Oud Immortel (Eau de Parfum) von Byredo

Oud Immortel 2010 Eau de Parfum

Meggi
19.03.2015 - 15:38 Uhr
18
Top Rezension
6Duft 7.5Haltbarkeit 5Sillage 7.5Flakon

Nicht sterben - was einem dazu alles einfällt

"Nicht sterben. Niemand würde niemanden mehr hassen. Niemand würde niemanden mehr beneiden. Man würde einander lieben. Man könnte bis in die Unendlichkeit immer wieder neu anfangen, ab und zu würde sich etwas erfüllen. Einmal unter hundert, unter tausend Malen gäbe es einen Erfolg. Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wir wissen, dass wir keine Zeit haben, unaufhörlich dem Glück nachzulaufen. Der Hass ist der Ausdruck unserer Angst, unseres Zeitmangels. Der Neid ist der Ausdruck unserer Furcht, preisgegeben zu sein. Preisgegeben dem tödlichen Leben, dem Leben, dem Tod…" (Eugène Ionesco)

Diesen Text hatten wir in der Schule im Philosophie-Unterricht gelesen. Hatte – und habe – ich ordentlich dran zu knabbern. Kommt mir stets in den Sinn, wenn die Rede von „unsterblich“ ist. Hm. Ist zweifellos ein wenig hoch gegriffen für die Beschäftigung mit Oud Immortel. Begeben wir uns besser herab von jenen lichten Geistes-Höhen und verfolgen stattdessen profanere Spuren:

Eine zweite Idee wäre, dass die gefährdeten Adlerholz-Bäume gemeint sind, eine Art, die doch bitte nicht aussterben soll und jedenfalls für Oud Immortel wohl kaum abgeholzt wurde. Denn das allein im Namen (will heißen, nicht einmal in der byredo-eigenen Zutatenliste) genannte Oud dürfte lediglich ein Duft-Eindruck, eine Referenz sein und ist – das rate ich jetzt einfach – aus anderem zusammengebaut. Mit mäßigem Erfolg.

Eine dritte Idee wäre, dass offensichtlich eine gewisse Basis-DNA mancher Byredos schlichtweg nicht totzukriegen ist. Muss ja auch nicht, ein Wiedererkennungseffekt ist ganz schön, wenngleich Byredo es vielleicht damit etwas übertreibt. Zum Auftakt kommt mir halt direkt eine solche Gemeinsamkeit in den Sinn, und zwar der Beginn von Baudelaire (diese Ähnlichkeit wurde schon erwähnt), nur ohne die latente Hundescheiße (das wurde allerdings bisher nicht erwähnt).

Letzt, aber nicht geringst: Den Duft habe ich vergleichsweise praktisch ewig getestet. Über Wochen hinweg. Bis heute weiß ich dennoch nicht, was ich davon halten soll, was mir eigentlich genau daran fehlt, um einen Teil des Fazits vorwegzunehmen. Mithin war meine Pauschal-Nörgelei von neulich über den kärglichen Inhalt von Byredo-Testern unfair. In diesem war genug!

Zurück zum baudelaire-ähnlichen Auftakt: Hier ist es leicht muffiger Kardamom statt Müffel-Kümmel, flankiert mit Weihrauch bereits in der Kopfnote. Beides verblasst nach ein paar Minuten und enthüllt den irgendwie lakritzigen Byredo-Haus-Geruch, diesmal leicht gesäuert und verstaubt.

In der dritten Stunde erscheint eine stärkere, chemisch-saure Note, ähnlich der in Ombre Indigo von Olfactive Studio - darauf komme ich sicherlich nur, weil ich den jüngst getestet hatte. Offenriechlicher Verdächtiger wäre im vorliegenden Fall lediglich Limoncello, aber einen derartigen würde jeder Süditaliener in hohem Bogen von sich spucken und den Hersteller in ebensolchem in den Golf von Neapel oder die Bucht von Palermo befördern, und zwar lokalkolorit-gemäß fußbeschwert. Stichiges Zitronenschalen-Aroma ist nicht das Problem, sonst wäre es schließlich kein Limoncello; dass es ein bisschen künstlich wirkt, gehört ebenfalls dazu, mir ist es freilich allzu chemisch. Stop! Alles zurück, Korrektur am nächsten Tag - ‘n büsch’n weniger nehmen, min Jung! Ich berichtige wie folgt: Die Limoncello-Note ist in Ordnung, liefert einerseits Zitrone von innen, andererseits Zitrone von außen, alles gut, mea culpa.

Eine weitere Gemeinsamkeit: Papyrus, der sich „bei uns“ – wie ich kürzlich von unserer Seerose gelernt habe – begrifflich grundsätzlich auf Papier d’Armenie bezieht, ein mit Styrax getränktes Papier, das beim Verglimmen-Lassen nach Weihrauch riecht. Passt zumindest als Ansage, leider kenne ich besagtes Papier nicht näher.

Ab dem späten Vormittag gefällt mir Oud Immortel eine Weile ziemlich gut. Eine balsamisch-süß(holz)lich-holzige Note mischt sich behutsam mit dezentem, gleichwohl charakterlich kräftigem Rauch. Ab dann verändert sich der Duft sehr langsam. Die Ich-tu-als-sei-ich-Oud-Note wird bloß noch angedeutet, zunehmend (vermutlich unfreiwillig) eher wie ein Zitronenbonbon, das Holz wird luftiger.

Das Tabakblatt, das bei mir gern mal unangenehm schweißig-säuerlich wird (ich hatte natürlich bei der Bundeswehr die berühmt-berüchtigte 36-Stunden-Übung, was habt Ihr gedacht?), hält sich freundlicherweise aus meiner Wahrnehmung heraus.

Leider büßt der Duft mit der Abmilderung ab dem frühen Nachmittag zugleich an Charakter ein. Die ohnehin nicht ausgeprägten Ecken schleifen sich weiter ab, doch im Grunde bleibt es in der zweiten Hälfte beim soeben Genannten, eine Idee Patchouli darf noch dazwischenstauben. Das ist alles beileibe nicht schlecht, aber bietet nicht den letzten Kick, der eine Kaufentscheidung positiv ausfallen ließe.
14 Antworten
DOCBEDOCBE vor 10 Jahren
... dein Fazit im letzten Satz entspricht ziemlich genau meiner Sicht auf die bisher von mir getesteten Byredos.
0815abc0815abc vor 10 Jahren
Ich finde den Duft wunderschön. Dein Kommentar hat mir Spaß gemacht. Danke dafür. Pokalranschlepp
IngerInger vor 11 Jahren
Da habe ich jetzt ja einiges dazugelernt!
OrmeliOrmeli vor 11 Jahren
Interessante Betrachtung – Befürchte jedoch, Oud Immortel und ich werden keine Freunde.
DobbsDobbs vor 11 Jahren
Glück gehabt, noch ein Duft, den ich nicht unbedingt auf die Merkliste setzen muss ;o)
Mustang69Mustang69 vor 11 Jahren
Sehr plastisch beschrieben, ich bewundere deine Ausdauer!
KleopatraKleopatra vor 11 Jahren
Wie Du die Brücke von der Philosophie zur Hundescheiße geschlagen hast, finde ich ebenfalls faszinierend! ;) Den Duft allerdings kannste auch behalten :D
MisterEMisterE vor 11 Jahren
Für den gilt in etwa das Gleiche; auch der konnte mich seinerzeit nicht überzeugen. Liegen aber schon fast 2 Jahre dazwischen. Vielleicht ist meine Nase nun mehr Nische gewöhnt... ;-)
MarWicMarWic vor 11 Jahren
Krude Mischung, ; Tapferkeits-Pokal !
PaloneraPalonera vor 11 Jahren
Philosophie und Hundescheiße. Es ist doch immer wieder spannend, welche scheinbaren Gegensätze sich in Deinen Kommentaren finden, :-)!
GerdiGerdi vor 11 Jahren
Feiner philosophischer Exkurs, schicker, witziger Kommentar! Den Duft muss ich nicht testen, aber ich denke, dass muffig immer noch besser als müffel ist!
SeeroseSeerose vor 11 Jahren
Was sind wir doch mäkelig, oder? Und was ist, wenn wir in der Unendlichkeit keine totale Amnesie haben? Weia, dann geht alles wieder von vorne los, unsterblich. Deswegen auf alle Fälle: Pokal+ jetzt!
YataganYatagan vor 11 Jahren
Ionesco ist immer (sehr) gut., Byredo nur gut. Darüber kommen sie bei mir nicht hinaus und werden darum keine Kaufkandidaten.
ErgoproxyErgoproxy vor 11 Jahren
Am Anfang finde ich den unschön.