Matvey
Matveys Blog
vor 6 Jahren - 12.06.2018
13 37

Igitt, Körpergeruch! - Anekdoten und Erklärungen aus der Geruchsforschung 2

Spätestens als ich gestern die Präzisionswaage mit Vanillinpulver verstopft und meine Nase heute in einen Tigel konzentrierten Achselschweißes gehalten habe, ahnte ich - in diesen ätzenden Momenten steckt das Potenzial für ein paar Geschichten. Einfach nur ein wenig aufbauschen, die dramatischen Stellen betonen und den trockenen Alltag großzügig umschiffen: Schon taucht am Horizont die gülden schimmernde Vision des Geruchsforschers auf, der einem idealistischen Superstar gleich Leib und Leben für das reine, das edle, das zukunftsweisende Wissen opfert!

Äh, ja, natürlich. Was gibt es zu erzählen und zu erklären? Heute plaudere ich ein bisschen über Körpergerüche: was ich so mit bestimmten Stoffen im Labor erlebt habe, was ich mit der Zeit so an Dreiviertelwissen von den Leuten und einigen Artikeln angesammelt habe, und was ein paar wissenschaftliche Arbeiten dazu sagen. All das aber weit entfernt von dem Anspruch jeglicher Vollständigkeit und Genauigkeit. Man säße Wochen daran, allein die Grundlagenartikel zum Thema durchzuackern.

Zum Thema Körpergerüche kann ich nämlich eigentlich gar nicht viel ablassen. Ich hantiere zwar mit ein paar kleinen Flaschen mit "unseren" (auch deinen!) Molekülen herum, aber das passiert zumindest gerade eher in einem Rutsch mit ein paar dutzend anderen Stoffen und nicht, weil ich gerade ins Thema Körpergerüche vertieft wäre. Was ich recht bildhaft erläutern könnte: die stinken vor allem. Aber nicht alle, nicht immer, nicht für jeden, und eigentlich kann man auch gar nicht von stinken reden. Stinken tut's, wenn man einen Flakon mit konzentrierter MSH-Lösung vor den Riechkolben drückt und davon einen Zug nimmt. Dann wird einem auch mal schwarz vor Augen.

MSH steht kurz für 3-methyl-3-sulfanylhexanol. (Toll, das klingt ja wie auf der Zutatenliste eines Maggi-Fertiggerichts!). Von diesem Stoff gibt es zwei Formen, von denen eine als zwieblig-schweiß, die andere als tropisch-fruchtig beschrieben wird. - Es ist eine der interessanten Eigenschaften des Geruchssinns, dass das gleiche Molekül in einer anderen, zum Beispiel spiegelbildartig verdrehten Form, komplett anders riechen kann. Mit dem MSH eng verwandte Stoffe, Sulfanylalkohole, finden sich lustigerweise auch in Wein, etwa in Sauvignon Blanc, der für tropische Fruchtnoten bekannt ist! (Solche Beispiele kann man eigentlich in Unendlichkeit fortsetzen und sie haben rein gar keine Bedeutung außerhalb des netten Effekts, Typ "Haha, der Duft von Jasmin riecht konzentriert nach Kacke!" - Alter Klassiker.)

Wie angedeudet könnte ich mir vorstellen, dass eine Probe konzentrierten MSH (in der die schweißige Form überwiegt) so manch komatösen Zustand beenden könnte. MSH ist in viel geringeren Mengen aber eben einer der Stoffe, die unseren Schweißgeruch mitbestimmen. Vor allem den Geruch von ekeligem alten Achselschweiß. Wie war das nochmal mit altem und frischem Schweiß? Genau, frischer Schweiß riecht eher schwach. Zwar wimmelt es darin von Fettsäuremolekülen, die eigens von unseren Achsel- und Genitaldrüsen nach draußen gejagt werden, aber die sind erstmal noch so groß und schwerfällig, dass davon kaum etwas in die Luft und in die Nase zu steigen vermag. Erst die bakterielle Besiedlung der Haut zersetzt diese ganzen Stoffe dann zu einem einzigartigen, flüchtigen, duftigen Cocktail. Und wer besonders viel MSH in seinen Cocktail gemixt hat, nun ja, der sollte duschen.

Ich bin noch auf eine Arbeit gestoßen, laut der Polyester möglicherweise eine bessere Lebensgrundlagen für genau die Bakterien bietet als Baumwolle, die MSH produzieren. Wer kennt das nicht, dass Kunstfasterklamotten nach dem Sport stinken wie ein Iltis!

Ein anderer Achselstoff ist HMHA, klingt fast gleich, und ausgeschrieben noch mehr: 3-hydroxy-3-methyl-hexansäure. Viele Dreien im Schweiß! Anders als MSH enthält HMHA kein Schwefelatom, und Schwefelatome machen beim Geruch einen großen Unterschied. So wird MSH durchschnittlich schon in hundertfacher Verdünnung im Vergleich zu HMHA wahrgenommen. HMHA wiederum hat einen Duft, der in der Richtung "käsig-ranzig" umschrieben wird. Das wundert nicht: der Stoff gehört zu den langkettigen verzweigten Fettsäuren und diese haben oft einen käsigen Geruch, und kommen eben auch in Käse, Därmen und solcherlei schönen Dingen vor (wieder so ein "cheesy" Vergleich).

Es sieht übrigens so aus, als komme MSH gehäuft im Schweiß von Frauen, HMHA verstärkt bei Männern vor. Gut, jetzt mag man darüber diskutieren, ob Frauen tropisch-fruchtig-zwiebeliger und Männer käsiger und fettiger riechen. Das ist auch nur eine ganz grobe durchschnittliche Aussage und die sind sowieso immer schwer zu interpretieren… Ich gehe lieber zum nächsten Punkt: Androstenon!

Androstenon gehört zu einer ganzen Familie von Stoffen, die alle mit Andro- beginnen, die ich deswegen nicht auseinanderhalten kann, und zu denen ich hier (heute!) keine Fachtexte loslassen werde. Es sei gesagt, dass diese ganze Familie ein bisschen mythenumwoben ist, seit populärwissenschaftliche Medien schlecht durchgeführte Studien überinterpretiert haben. Seitdem gibt es Parfums, die zum Beispiel nur Androstenon enthalten. Und das sollte nicht erfreuen, denn Androstenon riecht nach Urin. Und ist auch in Urin enthalten. Klasse. Aber auch: In Eberfleisch, weshalb in vielen Ländern männliche Schweine ohne Betäubung kastriert werden.Und: im Speichel. Sogar unserem. Wobei ich jetzt nicht auf der Kappe habe, welcher "Andro"-Stoff wo bei uns im Körper nachweisbar ist und in welchen Mengen. Fest steht: Androsten-ON ist an sich schon ein faszinierender Stoff, weil er so deutlich aufzeigt, wie unterschiedlich Nasen sind:

Mein Kollege Arnaud rümpft schon die Nase, wenn ich in drei Meter Entfernung eine geschlossene, in Plastik eingewickelte Flasche Androstenon in der Hand halte. Für ihn riecht das Zeug unerträglich abstoßend und extrem stark. Er kann nicht an einer offenen Flasche riechen. Für mich ist Androstenon zwar unangenehm und erinnert an Urin, aber bei weitem nicht so stark: Ich kann problemlos am offenen Flakon riechen, es ist halt nicht so nett. Wieder andere im Labor können Androstenon überhaupt nicht wahrnehmen, null! Und das führt dazu, dass man mit so einer Flasche in einen Raum gehen kann und in Sekunden sieht, wer den Stoff wie stark wahrnimmt. Etwa ein Drittel kann ihn gar nicht riechen, hat also eine Anosmie für Androstenon. Das kann regional unterschiedlich sein: in Frankreich sind die Menschen tendenziell sensibler dafür als in England, weshalb zum Beispiel die Ferkelkastration besonders in Frankreich verbreitet ist.*

Diese spannende, starke unterschiedliche Wahrnehmung von "körpernahen" Düften ist nicht auf Androstenon beschränkt. Auch die obigen MSH und HMHA werden unterschiedlich, teilweise gar nicht wahrgenommen. Wer kennt sie nicht, diese Klassenkameraden, Freunde oder Kollegen, die so penetrant immer nach Schweiß riechen, dass man sich fragt, wie um Himmels willen… ? Ich hätte da eine mögliche Antwort. Andersrum seid ihr vielleicht sehr sensibel für bestimmte Körpergerüche und weniger für andere, oder generell sehr sensibel bzw. unsensibel. Es gibt im Grunde alles, zumindest wahrscheinlich - mir sind da nicht mal so viele Erhebungen bekannt, aber da bin ich auch kein Experte. Spannend! Wie stark reagiert ihr auf solche Gerüche? Ich habe immer das Gefühl, dass ich sehr stark auf Körpergerüche reagiere. Nicht unbedingt negativ, sondern ich nehme sie einfach wahr. Jedem meiner Freunde und näheren Bekannten kann ich einen Geruch zuordnen und bei den meisten habe ich auch eine klare Vorstellung von diesem Geruch im Kopf. Besonders der Geruch beim Reden - Mundgeruch klingt so abstoßend, was nicht unbedingt der Fall ist - fällt mir eigentlich immer prägnant auf, auch wenn der Gesprächspartner keinen "Mundgeruch" hat. Ich weiß nicht, warum das so ist: Es könnte von der Aufmerksamkeit verstärkt werden, weil ich darauf auch achte. Es könnte dadurch auch regelrecht trainiert worden sein, oder es Halluzination :-) Leider weiß ich gar nicht, welche Stoffe im Mundgeruch vorkommen, und finde dazu auch nicht sonderlich hilfreiche Quellen! Es scheint vor allem eine gewaltige Vielzahl von möglichen Stoffen sein, dass man da kaum etwas Genaues zu sagen kann. Aceton kann drin vorkommen, und sogar Meeresbrise. Aber dazu beim nächsten Mal etwas.

Im nächsten Artikel werde ich eine Reihe von "Warum riecht eigentlich XYZ" aufgreifen und versuchen, darauf eine Antwort zu kriegen. Wie eben Meeresbrise: Was riecht da? Kann Salz nach etwas riechen, und wenn nein, warum riechen Dinge dann "salzig"? Sowas in der Richtung. Ich freue mich übrigens auf Vorschläge für Gerüche, die euch vor solche Fragen stellen. Da ich gerade ein bisschen eingespannt bin, kann es nur eine Weile dauern, bis ihr darauf eine Antwort kriegt :-)

*Aus der reinen Tatsache, dass Androstenon im menschlichen Geruch vorkommt und teilweise wahrgenommen wird, kann man übrigens noch nichts über seine Bedeutung ableiten! Das ist ein Fehler, der häufig gemacht wird: Das Zeug ist da, also muss es doch ein Pheromon oder sowas sein?! - Nö.

13 Antworten

Weitere Artikel von Matvey