Esther19

Blütendüfte haben es bei mir nicht so leicht. Selbst in meiner gut bestückten Serge-Lutens-Galerie fehlen sie fast völlig.Vielleicht auch ein Vorurteil?
Bei 24, Faubourg ist es anders. Ich entdeckte so um 1999 ein Pröbchen in einer Zeitschrift. Elektrisiert musste ich die nächste Parfümerie aufsuchen.
Kindheitserinnerungen kamen hoch: Die Mutter einer Freundin trug ein Parfum mit Orangenblüten, ohne dass ich damals geahnt hätte, dass es welche waren.
24 Faubourg ist ein erhabenes Meisterwerk.Orangenblüten dominieren eindeutig, leuchten immer wieder hervor, wenn sich das von mir geschätzte Ylang-Ylang und Hölzer dazu gesellen. Es ist als sehr elegant zu bezeichnen, aber in einer Art, die nicht distanziert und schon gar nicht langweilig ist. Kein weißes-Blüschen-Perlenketten-Format. Ich denke eher an ein raffiniertes Kleid aus edlem Stoff, schlicht, aber durch ein durchdachtes Detail wunderschön.
Analog dazu die Form des Flakons: Ein "einfach" etwas gezogenes Quadrat - welch eine schöne Idee. Kreativität innen wie außen.
24 Faubourg ist vielseitig tragbar. Es hebt sich aus vielen Düften heraus, aber eben , siehe oben, durch Hochwertigkeit und subtilen Charme. Overdressed ist man damit nie!

Arabie war meine Eintrittskarte in die Serge-Lutens-Welt, der weitere "Sünden" folgten.Ich hatte es blind nach der Beschreibung bestellt.Als ich es in den Händen hielt, war sofort klar: Das ist wie für mich gemacht,perfekt.
Als Marokko-Fan musste ich natürlich sofort an Marrakesch denken, an die Gewürzstände.Bei Arabie wurde nicht mit Prisen gearbeitet, sondern üppig das Schäufelchen verwendet.Kein Wunder, der Meister lebt wohl oft lange in dieser Stadt und lässt sich inspirieren.
Die Kopfnote ist dann auch ein Trommelwirbel . Die Melange aus Gewürzen und balsamischen Trockenfrüchten empfinde ich als gewagt, aber eben auch gekonnt.Man riecht: Es sind edle , authentische Ingredenzien.
In Farben übersetzt sehe ich Brauntöne aller Schattierungen. Ich erinnere mich an den Djem el fna, den berühmten Platz, am Abend: Feuerschlucker, Schlangenbeschwörer, Gaukler, Menschengewoge, quirliges Treiben.Exotik.Atemberaubend.Wir saßen mehrmals auf der Dachterrasse eines Cafes bei Tee und waren im Bann des Platzes.
Arabie ist nicht nur ein dunkler, sondern auch ein lauter Duft. Ich stelle mir vor, wie benachbarte Gewürz- und Trockenfruchthändler streiten,eine Show für das Publikum abziehen - und doch Freunde sind.So verstehe ich den weiteren Duftverlauf, einzelne Stimmen und doch Zusammenklang. Die Basisnote bleibt sehr lange erhalten.Er wird sanfter,verliert aber nicht an Präsenz. Ein Geniewurf.
Trotz der Vielzahl an Gewürzen, die ich aus der arabischen Küche kenne und schätze, würde ich ihn nicht den Gourmanddüften zuordnen wollen, dazu ist er zu herb, zu eigenwillig und zu wenig gefällig.
Man liebt ihn, oder man hasst ihn und nimmt Reißaus.Ich liebe ihn,er ist einer der Schätze, auf die ich am wenigsten verzichten wollte (neben einigen anderen).Dabei trage ich ihn gar nicht so oft- um ihn dann um so mehr zu genießen.Ein Alltagsduft ist er nicht, obwohl ich da nicht zimperlich bin.
Er passt zu Menschen, Männern wie Frauen, eher unkonventionell sind. Arabie zu Kostümchen oder 0815-Anzug - nein!,

Spellbound war neben Opium und Obsession (und dem etwas sanfteren Roma) die Einstiegsdroge in die Orientalen.Ich bekam es als Geschenk (mit Folgen...Spellbound, nomen est omen)und kaufte es wiederholt nach.
Den Duftverlauf zu beschreiben, ist gar nicht so einfach.Er ist gleich "da". Ich rieche Nelke, Nelke, Nelke und Hölzer.
Ein österreichischer Duftexperte schrieb einmal, dass die amerikanischen Düfte oft stromlinienförmiger seien als die europäischen. Da mag etwas dran sein.Aber bis heute liebe ich dieses Parfum , trage es gern in der kalten Jahreszeit und habe Freude an der Wärme und Strahlkraft. Der Duft ist schwer, man kann nicht Versteck spielen, wenn man ihn aufgelegt hat. Aber trotz seiner Wucht geht er keinesfalls in die billige oder gar ordinäre Richtung.
Er ist vielleicht eher für Frauen als für Mädchen geeignet, aber es hängt wohl noch mehr vom Typ als vom Alter ab, ob man ihn tragen kann.
Die Reaktionen reichen von "toll" bis "kann ich nicht ausstehen". Das kann ich gut akzeptieren, muss aber darauf keine Rücksicht nehmen.

Durch Zufall konnte ich bei einem Ausverkauf vor Jahren das reine Parfum im wunderschönen Flakon günstigst erstehen. Diese sehr runde blumig-holzige Komposition gefiel mir sehr gut. Obwohl eigentlich klassisch und der Liste der Inhaltsstoffe nach nicht einmal besonders originell, ist es ein Meisterwerk! Es hat etwas Spezielles : zugleich kraftvoll wie zart , sehr weiblich,raffiniert, vielleicht auch durch Ylang-Ylang. Ein tolles Abendparfum, dem ich heute noch nachtrauere!
In diese Richtung gehen auch Van Cleef & Arpels und Micallef Nr. 11 in den wunderbaren Verflechtungen von Blüten, Früchten und Hölzern.Vor allem bestechen sie durch den natürlichen Eindruck der Inhaltsstoffe.

Vor etlichen Jahren erwarb ich diesen Duft im Blindkauf bei "AzD", ich glaube, als ersten.Hm, erst mal eine Enttäuschung, schien mir - als ausgesprochener Liebhaberin schwerer Düfte, zu stark und zu unbestimmt.
Lange Zeit fristete er ein Mauerblümchendasein, immer mal wieder probiert, halb fasziniert- halb überwältigt.
Nun habe ich ihn vor einiger Zeit mal wieder aufgetragen .Und :Plötzlich große Freude daran.Der Duftablauf dauert wirklich viel länger. Zuerst muss man den trockenen, fast erdigen Anlauf abklingen lassen, dann entfalten sich Weihrauch und Gewürze in wirklich orientaler Pracht. Blumiges vermag ich nicht herauszufinden.Ich bin nun begeistert, gerade, weil es eben kein aalglatter, sondern durchaus widerbortiges Erlebnis ist. Nun möchte ich bei dem Parfum fast entschuldigen, dass ich ihn lange nicht erkannt habe.