamt Wetter und dieser drückenden, aber entspannenden Schwüle und Verträumtheit.

Die Basis ist ein weicher, anschmiegsamer, moschusdurchtränkter Ausbund an Sinnlichkeit mit einem Hauch Jasmin, der hie und da aufblitzt. Den Kick gibt diese mysteriöse Dualität an etwas Animalischem gepaart mit Sauberduft, dazu eine Art Würze, Shiso - Das ist wilder Sesam, das passt gut ins Gesamtkonzept und gibt dem Reisthema diese eigentümliche süß-holzige Note. Bibergeil oben drauf, das kenne ich eh gut, und hier ist es so ähnlich wie in Absolute Aphrodisiac, nur nicht so kratzig und zickig und viel besser integriert. Der Clou ist aber die köstliche Note von Dampfnudel mit Kondensmilch, was merkwürdig klingt, aber tatsächlich wirklich gut schmeckt.

Das gesamte Werk ist eine sehr gelungene Konstruktion an so vielen tollen Noten, mit einem richtig guten und scharfen Verlauf, was man ja nicht so oft trifft. Es ist soviel mehr als nur süße Sauberkeit oder gefälliger Gourmand, es ist ein Konglomerat aus essbaren, animalischen und würzigen Noten und schafft es damit einfach nicht, auf die Nerven zu gehen.
Der Duft bietet vieles in einem und innerhalb sich selbst mehrere Perspektiven, da er wirklich so gewaltig umschlägt in mehrere Schichten Leckerei. Wer also auf der Suche nach einem asiatischen Dessert mit einem gewissen Edge ist, der sollte den hier mal testen.
Klare Testempfehlung und Chapeau dem Parfumeur.
19 Antworten
Achilles vor 8 Jahren 28 19
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft
Perspektivistische Orgie/ Häutungen
Aufgrund der Duftpyramide hätte ich den Duft eigentlich gemieden; Pilze, Terracotta (wie soll das riechen...von der Sonne erhitzt eventuell staubig, warm, rötlich?)...Nagarmotha mag ich nur selten, aber in Journey Man von Amouage ist es schon fein interpretiert (syn. Cypriol).
Forbidden weiß zu überraschen, Pilze sind zum Glück nicht zu riechen, diese gewisse Note von rohen Pilzen möchte ich nicht in einem Duft haben, jedenfalls kann ich es mir schwer vorstellen.
Ich müsste mal 2 Düfte layern, damit mein Verdacht bestätigt wird: Mortal Skin und Tauers Lonestar Memories. Forbidden riecht an sich wie eine Synthese der beiden, die für sich ja schon äußerst stark und autark sind, zu beiden fehlen mir die Vergleichsmöglichkeiten.
Vergleicht man beide Duftpyramiden, Forbidden + Tauers Lonestar Memories, so haben sie nichts gemeinsam. Und doch riecht Forbidden ab der Basisnote wie Tauers 03. Sanft explodierende Sinnlichkeit gepaart mit aparten Noten von Teer, Tinte, Rauch, Farbe, aber nicht so verdickt und eingekocht wie beim Tauer, der mit diesen schweren, rostigen Pfeilen in rohe Herzen schießt und dass es beim Auftakt die Tränen in die Augen treibt, sondern wesentlich feiner, subtiler, eleganter.
Vergleicht man sie mit Mortal Skin, fällt natürlich die Schlangengeschichte auf. Sisi hat sich hier aber gehäutet, und verlässt erfrischt und gestärkt ihren alten Habitus um in einen unwirklichen Wald zu verschwinden. Verfolgt man das fröhlich wirkende Biest, begibt man sich in eine Welt der surrealen Sinneseindrücke. Der Waldboden ist synthetisch, wie ein kratziger Teppich, den man gerade ausgepackt und ausgerollt hat . Die Bäume scheinen zu murren und einen anzustarren, alleine ist man nicht. Der Geigerzähler würde sicher auch ausschlagen, vor allem wenn man sich schwarzen Pfützen nähert.
Der Duft fasziniert und stößt zugleich ab. Vielleicht liegt es daran, dass man zuvor ein wenig mit der grünen Fee geflirtet hat, denn Absinth zieht sich auch durch den Verlauf. Wie soll man diesem Etwas entkommen, diesen Blitzeinschlägen von Duftakkorden, da brauchts schon einen Faradayschen Käfig.
Insgesamt ist der Duft wirklich ein Ausbund an Perspektiven, man weiss gar nicht so recht was hier die Hauptthematik ist, ledrig? Süß? Synthetisch? Wechselwarm auf jeden Fall, rastlos und lebenshungrig, und diese Unruhe gefällt mir.
19 Antworten
Achilles vor 8 Jahren 39 15
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9.5
Duft
Rule Britannia, Britannia rule the waves...
Margaret Rutherford als unvergleichliche Miss Marple in Mörder Ahoi, die stelle ich mir geradezu prädestiniert vor als Trägerin von "Britannia".
Wer die 4 Filme gesehen hat, kennt sie als eine immer schick hergerichtete, resolute und witzige Detektivin, die eigentlich immer den Eindruck erweckt, sie könnte maximal nach Lavendel riechen, oder eine Melissengeistfahne hinter sich herziehen. Aber als ich Britannia getestet habe, dann wars mir so klar: Das ist schon viel eher was für M. Rutherford! Ein starker, blumig-cremiger Duft, dessen Schönheit in der handwerklich ausgezeichneten Robustheit seiner Duftnoten liegt.

Aber nach und nach. Was riecht man? Beim ersten Sprüher kam sofort wie aus der Pistole geschossen: IRIS! Und Körperpuder. Staubtrockene, pudrige, weiße Irismoleküle, dann sofort weiße Blusen, Talkum, und Tonnen von ausgepackter weißer Seife und dann die Umverpackung/ Innenseite des Papiers. Iris, Heliotrop, Kakaopulver zum Backen und Vetiver, das sind hier die 4 Hauptakteure, die parallel laufen. Später wird der Duft würziger, dichter, cremiger und Gewürznelken werden drüber gestreut und heiße Vanillesoße drüber gegossen,- wie die Nelken und die Vanille in L'Heure Bleue. Aber es bleibt kreidig weiß und damenhaft, der Duft hat wohl an einer Frau auch eine gewisse "madamige" Aura, wobei ich mir den an einem Mann ebenfalls gut vorstellen kann, da er je nach Interpretation auch diese herbe, würzig-cremige, gepflegte Gentlemannote hat und auch einem Mr. Stringer stehen kann. Der nicht gerade ein Draufgänger ist, sondern eher sanftmütig und nachgiebig.
In der Basis wird es am schönsten, gemütlich, holzig, aromatisch - Man denkt an alte Möbel aus dem 19. Jhd., massive Sekretäre, warme Farben und eine beruhigende, anheimelnde, ja bürgerliche Atmosphäre, Biedermeier im besten Sinne.
Kakao mit Zimt vor einem knisternden Feuer und eine subtile Pfirsichnote wie in Mitsouko. Schon an zwei große Klassiker wird man hier miterinnert, das spricht für sich selbst. Die Basis ist eigentlich das Schönste am Duft, so wie es auch sein soll, da man sie am längsten wahrnimmt und auch hier wird man von der Haltbarkeit nicht enttäuscht.
Insgesamt ist Britannia herrlich unaufgeregt, riecht hochwertig -auf die hochwertigste Weise einfach und stark, mit einem großartigen Duftverlauf und einer grandiosen Tiefe. Die genannten Noten auf bestem Niveau zusammengetragen ergeben eine moderne Interpretation klassischer Gerüche und tragen sie zu einem Parfum zusammen, welches zwar 2016 erschienen ist, aber nach Bewährtem und Gutem riecht und zugleich eine Hommage an Guerlain, wie mir scheint.
Den Duft hätten sich also Miss Marple und Mr. Stringer auch gut teilen können bevor sie auf Jagd gingen nach den Ganoven, immer fein zurecht gemacht, eigentümlich schön, duftend very british mit frankophilem Einschlag.
15 Antworten
6 - 10 von 88