Florblanca
Top Rezension
9
Der rote Buchstabe
Ob Manuela Pfannes-Völkel bei der Kreation dieses wunderbaren Parfums an den Roman von Nathaniel Hawthorne - Der scharlachrote Buchstabe - dachte, entzieht sich meiner Kenntnis, jedoch lässt das Parfum es ebenso wenig an Dramatik fehlen, wie das Buch.
Schon der Auftakt ist ausgesprochen gewaltig, doch hier noch eher frisch-grün, weniger zitrisch, und die üppige Rosen-Safran-Hölzer-Vanille Mischung bahnt sich hier schon an. Zunächst erblühen dunkelrote Rosen, die durch die übrigen Duftbausteine beinahe den Akkord von Goldlack und Levkojen annehmen. Süß und mächtig sind diese Blüten, im Hintergrund von eher grünen Noten von Zitrusblättern begleitet.
Gewürze - und ich könnte hier nicht behaupten, es sei nur Safran - unterpolstern die Blüten nach und nach immer mehr. Der Duft wird dadurch wärmer, raumgreifender und unglaublich sinnlich. Später erst gesellt sich ein feiner, fast cremiger Holzton dazu und die Vanille sorgt ebenso wie der Safran für den würzigen Unterbau.
Aufgrund der genannten Duftbausteine könnte man meinen, der Duftverlauf sei linear. Doch das ist er mitnichten und auch Manuela Pfannes-Völkel nennt eine Pyramide:
Kopf = Hesperiden-Akkord
Herz = rote Rosen, Safran, Rosenlikör
Base = Iris, Hölzer, orientalischer Vanille-Akkord
Diese Pyramide stimmt beinahe mit meiner Duftempfindung überein, allerdings finde ich, dass die alkoholische Note im Rosenlikör sich erst nach den Hölzern und der Vanille einstellt. Es ist auch weniger ein Likör, als vielmehr so etwas wie ein wunderbar weicher, süßer Scotch, z.B. ein Singleton, der die dunkelroten Rosen und Gewürze aufsaugt und ihnen dadurch neues Leben einhaucht.
Eine ganz liebe Duftfreundin hat mir die Probe zu diesem Duft zukommen lassen, und sie hätte mir kaum etwas schöneres an Duft bescheren können. Schon beim ersten Sprühversuch habe ich mich in diesen Duft verliebt und auch wenn er sicher kein Sommerduft ist, ich werde ihn bestimmt auch ab und an im Frühling noch aufsprühen, einfach so für mich.
Letter in Red ist eines der Extraits von Manuela Pfannes-Völkel. Die Extraits mit 35 % bis 40 % Duftstoff-Anteil in einer innovativen Öl-Alkohol-Base kommen in einem puristischen Flakon mit goldener Verschlusskappe. Mit diesem Duft ist der Parfumeurin ein absolutes Kunstwerk gelungen, das breite Beachtung verdient.
Die Etiketten werden von Manuela Pfannes-Völkels Schwester gestaltet und sind sehr ansprechend und phantasievoll. Es ist schön, das eine Parfumeurin es wagt, wieder Farbe in die Etiketten zu bringen.
Ganz zu Beginn der kommerziellen Parfümerie vor der Jahrhundertwende des vergangenen Jahrhunderts waren die wundervoll gestalteten Etiketten oft das einzige Merkmal, das Parfums in einem Regal voneinander zu unterscheiden half. Sie kamen damals fast alle in Apothekerflaschen auf den Markt, und die Kundin goss sie dann zuhause in ihren eigenen Flakon, bis die Parfumeure sich mit Kristallerien zusammentaten und die individuelle Flakongestaltung auf die Bühne trat.
Letter in Red ist mein erster Arts&Scents Duft, den ich kennen lernen darf und er ist sofort auf meiner Wunschliste gelandet. Er verkörpert für mich das, was Ramón Monegal seinerzeit als "Autorenparfum" bezeichnete.
NACHTRAG 02.09.2022: Vor einiger Zeit habe ich mir den Duft gegönnt, allerdings ist er zwischenzeitlich reformuliert und weicht von der ursprünglichen Version ab. So ist sofort nach dem Sprühen eine deutliche Rauchnote wahrzunehmenn, dessen Freund ich so gar nicht bin. Und es dauert einige Zeit, bis diese Rauchnote weicht und den schönen weichen, runden, gourmandigen Noten Platz macht. Ehrlich gesagt, ich würde gern diesen Duft gegen die frühere Version eintauschen.....