Profuma
Top Rezension
11
Pink Swan oder das wildere Kind
Der Auftakt ist recht stechend und stark und ich ertappe mich dabei, wie ich denke: "Oh nein, nicht so einer!" Doch schon am Ende des Satzes klingt die stechende Note etwas ab, wirkt weniger bitter. Und das ist gut so. Alles andere hätte mir missfallen, da zig-mal gerochen und erlebt und nicht mein Ding. Klar wäre die Flasche an sich auch noch ein dekorativer Hingucker im Bad. Aber ich mags gerne wenn Inhalt und Flakon gleichermassen etwas hergeben, wobei ich sogar noch eher auf einen schönen Behälter verzichten kann. Hauptsache der Duft stimmt.
Hier also geht es mit der Tuberose gleich so richtig los und wie erwähnt, erlischt die zusätzliche bitter anmutende Note schon nach ein paar Augenblicken. Dann wird MàNY etwas weicher. Eine geballte Ladung an weissen Blumen kommt dazu, wobei Jasmin und Gardenie die Tuberose gleich einfangen und mit sich tragen. Dieses Gespann hat es in sich und dominiert den Duft bis zum Schluss. Das könnte bei manchen zu Kopfbrummen führen. Zum Glück nehme ich nicht auch noch allzuviel von den anderen Blüten wahr. Diese weisse Power schlägt schon ordentlich genug zu, da will ich nicht wissen, was die anderen noch anzurichten vermögen. Stattdessen erwarte ich mit Sehnsucht das Leder und die Holznoten. Und die geben dem Verlauf etwas Spezielles. Er schlägt einen Haken und für mich sehr angenehm. Er verlässt den weissblumigen Pfad, um hier und da andere Wege zu beäugen. Dort fängt für mich der eigentliche Charakter von MàNY an. Ab hier wird er weiblicher, etwas reifer, geerdeter und runder. So bekommt er eine besonderen Anstrich, der ihm zuvor vor lauter "White Power" noch versagt geblieben ist und den man dort noch nicht einmal erahnen konnte. Dieser Vanderbilt erfindet das Parfum nicht neu. Zuviel Blumen und Kombinationen, die man anderswo auch schon wahrgenommen hat. Dadurch aber, dass er diesen Haken schlägt, trägt es ihn aber schon in eine interessante Richtung, die neugierig macht. Ist er süss? Ich finde es schon fast schwierig, hier von Süsse zu sprechen, da ihm dafür die Zutaten wie Früchte oder Vanille und Moschus fehlen. Er tendiert in die süssliche Ecke, aber er ist eher bittersüsslich, vielleicht süsslichledrig bis süsslichholzig als fruchtigsüss, wie es eine Johannisbeere, Birne oder Pflaume und Aprikose zustande bringt. Trotzdem hat er ordentlich Kraft und zuviel des Guten kann zu Überreizung der Sinne führen. Die Haltbarkeit ist stattllich, die Sillage, wie angedeutet eher heftig und ich würde ihn im Frühling oder noch nicht so kalten Herbsttagen ansiedeln. Wobei ich ihn jetzt gerade trage und sagen muss, dass er bei dem kalten Wetter durchaus auch seinen Reiz hat, wenn er so mit seinen Blumen wedelt. Er winkt verlockend mit der Aussicht auf den Lenz, was einem die trüben Tage auch etwas versüssen kann. Den Sommer möchte ich ihm nicht zumuten, da wird er unter Umständen anstrengend für sich selbst und andere Mitstreiter, die eher mit hohen Temperaturen zurecht kommen. Ist die pinke Farbe des Saftes treffend? Jein...da kann man ruhig geteilter Meinung sein. Ich möchte ihm genauso gut ein blickdichtes und hochglänzendes weisses Kleid für die dominierenden dichten, weissen Blumen überziehen, nur sähe man den Schwan dann nicht so deutlich. Das goldene Hütchen dürfte er aber aufbehalten. Für "Minuit" finde ich ihn zu wenig dunkel. Dieser Duft schreit für mich nach Tag, Luft und Sonne. Durchaus in einem schönen Park, in den ein See eingebettet ist und es von Bäumen und Sträuchern nur so wimmelt. MàNY ist ein sehr tuberoselastiger und auch sonst weissblumig dominierter Blütenknaller, abgerundet mit etwas Holz und Ledernoten, "unmadamig" aber dennoch weiblich, vielleicht sportlich-elegant, gepflegt durchaus und selbstbewusst, mit etwas Hang zur Dramatik. Zum Glück gänzlich verschieden zu seinem gelblichen Pendant, das für mich persönlich klassischer und mondäner daherkommt und womöglich eine andere Gruppe anspricht. Somit ist der pinke Schwan ein eigenständiger Duft mit einem eigenen und starken Charakter. Trotzdem passt diese Schwester ins Gefüge der anderen Familienmitglieder. Gerade wieder an den Feiertagen ist es doch immer auf's Neue interessant zu beobachten, wie verschieden all die Menschen sind, die man am Tisch zum gemeinsamen Mahl versammelt hat. Und doch verbindet sie dasselbe Blut miteinander. Das soll hier nicht anders sein. Dieses Kind hier ist halt nur etwas wilder und schriller als die anderen, aber jede Familie braucht doch so jemanden, sonst wäre das Leben langweilig.