Serenissima
Top Rezension
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Paris ist eine Reise wert!
Das dachten sicher auch viele Teilnehmer der Französischkurse an der Volkshochschule Berlin-Wedding. Ab einem bestimmten Leistungsstand fand regelmäßig eine mehrtägige Busfahrt nach Paris statt; der Andrang war immer sehr groß.
Von Berlin nach Paris mit dem Bus: mon Dieu!
Die Dozentin (eine Französin, auch in zweiter Ehe - zum Kummer ihrer Eltern - mit einem Deutschen verheiratet) kam immer sehr erschöpft zurück.
Natürlich waren das alles erwachsene Leute; aber alle legten Wert auf ihr Begleitung: sie war auch eine charmante und unterhaltsame Frau.
Außer obligatorischen Stadtrundfahrten und -gängen gab es auch genügend Freizeit, die jeder Teilnehmer für sich füllen konnte.
Natürlich wollten die - hauptsächlich - jungen Frauen auf Kleidersuche gehen und großäugig staunend vor den Schaufenstern der Modegeschäfte stehen, während die männlichen Teilnehmer meist mehr an dem Nachtleben interessiert waren. (Hoffentlich wurden sie nicht enttäuscht!)
Ich denke, hier hat sich seit Mitte der achtziger Jahre nicht viel geändert!
Ob sie nun auch bei Hermès Hauptgeschäft vorbeikamen, weiß ich natürlich nicht; ich war nicht dabei!
Ich weiß nur, dass ich damals, als ich diesen Duft kennenlernte, keinen Gedanken an die Herkunft seines Namens verschwendete.
Ich traf eine himmlische Duftkreation, deren Wurzeln ich nicht unbedingt kennen musste.
Wahrscheinlich war ich damals nicht allein damit; wir mussten nicht alles hinterfragen!
Das war die Zeit der "goldenen Ära" der Düfte: die unterschiedlichsten Parfums sprossen und entfalteten sich wie Krokusse im Frühling!
"Pflück mich!" riefen sie!
Jeder Couturier musste mindestens einen Duft seines Namens auf den Markt bringen und durch die Einführung der Miniaturen war es auch nicht schwer, hier und dort zu schnüffeln, sich zu ver- oder auch schnell zu entlieben!
Ach, ich liebte diese kleinen Flacons mit den überraschenden Inhalten. Und im Gegensatz zu vielen der "Erwachsenen" haben sie auch überlebt.
In der Zeit, als "24, Faubourg" meinen Weg kreuzte, waren die meisten Damendüfte warm und sinnlich: voll Opulenz, Glitzer und Glamour!
Und selten wurde die Frage: "Darf's ein bisschen mehr sein?" verneint!
Hach! Manchmal denke ich, unsere Büros rochen damals alle ein bisschen nach einem "siebenstöckigen Freudenhaus" (wie es ein Chef von mir einmal formulierte: Was habe ich mich damals geschämt!)!
Aber schon allein die Aldehyde ließen alles funkeln und entfachten die schönsten Duft-Feuerwerke.
Und erst die Gardenie: Trug nicht jeder Lebemann eine Gardenienblüte an seiner Smokingjacke?
Umgibt diese Blüte nicht der Duft des leicht Verruchten?
Wenn Turandot schreibt, sie hätte Angst gehabt unter dieser Macht des Duftes zu verschwinden, dann kann ich sie heute gut verstehen: für so eine leise und zurückhaltende Frau wie Turandot konnte so eine gewaltige Schönheit schon einer Art Lawine werden.
Ich frage mich heute, warum ich damals, als doch noch so viel schüchterneres Wesen, nicht genauso empfand. Wahrscheinlich brauchte ich diesen Glanz als Hintergrund meiner Selbstdarstellung!
Natürlich wurde im Laufe der Zeit auch "24, Faubourg" durch andere Lieblinge ersetzt; sowohl das Eau de Parfum als auch das Eau de Toilette verschwanden aus meinen Leben.
Interessant wurde es erst wieder in den Jahren hier bei "Parfumo":
Habe ich diese Duftmacht noch richtig in Erinnerung?
Also nahm ich Floramalias Angebot, mir Abfüllungen aus ihrer Sammlung auszusuchen, dankend und natürlich begeistert an.
So kam "24, Faubourg" als Eau de Parfum wieder so mir.
Und meine Erinnerung trog mich nicht!
Golden glänzend und blumig-sinnlich duftend ist dieses Kunstwerk noch immer.
Allein die Kopfnote ist eine wahre Orgie an Düften; der Eingang in einen wahren "Duft-Garten Eden".
Orange und Pfirsich, reif und saftig, wurden großzügig kombiniert mit Hyazinthe und Ylang-Ylang: allein das schon nichts für Duft-Puristen!
Der Weg in die Welt der klassischen Damen-Duftnoten ist hiermit geöffnet:
Natürlich dürfen Jasmin und Iris nicht fehlen; außergewöhnlich ist die geschickt beigefügte Dosis Schwarzen Holunders.
Diese großzügigen Duftgaben werden ergänzt durch edle großblumige Gardenien; beeindruckend in ihrer Schönheit und so auch "24, Faubourg" dominierend.
Erstaunlich harmonisch fügt sich die zarte, transparente Duftspitze der Orangenblüten ein:
Wer hätte gedacht, dass sich diese Fragilität so wunderbar mit der inzwischen beinahe mächtigen Komposition arrangiert: sie geht nicht etwa unter! Nein, sie unterstreicht auf Feinste diese Eleganz!
So ist auch schnell die Brücke vom Aroma der Herz erwärmenden Orangenblüte zur sinnlich-warmen Vanille gespannt!
Jede dieser beiden Nuancen verlockt auf ihre eigene charismatische Weise; beide zusammen sind einfach zauberhaft.
Da "24, Faubourg" ganz Frau ist, dürfen natürlich auch die erotisierenden Komponenten wie wollüstig tröpfelndes Sandelholzöl und träge dahinfließende Patchouli-Duftströme nicht fehlen.
Und Amber! Was wäre ein berückender Damenduft ohne goldenes Amber-Funkeln?
So wiegt sich die berauschende Schönheit dieser Duftkomposition lasziv auf den Klassikern der Basisnote.
Selbstverständlich ist die Haltbarkeit außergewöhnlich: einmal erobert, erweist sich "24, Faubourg" als sehr treu. Noch am Morgen nach dem Auftragen ist sein Zauber präsent.
Und "am Morgen danach" erst recht!
"24, Faubourg" ist eine echte Frau und damit auch ein kleines Luder; nicht gerade verrucht, aber ...
Und um auf den Titel gebenden alten Schlager zurückzukommen:
Paris, das ist "La Femme": toujours, toujours, toujours "la Femme"!
Wobei dieses Schmuckstück nun kein alltäglicher Duft sein muss, es aber gut sein kann.
Jedenfalls habe ich so einen passenden Abschluss für meinen 555. Kommentar gefunden.
Den widme ich Floramalia: sie hat ihn als Dank für die großzügigen Abfüllungen verdient!
Und nun: Vorhang! Tusch! (Und vielleicht sogar Applaus?)