12.11.2022 - 11:41 Uhr
Axiomatic
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Axiomatic
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38
Eine respektable Rose
Hier sollte ich Gertrude Stein und ihren Rosen-Aphorismus ruhen lassen, denn diese Schöpfung erzählt eine andere Geschichte.
Eine Rose sicherlich, wenn auch eine zeitgenössische Auffassung derselben und nicht als geschlossen anzusehen.
Vielleicht ergibt ein Gleichnis ein etwas einfacheres Verständnis.
Dazu bemühe ich die Berliner Fasanenstraße.
Wäre besagte Meile eine geschlossene Stadterfahrung, so würde man sagen können: ja siehe da, die Fasanenstraße ist ein Sinnbild für das gehobene Bürgertum der Hauptstadt. Das ist die gute Stube Berlins, kann kommen, was wolle. Punkt.
Stimmt es?
Nun, der Wandel der Zeit setzte der einstigen Prachtmeile arg zu. Zeugnisse respektvollen Umgangs fielen der Barberei zum Opfer, andere überdauerten. Mitunter mischte sich auch das schnöde Wirtschaften mit entsprechender Architektur unter die Bauruinen nach dem Krieg, ganz zu schweigen von der monotonen Gestaltung akademischer Lehrstätten im nördlichen Verlauf.
Jetzt wird einem klar, dass hier kein Aphorismus mehr die gute Stube als solche beschreiben kann.
Eine Rose ist eine Rose ist keine Rose.
Zisch!
Hier bahnt sich eine schöne Petitgrain-Note den Weg in die Nase. Sie fällt merklich herber aus als gewohnte Kölnisch Wasser Referenzen. Vielleicht wurde hier der Gehalt an Zweigen des Bitterorange erhöht. Nicht stechend, sehr zart und liebkosend.
Wie ein sanftes Lächeln.
Die Begrüßung wird wärmer, sinnlicher.
Osmanthus in dunklem Ockerton vereinigt sich mit, so meine ich zu riechen, schwarzem Kardamom. Jene Sorte also, die herber und leicht körperlich gefärbt ist.
Es ist dieser erwartungsvolle Blick, die verführerischen Augen, das Verlangen. Bleib doch stehen!
Ein kurzer Augenblick, dann verflüchtigen sich Osmanthus und Kardamom.
Man hält inne und möchte die Rose ansprechen.
Doch diese Rose möchte respektvoll begehrt werden, sie zeugt von gehobener Liebeskunst.
Ohne Hast und Eile schlendert sie elegant weiter. Mit gewisser Kühle dreht sie sich verstohlen um. Ihre dunkelrote Pracht wird einem langsam bewußt.
Komme mir nicht zu nah! Warte, laß mir Zeit!
So ein betörendes Umwerben gehörte, wie oft literarisch eingefangen, zum festen Bestandteil des vornehmen Westens der Hauptstadt. Ein Lächeln, ein Blick, ja ein stilvolles Zurückweisen konnten das Flanieren am Kurfürstendamm und der Fasanenstraße zu einem spannenden Erlebnis gestalten.
Doch der Duft bleibt nicht in der Zeit stehen. Er zitiert zwar Gewesenes in alter Pracht, entwickelt sich aber zeitgenössisch weiter.
Auf einer holzigen Basis samt gut verbauter Synthetik fußt er.
Hier wird klar, dass die Rose nicht mehr die enge Korsage, das sittsame Kleid und das schwarze Halsband mit Kamee-Brosche benötigt. Auch keine befreite Taille, den Bubikopf und gerade Linien. Und sicherlich auch keinen Dreiteiler und Monokel samt Panama-Hut.
Diese Rose kann heute alles tragen, der Kleidungsstil ist zweitrangig. Sie sollte aber gemocht werden, das ist ihre grundsätzliche Bedingung.
Vetiver und Myrrhe machen einem klar, dass hier andere Möglichkeiten des Werbens Einzug hielten. Etwas nüchterner, im Vergleich rauer. Das Kodierte wird langsam überflüssig, man weiß um die Absicht Bescheid und Zeit soll nicht groß verschwendet werden.
Dieses machen auch die Holz-Synthetik und das Ambroxan deutlich.
Flanieren? Wozu? Heute verlässt man sich auf die Algorithmen im Netz. Kurzes Verabreden, klare Vorstellung, keine zu großen Illusionen.
Und dennoch weht ein Hauch Wehmut und Verletzlichkeit dieser Rose mit.
Sie weiß um die überdauerten Schätze vergangener Zeiten. Nicht mehr als Einheit, so doch vereinzelt erfahrbar auf der Fasanenstraße.
Das Theater, das Literaturcafé, die prächtigen Bauten im südlichen Verlauf.
Etwas läßt sie sich nicht nehmen und zeigt es stolz: Einer Rose begegnet man mit Respekt!
Und so kokettiert sie verschmitzt die Fasanenstraße entlang.
Punkt.
.
p.s. Vielen Dank an Ssmu für die Probe.
Eine Rose sicherlich, wenn auch eine zeitgenössische Auffassung derselben und nicht als geschlossen anzusehen.
Vielleicht ergibt ein Gleichnis ein etwas einfacheres Verständnis.
Dazu bemühe ich die Berliner Fasanenstraße.
Wäre besagte Meile eine geschlossene Stadterfahrung, so würde man sagen können: ja siehe da, die Fasanenstraße ist ein Sinnbild für das gehobene Bürgertum der Hauptstadt. Das ist die gute Stube Berlins, kann kommen, was wolle. Punkt.
Stimmt es?
Nun, der Wandel der Zeit setzte der einstigen Prachtmeile arg zu. Zeugnisse respektvollen Umgangs fielen der Barberei zum Opfer, andere überdauerten. Mitunter mischte sich auch das schnöde Wirtschaften mit entsprechender Architektur unter die Bauruinen nach dem Krieg, ganz zu schweigen von der monotonen Gestaltung akademischer Lehrstätten im nördlichen Verlauf.
Jetzt wird einem klar, dass hier kein Aphorismus mehr die gute Stube als solche beschreiben kann.
Eine Rose ist eine Rose ist keine Rose.
Zisch!
Hier bahnt sich eine schöne Petitgrain-Note den Weg in die Nase. Sie fällt merklich herber aus als gewohnte Kölnisch Wasser Referenzen. Vielleicht wurde hier der Gehalt an Zweigen des Bitterorange erhöht. Nicht stechend, sehr zart und liebkosend.
Wie ein sanftes Lächeln.
Die Begrüßung wird wärmer, sinnlicher.
Osmanthus in dunklem Ockerton vereinigt sich mit, so meine ich zu riechen, schwarzem Kardamom. Jene Sorte also, die herber und leicht körperlich gefärbt ist.
Es ist dieser erwartungsvolle Blick, die verführerischen Augen, das Verlangen. Bleib doch stehen!
Ein kurzer Augenblick, dann verflüchtigen sich Osmanthus und Kardamom.
Man hält inne und möchte die Rose ansprechen.
Doch diese Rose möchte respektvoll begehrt werden, sie zeugt von gehobener Liebeskunst.
Ohne Hast und Eile schlendert sie elegant weiter. Mit gewisser Kühle dreht sie sich verstohlen um. Ihre dunkelrote Pracht wird einem langsam bewußt.
Komme mir nicht zu nah! Warte, laß mir Zeit!
So ein betörendes Umwerben gehörte, wie oft literarisch eingefangen, zum festen Bestandteil des vornehmen Westens der Hauptstadt. Ein Lächeln, ein Blick, ja ein stilvolles Zurückweisen konnten das Flanieren am Kurfürstendamm und der Fasanenstraße zu einem spannenden Erlebnis gestalten.
Doch der Duft bleibt nicht in der Zeit stehen. Er zitiert zwar Gewesenes in alter Pracht, entwickelt sich aber zeitgenössisch weiter.
Auf einer holzigen Basis samt gut verbauter Synthetik fußt er.
Hier wird klar, dass die Rose nicht mehr die enge Korsage, das sittsame Kleid und das schwarze Halsband mit Kamee-Brosche benötigt. Auch keine befreite Taille, den Bubikopf und gerade Linien. Und sicherlich auch keinen Dreiteiler und Monokel samt Panama-Hut.
Diese Rose kann heute alles tragen, der Kleidungsstil ist zweitrangig. Sie sollte aber gemocht werden, das ist ihre grundsätzliche Bedingung.
Vetiver und Myrrhe machen einem klar, dass hier andere Möglichkeiten des Werbens Einzug hielten. Etwas nüchterner, im Vergleich rauer. Das Kodierte wird langsam überflüssig, man weiß um die Absicht Bescheid und Zeit soll nicht groß verschwendet werden.
Dieses machen auch die Holz-Synthetik und das Ambroxan deutlich.
Flanieren? Wozu? Heute verlässt man sich auf die Algorithmen im Netz. Kurzes Verabreden, klare Vorstellung, keine zu großen Illusionen.
Und dennoch weht ein Hauch Wehmut und Verletzlichkeit dieser Rose mit.
Sie weiß um die überdauerten Schätze vergangener Zeiten. Nicht mehr als Einheit, so doch vereinzelt erfahrbar auf der Fasanenstraße.
Das Theater, das Literaturcafé, die prächtigen Bauten im südlichen Verlauf.
Etwas läßt sie sich nicht nehmen und zeigt es stolz: Einer Rose begegnet man mit Respekt!
Und so kokettiert sie verschmitzt die Fasanenstraße entlang.
Punkt.
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p.s. Vielen Dank an Ssmu für die Probe.
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