Meggi
01.03.2016 - 13:43 Uhr
24
Top Rezension
6Duft 7.5Haltbarkeit 5Sillage 7.5Flakon

Der Fluch des Kunstholzes

Wonderwood zeigt einen verhaltenen, regelrecht gebremsten Auftakt. Der Duft braucht lange, um einigermaßen in Fahrt zu kommen. Selbst der den Start dominierende Pfeffer vermag nicht, sich zu voller Größe zu entfalten.

Seine Reste verschmelzen während der ersten halben Stunde mit stillem Weihrauch. Holzig wirkt er, denn der Duft schlägt nunmehr den Weg in die namentlich vorgegebene Richtung ein. Zeder scheint mir plausibel, sogar echte. Jedenfalls riecht es nicht nach Bleistift. Zypresse womöglich noch, dazu irgendwas Mild-Nadelbaumiges. Außerdem nehme ich unterschwellig ein ganz leichtes Gewürz-Gepiekse wahr, das mich entfernt an 8 88 aus gleichem Hause erinnert.

Spätestens im Laufe der zweiten Stunde zeigt sich das Kunstholz – bemerkbar, so zumindest meine empirischen Erkenntnisse, an einem süßlichen, efeu-kokoshaften Beiklang. Bevor ich auf meinen Kommi-Titel eingehe, mache ich allerdings zunächst weiter.

Nach drei Stunden kommt mir Wonderwood wie ein in sämtlichen Belangen ausgebremstes Gemisch anderer Comme-des-Garçons-Düfte vor. Zu keinem davon in der Nähe eines Duft-Zwillings, das wäre übertrieben. Doch ich nehme im Vergleich zu 8 88 mutloses Gewürz, im Vergleich zu Hinoki mutlosen Weihrauch und im Vergleich zu Sugi mutloses Holz wahr. Ich bin zweifellos kein CdG-Experte - eventuell würden solche mehr entdecken. Nach fünf Stunden ist der Duft in einer schönen, dunklen Holz-Note angelangt. Riecht, wie Mahagoni aussieht. Das ist endlich CdG in Top-Form. Das Holz ist weniger fahl als in Kyoto, indes nicht minder würdevoll.

Die Ansage des Herstellers zum Duft finde ich recht kühn. Ausgelassenheit wird versprochen („An Evocation of Exuberance. A positive overdose of woods…“). Ausgelassenes präsentiert sich mir gar nicht. Wonderwood ist vielmehr ziemlich zurückhaltend. Was natürlich per se nichts Schlechtes sein muss, aaaaaber… Kommen wir jetzt zum „Fluch des Kunstholzes“:

Wie der Zufall so spielt, hatte ich an einem Wonderwood-Test-Tag auf dem Sekundärduft-Handgelenk „Hylnds - Pale Grey Mountain, Small Black Lake“ von D.S. & Durga aufgetragen. Kein Duftzwilling, das sei klargestellt; der naturnähere Kollege hat mir bloß die ganze Kunstholz-Misere aufgezeigt, die mich zudem an eben jene im (Wonderwood charakterlich eher verwandten) „In the Woods“ von eSENSielle erinnert: Das Labor-Zeug kann sicherlich abrunden und dem Glutamat im Essen vergleichbar schmackhaft machen. Leider kann es bei allzu großzügigem Einsatz freilich offenbar auch einfach gewisse Nuancen plattbügeln, insbesondere luftig-sachtere fein-würzig-aromatischere Bestandteile. Ein weiteres Beispiel dafür ist „Carbone“.

Die direkte Gegenüberstellung mit dem Highlander lässt Wonderwood mithin geradezu erschreckend schatten- oder skizzenhaft wirken, ähnlich einer komplett oberton-enteierten MP3-Datei vielleicht. Erst am späteren Vormittag, auf dem Weg zur erwähnten fünften Stunde vermag Wonderwood an Boden zu gewinnen. Die sich eindunkelnde Holznote kann die synthetik-induzierte Süße vermutlich schlichtweg besser verkraften als die helleren und feineren Vorläufer.

Fazit: Ich bin von Wonderwood per saldo enttäuscht. Positiv hervorzuheben ist, dass ich den Duft als kostenloses Pröbchen von CdG höchstselbst erhalten habe. Man kann sich auf deren Internet-Auftritt anmelden und aus einer kleinen Auswahl ein Pröbchen aussuchen. Dieses bekommt man dann irgendwann zugesandt (wenn man die Hoffnung darauf längst aufgegeben hat). Der unvermeidliche Gegenzug-Newsletter erscheint in sehr maßvoller Taktung.
17 Antworten
PolyanthaPolyantha vor 4 Jahren
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Was für eine tolle, genaue und aufschlussreiche Rezension!
BriseBrise vor 10 Jahren
Ich geb mal "per saldo" 'nen Pokal für das "oberton enteierte MP3"-Zeugs.
:-))
TooSmell27TooSmell27 vor 10 Jahren
Ich hatte deren Werbespruch nicht mehr in Erinnerung. Nee, da paßt deine Beschreibung besser.
IngerInger vor 10 Jahren
Dann kann ich ja mein Proberl beruhigt im Kisterl lassen ...
GaukeleyaGaukeleya vor 10 Jahren
Fixt mich so oder so nicht sonderlich an, der Duft. Wobei ich gegen ein wenig Synthetik nicht per se unbedingt was habe, kommt auf den Einzelfall an.
0815abc0815abc vor 10 Jahren
Den muss ich endlich mal testen.Danke für den Kommentar.Ich kann bis hierher hören,wie der riecht.
PlutoPluto vor 10 Jahren
So einen Pessimisten muss ich dann auch nicht testen...
MonsieurMonsieur vor 10 Jahren
CdG ist per se ziemlich synthetisch - den finde ich für eine gemütliche Privatsession ganz angenehm, Du solltest natürlich keine Holzbombe erwarten... ;-)
DOCBEDOCBE vor 10 Jahren
Habe gerade nochmal geschaut. 7.0 immerhin hat er seinerzeit von mir bekommen. Nachhaltig im Gedächtnis ist er allerdings nicht geblieben.
DuftJunkieDuftJunkie vor 10 Jahren
Ein Wunderholz ist dieser Geselle sicher nicht. Interessant? Auch nicht unbedingt. Aber brauchbar für den Alltag? Bingo :-D.
PaloneraPalonera vor 10 Jahren
Oje. Das liest sich ganz so, als müßtest Du mit einem Mutmach-Pokal aufgepäppelt werden...
TaurusTaurus vor 10 Jahren
So ein paar Bestandteile sind recht brauchbar bei diesem Wunderhölzchen, aber ganz überzeugend ist er nicht :-(
UnterholzUnterholz vor 10 Jahren
Mutloser Durchschnitt dieser Holzgeselle!
SisyphosSisyphos vor 10 Jahren
Mein Fall war der auch nicht.
ErgoproxyErgoproxy vor 10 Jahren
Ich konnte den im wahrsten Sinne des Wortes nicht riechen. Für mich ein belangloser Duft.
YataganYatagan vor 10 Jahren
Ich kenne zwar alle (sic!) CdG's, aber ich muss auch sagen, dass mir dieses typische Kunstholz in der Basis dieser Marke mittlerweile ein bisschen auf den Nerv geht.
CravacheCravache vor 10 Jahren
Frueher mochte ich den. Kunstholz?
Hm, ja, das trifft es genau.