Stulle

Stulle

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11 - 15 von 24
Stulle vor 3 Jahren 38 17
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Shyce drauf - Malle gibt’s nur einmal im Jahr
Eigentlich wollte ich hier nur mal eine kleine Geschichte von den Balearen loswerden.

Nachdem ich mich aus Gründen des Fremdschämens mein ganzes Leben lang erfolgreich weigerte, diese Inseln zu besuchen, habe ich mich vor ein paar Jahren von vehement insistierenden spanischen Freunden dann schließlich doch überreden lassen, ein paar Tage in ihrem Häuschen in einem kleinen und ruhigen Dorf auf Mallorca zu verbringen.

Was soll ich sagen: tiefster, kalter und dunkler Winter in Deutschland, aber Frühling auf Malle - ein Traum. Ich erspare Euch weitere Details in diesen etwas reisebeschränkten Zeiten, obwohl ja schon der großartige Joseph Hader wusste: „Die Phantasie wächst mit der Begrenzung der Möglichkeiten“ (oder so ähnlich).

Die verlassenen Touristenhochburgen nur einmal schnell durchfahrend um zu wissen, wie es da aussieht, verbrachten wir die meiste Zeit in der Natur. Hinter unserem Dörfchen ging es gleich in die Berge, und unsere ausgedehnten Spaziergänge führten uns an einem alten Palacio vorbei, in dessen Nähe Felder mit Unmengen von Orangenbäumen standen. Da wurde natürlich vom Baum gepflückt, gegessen und eingepackt, was nur so ging, denn diese Gärten wurden ganz offensichtlich seit Jahren nicht mehr bewirtschaftet.

Am frühen Abend beim Kamin des alten, gemütlichen Bauernhäuschens sitzend, wurde dann erzählt, gelacht, das Abendessen geplant und von den frisch gesammelten Orangen gegessen.

Das Problem meiner Spanischkenntnisse ist, dass ich wohl zu gut spreche, um noch großartig Rücksichtnahme zu erfahren, aber zu schlecht, um jegliches seitwärts aus dem Mundwinkel dahingeworfene Detail mitzubekommen.
Die maßgebliche Information, die ich in dieser Runde verpasste, war: „Esst soviele Orangen wie ihr wollt, aber nicht DIESE EINE da, das ist eine ungeniessbare Bitterorange.“

[START SLOWMOTION]

….in der ich in Zeitlupe eben diese Bitterorange schäle, genüßlich sabbernd betrachte und dann mit größter Wonne hineinbeisse….

[STOP SLOWMOTION]

Es folgte ein unfassbar starkes körperliches Erlebnis, vermutlich in seiner Intensität nur mit wenigen legalen Dingen vergleichbar. Nein, nein, es war kein Rausch, aber: diese schlichtweg unfassbare Bitterkeit, die meinen Körper ergriff, war dermassen krass, dass sich JEDES einzelne Haar meines Leibes aufrecht stellte.

Meine nur mittelprächtig üppige Frise stand steil in die Luft. Die Bitterkeit erfasste mich mit massiver Wucht, jeden Millimeter Haut - und es war so dermassen unglaublich, dass ich den legendärsten, tränenreichsten Lachanfall meines Lebens bekam. Sprechen aufgrund des Lachflashes war fünf unendlich lange Minuten absolut unmöglich.

Aufgrund meiner gestörten Artikulationsfähigkeit konnte ich natürlich keinem erklären, was passiert war, und als ich dann wieder halbwegs Luft bekam, deutete ich lachend, schniefend und schneuzend auf die Orangenreste. Und dann ging es nochmal los, denn alle verstanden plötzlich, was geschehen war und lagen grölend am Boden. Klar, jeder Iberer weiß natürlich, dass man diese Dinger NICHT essen kann.

Naja, jedenfalls war der Abend für mich fortan in orangefarbenes Licht getaucht und mein Mallorcaaufenthalt hatte ein weiteres, wenn nicht sogar DAS Highlight gefunden.


¿Aber wie riecht denn nun CHINOTTO DI LIGURIA?

Bitterorange mit einer herben und saftigen Fruchtigkeit allenthalben, jedoch keine Orangensaftnote (wie z.B. bei Orange Sanguine von AC), die mich oftmals kalt lässt. Sogleich kommt auch die dunkelflorale und aromatische Fülle der Jasminblüten ins Spiel, die mich ein bisschen an die Wärme von AZZARO pH erinnert.
Der roch wahrscheinlich völlig anders als ich ihn in Erinnerung habe, aber ich verband mit ihm immer eine ergreifende und warme Körperlichkeit, die von CHINOTTO DI LIGURIA ebenfalls zitiert wird.

Weiches Moschus rundet den Duft nach unten ab, nimmt ihm aber zu keiner Zeit die Prise Männlichkeit mit seiner deutlichen, aber nicht übermächtigen Patchoulinote. Das ist auch der Part des Duftes, der ihn für mich nicht mehr so richtig damenkompatibel erscheinen lässt, aber das entscheidet ja jede Nase ganz subjektiv für sich alleine.
Das Patchouli bemerke ich übrigens nur wirklich, wenn ich den Duft ausnahmweise auf der Haut trage. Ansonsten präferiere ich das Tragen auf Textil; zum einen um Körper & die Haut zu schonen, zum anderen behält der Duft dann bei weitem länger die Frische und Säure der wunderbaren Kopfnoten.

AdP hat einige schöne Düfte am Start, neben BERGAMOTO DI CALABRIA (den Frau Stulle sich unter die Nägel gerissen hat) ist CHINOTTO DI LIGURIA auf jeden Fall bislang mein Favorit.
17 Antworten
Stulle vor 3 Jahren 57 24
9
Duft
Zeitreise
In den ausklingenden Achtziger Jahren waren Keramik-Duftlämpchen sehr in Mode. Unten stellte man ein Teelicht rein, oben wurde etwas Wasser zum Verdampfen in eine Schale gefüllt und dann gab man ein paar Tropfen Duftöl dazu. Ich erinnere mich eigentlich nur noch an Ylang-Ylang, das eine betäubend schwere, aber wahnsinnig faszinierende und erotische Atmosphäre schuf.

Nun habe ich TAM DAO zum ersten Mal gerochen und es hat mich ungebremst in diese Epoche zurückgeschleudert - Sandelholz war natürlich der populärste Duft für diese Lämpchen! Mögen die Zeitgenossen mich korrigieren, aber ich glaube, 90 Prozent aller jungen Damen hatten so ein Ding in ihren Gemächern stehen. Kein Besuch bei den verehrten/begehrten Geschöpfen, ohne dass ein Teelicht flackerte und gelegentlich im Eifer der, äh, Diskussionen völlig vergessen wurde, nach dem Verlöschen ein neues anzuzünden.

Es liegt auch durchaus im Bereich des Möglichen, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl unserer jüngeren Parfumos zu ebendiesem Duft gezeugt wurde. Vielleicht könnten die Sandelholzkinder für mich ja einfach mal ganz unverbindlich diese fast nebensächliche Information aus ihren Eltern herausbekommen…

Aber nicht alles war so romantisch zu dieser Zeit. Ich hatte einen Kollegen, mit dem ich zeitgleich nach dem Abitur eine Lehre anfing. Sympathie auf den ersten Blick, und M. war ein lustiger, gleichzeitig aber auch in sich ruhender Mensch, mit dem man überhaupt nicht in die Nähe eines Streites kam. Nächtelange Diskussionen über Gott und die Welt, wie sie halt in diesem Alter Standard sind.

Da just am Übergang in die Neunziger Jahre der Siegeszug des Personal Computers anfing und M. von Hause aus nicht ganz unbegütert war, hatte er natürlich so eine Kiste in der Wohnung stehen (wow, er hatte eine eigene Wohnung, während alle gleichaltrigen Freunde noch bei den Eltern hausen mussten!). So verbrachten wir dann viele Tage und Nächte mit dem damals nagelneuen Spiel MONKEY ISLAND! Mit dem obsessiven Potential, das wir beide hatten, gingen Wochen ins Land, bevor wir das Game durchgespielt hatten (es gab noch keine Tutorials online abzurufen). Und im Hintergrund, ohne Unterlass, die ewig köchelnde Duftlampe mit - Sandelholzöl!

Wie das Leben dann so ist, trennten sich unsere Wege. Ich hatte meine Pläne, und M. dümpelte so ein bisschen in einen „anständigen“ Job hinein. Lebensinhalt war das nicht, aber gutes Geld, und so konnte er dann jedes Wochenende ein bisschen zuviel trinkend über die Dörfer und durch die (Klein-)Städte ziehen und es krachen lassen. Gelegentlich und mit wachsender Frequenz dann auch werktags und vormittags.
Irgendwann sah man sich nicht mehr, aber ich hörte sehr viel später, dass er zuviel mit seltsamen Leuten unterwegs gewesen war. Noch mehr, viel mehr Alkohol und reichlich Drogen; seine Psyche hat das alles nur bis zu einem bestimmten Punkt mitgemacht, und irgendwann konnte er nicht mehr. Und dann wollte er nicht mehr.

*

Man sagt, dass jemand noch solange existiere, wie ein Mensch an ihn denkt. Das mache ich, und ich lege einen imaginären Stein auf Dein Grab, das ich nie sah, lieber M.

*

TAM DAO ist genau dieser tiefe und warme Sandelholzgeruch, der mich an die intensive Zeit jener Freundschaft, des Erwachsenwerdens, der existenziellen Fragen, des Zweifelns und Vermutens, der ungebremsten Neugierde, der ungewissen, aufregenden Zukunft und auch noch an eine andere, sehr lange und sehr intensive Liebesgeschichte erinnert.
Das Parfüm hat einen leichten, zypressigen und holzigen Klang und bleibt an mir relativ unsüß. Nichts lenkt ab, alles passt und hat Sinn, mir erscheint es strukturiert und transparent. So wie man beim Rückblick in die Vergangenheit plötzlich klar den Weg erkennen kann, den man bis heute gegangen ist.

Ich wusste bis jetzt nicht mal, dass mir Sandelholz dermaßen gut gefallen kann und habe auch keinen Duft dieser Ausrichtung dermaßen emotional und ergreifend erlebt. Wat nu? 10 Punkte für die Zeitreise, 8,5 Punkte schonmal für den Duft - eine Abfüllung muss her, um dieser Faszination noch weiter nachzuspüren.

Auf die alten Zeiten!
24 Antworten
Stulle vor 4 Jahren 31 15
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Herren-Tonkabohne
Erstmal sei angemerkt, dass ich mit sehr süßen Düften nicht so gut kann. Ich mag sie schon gerne riechen, aber die meisten verwandeln sich auf meiner Haut bzw. Kleidung in Sirup. Deshalb hatte ich auch Vorbehalte, L’Homme Ideal überhaupt eingehender zu testen - aufgrund einiger Kommentare habe ich ganz schlimmes Zeug erwartet. Jedoch, zu meiner großen Überraschung, zeigt sich dieses EdT in meinen Tests überhaupt nicht so süß.

Es beginnt frisch, minimal zitrisch, und wird von einer leichten Orangenblüte - normalerweise einem meiner Nervkandidaten - begleitet, dankenswerterweise in zurückhaltender Dosierung. Aha, so unplakativ kann man das also machen.

Halbwegs zügig übernimmt Tonkabohne die Regie, dazu nehme ich auch eine sehr selbstbewusste heliotropisch-mandelige Note wahr. Das Erstaunliche für mich ist, dass diese Kombination NICHT überbordend süß wird; die erwartete klebrige Schwülstigkeit wird nämlich rechtzeitig durch trockene Noten abgefangen, die ich als Vetiver und etwas Iso-E-Super-Zeder zu identifizieren glaube.

Im weiteren Verlauf halten die beiden genannten Basisnoten den Duft konsequent aufrecht & sauber und lassen nicht zu, dass er zu einer überzuckerten Brühe wird. Ich denke da irgendwie an zwei strenge Bademeister am Beckenrand, die die laut plärrenden und nervigen Schreihälse ins Planschbecken bzw. gleich in die Umkleidekabine zurückschicken. Oder so ähnlich.

Auch nach Stunden empfinde ich noch die genannte Struktur (T-Bohne/Zeder/Vetiver) und glaube, dass der Kunstgriff von Guerlain genau darin besteht: einen Tonkabohnenduft für Herren zu kreieren, der eben nicht zum knatschigen Gourmand wird, sondern eine gewisse Würde behält.

Die Sillage finde ich ganz gut, aber nicht so übergriffig wie die manch anderer Gourmand-Düfte (z.B. der Marke Mugler). Das macht LHI wiederum sehr gesellschaftstauglich. Die Haltbarkeit ist ebenfalls gut und von vormittags bis zum frühen Abend ist der Duft wahrzunehmen. Das Feedback der Umwelt ist ziemlich positiv; wenn ich jedoch mehr Lautstärke und Aufmerksamkeit benötige, kann ich zu etwas anderem greifen.

Meine persönliche Erkenntnis:
die Erwartung eines Gourmands aufgrund der üblichen verdächtigen Duftnoten (hier besonders Tonka) kann einen gewaltig in die Irre führen. Sich vom Vorurteil zu lösen und die Entwicklung des Duftes abzuwarten, ist erweiternd. Schön auch die Erfahrung, dass man mit Tonkabohne weitaus mehr machen kann als knatschsüsses Zeug.

Auch wenn die Reihe des idealen Mannes einen depperten Namen hat (aber wir wissen ja: no story, no glory), hat sie sich offensichtlich etabliert. Ich finde sie insgesamt wirklich gut und auch oftmals meinen Geschmack treffend; für mich ist das eine erfolgreiche Ergänzung der klassischen Guerlaindüfte, nicht der Niedergang der Marke.

Im Falle von LHI freue ich mich jedenfalls über einen wertigen, aber nicht überanspruchsvollen Mainstreamduft, der fast immer passt und den ich nicht nur ausschließlich bei einsamen Waldspaziergängen tragen möchte.

KEINE ZEIT? LIES DAS HIER:

- frischer & minimal blütiger Auftakt
- viel Tonkabohne, etwas Heliotrop & Mandel
- Vetiver & Zeder begrenzen die Süße
- Ein Tonkabohnenduft mit kalkulierter Süße für Herren, die’s gerne geschmeidig, jedoch nicht laut & klebrig haben.
15 Antworten
Stulle vor 4 Jahren 15 12
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft
Anti-Krisen-Duft
März/April 2020: die Welt wird von einem kleinen, aber äußerst fiesen Virus erschüttert und das Leben vorübergehend angehalten.

Ich hatte mich sofort nach Ankunft an meinem zweiten (iberischen) Wohnsitz - einem Hotspot der Corona-Krise - mit den sich dramatisch überschlagenden Ereignissen und Nachrichten auseinanderzusetzen, als ich innerhalb einen Tages verstand: weg hier, und zwar so schnell wie möglich!

So sitze ich denn nun ein paar hundert Kilometer entfernt bei Verwandten in einem winzigen Zimmer, warte, bis die Ausgangssperre aufgehoben oder nochmal verlängert wird und bin froh, dass ich mich selbst, meine Katze, etwas Arbeitsgerät und ein bisschen Kleidung in relative Sicherheit bringen konnte. Nur für Parfüm war leider kein Platz mehr im Koffer, und es macht sich jetzt bezahlt, dass ich im Verlauf der letzten Jahre die günstigen spanischen Drogeriedüfte nicht ignoriert, sondern unermüdlich und immer wieder aufs Neue getestet habe!

Heute also habe ich den schönen Duft AGUA DE BAMBÚ von Adolfo Domínguez erworben. Im Supermarkt, denn Parfümerien sind ja nicht geöffnet.

AdB ist ein Flanker des von mir geschätzten BAMBÚ der gleichen Marke; letzteren hatte ich schon mehrere Monate im Einsatz. Die AGUA-Version davon finde ich aufgrund der leichten und eher spritzigen Ausrichtung etwas vielseitiger als die Vorlage.

Beginnend mit trocken-zitrischen und ansatzweise fruchtigen Noten nehme ich am stärksten eine Grüntee-Note wahr, die sich durch den kompletten Verlauf zieht (der nicht allzu ausgeprägt ist). In dieser Phase ist auch noch der Pfeffer am Start, der den frischen Hallo-Wach-Eindruck verstärkt.
Es drängt sich auch ein gewisser aquatischer Eindruck auf, der wohl durch die Kombination der oben genannten Komponenten erreicht wird.

Dann kommt eine lavendelartige und kardamomöse Herznote hinzu, die für mich eine smarte Männlichkeit illustriert.
Als Fundament des Duftes ist eine weiche Ambrette-Basis vorherrschend, die sich wunderbar mit dem immer präsenten, aber unaufdringlichen Teegeruch paart. Ganz im Hintergrund nehme ich minimal Tonkabohne wahr - und zwar in einer für mich genau richtigen kleinen Menge. Ein Akzent, der dieser oft inflationär benutzten und deshalb desaströs wirkenden Zutat endlich mal zur Ehre gereicht.

Nach nunmehr einundzwanzig Tagen Duftabstinenz hat sich meine Wahrnehmung schon ganz schön - ich würde sagen: zum Guten - verändert. Wenn man längere Zeit überhaupt keinen Duft in der Nase hat, wertschätzt man auf einmal die einfachsten Dinge: ein nettes Deo, eine gutes Duschbad, ein angenehmes einfaches Herrenparfum, das einem plötzlich, beim seltenen Lebensmitteleinkauf, unter und in die Nase kommt und den Moment verschönt.

Und ich frage mich: was wäre denn, wenn jetzt die europäische Wirtschaft massiv einbräche und wir auf einem sehr viel niedrigeren Niveau des Wohlstandes weiterleben müssten? Wenn also kein Budget mehr für 400€-Düfte vorhanden sein sollte? Wenn Parfüm wieder zu einem wirklichen Luxusgut würde, für viele Menschen auch in unseren Breitengraden nicht mehr bezahlbar?

Ich denke, neben meinem ewigen Lieblingsklassiker BRUT 33 von Fabergé und auch vielleicht einem aktuelleren TABAC-Flanker von M&W, könnte AGUA DE BAMBÚ von Adolfo Domínguez eine günstige und feine Wahl sein. Ich bin mir sogar recht sicher.

Hoffen wir, dass wir bald alle wohlbehalten aus dieser weltumspannenden Krise herauskommen.
Für karge und auch für hoffentlich nicht so karge Zeiten möchte ich den Test dieses schönen und frischen Herrenduftes nahelegen.

Bleibt bitte gesund und weiterhin nett zueinander!


12 Antworten
Stulle vor 4 Jahren 30 13
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft
Die Sauvage-Falle
Ich finde, der Vergleich mit Sauvage führt uns etwas auf die falsche Fährte, denn CRAFTSMAN will doch eigentlich ganz woanders hin. Für mich ist es ein frischer und grün-krautiger, keineswegs altbackener Duft, der aber durchaus der Tradition der Marke treu bleibt. Man sollte vor dem Test vielleicht einfach mal an den nun schon etwas in die Jahre gekommenen Tabac Man denken, dann bleibt die Enttäuschung hoffentlich aus.

Beim Aufsprühen sind zitrische und pfeffrige Noten vorherrschend, und das sind auch die offensichtlichen Parallelen zu Sauvage. Der eigentliche Korpus jedoch besteht eher aus Rosengeranie und Lavendel - spätestens da möchte ich beide Düfte nicht mehr so richtig miteinander vergleichen. In der Basisnote kommt eine nicht übermäßige Süße dazu, vermutlich die Tonkabohne.

CRAFTSMAN orientiert sich durchaus an den Kopfnoten moderner Mainstream-Parfums wie dem oben genannten und tritt dadurch beim schnellen Test erstmal sehr zeitgemäß auf, entfaltet jedoch im weiteren Verlauf durch seine entspannte Krautigkeit einen männlichen und zwar nicht wirklich klassisch zu nennenden, aber durchaus seriösen und irgendwie auch gut abgehangenen Charakter. Höchst auffälliges und allzu lautes Auftreten ist mit diesem Herrenduft nicht möglich. Aber dafür gibt es ja auch andere Sachen.

Immerhin sorgt dieses grüne Gerüst dafür, dass er der gefürchteten D-Klassifizierung (D wie Duschgel) entgeht - ihr wisst ja, darauf steht zur Zeit Parfumo-Höchststrafe! Ein Papierstreifentest greift meine Erachtens hier auch viel zu kurz, weil man da nicht weit über die Kopfnote hinauskommt.

Der potentielle Träger des CRAFTSMAN könnte z.B. ein gepflegter, nicht nachlässig oder altbacken, aber auch nicht wie ein eitler Geck gekleideter Herr mittleren Alters sein, der schon immer After Shave nach der täglichen elektrischen Rasur benutzt hat und eine Parfümerie nur dann betritt, wenn er einem netten Menschen etwas schenken möchte. Das eigene Duftwässerchen soll zwar gut riechen, aber auch nicht um Aufmerksamkeit winseln.

Vor kurzem habe ich in einem großen Supermarkt die kompletten Pflegeserien der vier aktuell erhältlichen TABAC-Düfte neben- und übereinander aufgereiht entdeckt: Tabac Original, Gentle Men’s Care, Tabac Man & Fire Power.
Eigentlich sehr schön und auch irgendwie sympathisch. Offensichtlich überlegt man sich bei Mäurer & Wirtz ziemlich genau, wem/wie/wo die Produkte angeboten werden.

Das hat mir immerhin so gut gefallen, dass ich den Deostick vom CRAFTSMAN gekauft habe. Der verharrt übrigens in dieser sauvage-ähnlichen Note und gefällt mir zu diesem Zwecke, ebenso wie das Pendant von TABAC MAN, ziemlich gut. Frau Stulle bemerkt übrigens auch zum wiederholten Male, dass es ziemlich gut duftet. Und DAS soll mal was heissen!

Nochmal kurz:
ein typischer Duft der TABAC-Linie, jedoch gerade zu Beginn frischer und moderner. Wenn man eine genaue Sauvage-Kopie sucht, greift man hier daneben. Wenn man einen modernen, grünwürzigen und zurückhaltend süßen Herrenduft zum Budget-Preis haben möchte: go for it!
13 Antworten
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