28.09.2013 - 13:10 Uhr

Yatagan
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Yatagan
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29
Wahlverwandtschaften
Unkommentierte Düfte No. 11
Goethes berühmter Roman „Wahlverwandtschaften“ thematisiert die tragische Beziehung zweier Paare, die sich über Kreuz verlieben. Der eigentliche Begriff stammt aus der traditionellen Chemie und beschreibt die anziehenden Konstellationen in chemischen Verbindungen, wobei man früher glaubte, dass Stoffe, die miteinander reagieren, in einer Verwandtschaftsbeziehung zueinander stehen müssten: in einer Wahlverwandtschaft.
Diese Überkreuzbeziehung aus Goethes Roman kam mir in den Sinn, als ich mit Zionist vereinbarte, den von mir gewählten und dann doch geschmähten Piver-Duft Cèdre (s. mein Kommentar dort) gegen einen seiner Piver-Düfte auszutauschen (Danke dir, lieber Zionist). Heute schließlich fand ich L.T. Piver Cuir in meinem Briefkasten und testete den Duft voll freudiger Erwartungen. Immerhin ist Piver eines der ältesten Dufthäuser (1774), die Gründungsjahre und Goethes Schaffenszeit überschneiden sich.
Und siehe da: Tatsächlich gefällt mir der Duft wesentlich besser als Cèdre, den ich als eigenwillig und unharmonisch beschrieb. Ob es eine Liebe, eine Wahlverwandtschaft, mit Cuir werden könnte, das muss sich erst noch im Laufe der nächsten Wochen zeigen. Schön wäre es, wenn es Zionist so ähnlich ginge wie mir, wenn ihm also Cèdre ähnlich gut gefiele wir mir Cuir: Wahlverwandtschaften.
Die in der Duftpyramide angegebenen Noten lassen sich gut differenzieren, entsprechen vielleicht zum Teil ganz einfach den Erwartungen bei einem Lederduft (Cuir = Leder). Birkenteer gehört zu den klassischen Bestandteilen fast aller Lederdüfte, sicherlich dürfte auch noch eine animalische Komponente enthalten sein. Gleich zu Beginn ist auch der Honig wahrnehmbar; mit persönlich startet der Duft deshalb ein wenig zu weich, zu süß. In Umkehrung der sonst üblichen Duftpyramiden nehme ich die Orangen bzw. Mandarinentöne eher im Nachgang wahr. Dann aber entwickelt sich der Duft durch diese frische Komponente sehr charmant, denn Lederdüfte, die einen frischen Hauch enthalten, gibt es (leider) nicht so häufig: Das gefällt mir ausgesprochen gut. Auch die vom Hersteller angegebenen holzigen Noten kann man nachvollziehen: wie mir scheint dominiert Sandelholz, aber auch ein leichter Ton von Zedernholz könnte enthalten sein.
Lässt man dem Duft ausreichend Zeit für seine Entwicklung, dann bleibt in der Basisnote eine würzige Note zurück, die die Ledernote und die frischeren Komponenten zunehmend überdeckt, dies jedoch in keiner Weise unangenehm oder penetrant. Die würzigen Töne könnten von Lorbeere oder Muskatnuss herrühren, erinnern ein wenig an den Duft, der von einem würzigen Wintergericht aufsteigen kann.
Bis zu Schluss bleibt der Charakter für einen Lederduft eher leicht, nicht zu weich, die anfängliche Süße wird gemildert und kehrt nicht mehr in der anfänglichen Penetranz zurück. Das ist gelungen und recht schön komponiert, wenn auch nicht in allen Belangen überzeugend. Dafür fehlt dem Duft eine eigene, unverkennbare Note, ein individuelles Gesicht, das ihn aus der Menge der Lederdüfte deutlicher heraus heben könnte. Originell ist allenfalls die erwähnte leichte Frische, die dem Duft eine universelle Verwendbarkeit garantiert: allemal am Abend, sicherlich auch im Büro, gut vorstellen kann ich ihn mir auf Frauenhaut, dennoch kann er sicherlich jederzeit die maskuline Präsenz eines Mannes unterstreichen. Ein wenig beliebig, aber auch gefällig ist er.
Wie nun mit diesem Kommentar, mit diesem Duft zum Ende kommen? Ich bin noch ein wenig ratlos, weil ich noch nicht sicher bin, ob es nur Zuneigung oder gar Liebe werden wird, vielleicht einfach eine versöhnliche, eine unaufgeregte Beziehung zu Piver? Lassen wir zum Schluss besser Goethe zu Wort kommen. Seine „Wahlverwandtschaften“ enden folgendermaßen: „So ruhen die Liebenden nebeneinander. Friede schwebt über ihrer Stätte, heitere verwandte Engelsbilder schauen vom Gewölbe auf sie herab, und welch ein freundlicher Augenblick wird es sein, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen.“ Vielleicht der schönste Schluss, den ein Text jemals gefunden hat.
Goethes berühmter Roman „Wahlverwandtschaften“ thematisiert die tragische Beziehung zweier Paare, die sich über Kreuz verlieben. Der eigentliche Begriff stammt aus der traditionellen Chemie und beschreibt die anziehenden Konstellationen in chemischen Verbindungen, wobei man früher glaubte, dass Stoffe, die miteinander reagieren, in einer Verwandtschaftsbeziehung zueinander stehen müssten: in einer Wahlverwandtschaft.
Diese Überkreuzbeziehung aus Goethes Roman kam mir in den Sinn, als ich mit Zionist vereinbarte, den von mir gewählten und dann doch geschmähten Piver-Duft Cèdre (s. mein Kommentar dort) gegen einen seiner Piver-Düfte auszutauschen (Danke dir, lieber Zionist). Heute schließlich fand ich L.T. Piver Cuir in meinem Briefkasten und testete den Duft voll freudiger Erwartungen. Immerhin ist Piver eines der ältesten Dufthäuser (1774), die Gründungsjahre und Goethes Schaffenszeit überschneiden sich.
Und siehe da: Tatsächlich gefällt mir der Duft wesentlich besser als Cèdre, den ich als eigenwillig und unharmonisch beschrieb. Ob es eine Liebe, eine Wahlverwandtschaft, mit Cuir werden könnte, das muss sich erst noch im Laufe der nächsten Wochen zeigen. Schön wäre es, wenn es Zionist so ähnlich ginge wie mir, wenn ihm also Cèdre ähnlich gut gefiele wir mir Cuir: Wahlverwandtschaften.
Die in der Duftpyramide angegebenen Noten lassen sich gut differenzieren, entsprechen vielleicht zum Teil ganz einfach den Erwartungen bei einem Lederduft (Cuir = Leder). Birkenteer gehört zu den klassischen Bestandteilen fast aller Lederdüfte, sicherlich dürfte auch noch eine animalische Komponente enthalten sein. Gleich zu Beginn ist auch der Honig wahrnehmbar; mit persönlich startet der Duft deshalb ein wenig zu weich, zu süß. In Umkehrung der sonst üblichen Duftpyramiden nehme ich die Orangen bzw. Mandarinentöne eher im Nachgang wahr. Dann aber entwickelt sich der Duft durch diese frische Komponente sehr charmant, denn Lederdüfte, die einen frischen Hauch enthalten, gibt es (leider) nicht so häufig: Das gefällt mir ausgesprochen gut. Auch die vom Hersteller angegebenen holzigen Noten kann man nachvollziehen: wie mir scheint dominiert Sandelholz, aber auch ein leichter Ton von Zedernholz könnte enthalten sein.
Lässt man dem Duft ausreichend Zeit für seine Entwicklung, dann bleibt in der Basisnote eine würzige Note zurück, die die Ledernote und die frischeren Komponenten zunehmend überdeckt, dies jedoch in keiner Weise unangenehm oder penetrant. Die würzigen Töne könnten von Lorbeere oder Muskatnuss herrühren, erinnern ein wenig an den Duft, der von einem würzigen Wintergericht aufsteigen kann.
Bis zu Schluss bleibt der Charakter für einen Lederduft eher leicht, nicht zu weich, die anfängliche Süße wird gemildert und kehrt nicht mehr in der anfänglichen Penetranz zurück. Das ist gelungen und recht schön komponiert, wenn auch nicht in allen Belangen überzeugend. Dafür fehlt dem Duft eine eigene, unverkennbare Note, ein individuelles Gesicht, das ihn aus der Menge der Lederdüfte deutlicher heraus heben könnte. Originell ist allenfalls die erwähnte leichte Frische, die dem Duft eine universelle Verwendbarkeit garantiert: allemal am Abend, sicherlich auch im Büro, gut vorstellen kann ich ihn mir auf Frauenhaut, dennoch kann er sicherlich jederzeit die maskuline Präsenz eines Mannes unterstreichen. Ein wenig beliebig, aber auch gefällig ist er.
Wie nun mit diesem Kommentar, mit diesem Duft zum Ende kommen? Ich bin noch ein wenig ratlos, weil ich noch nicht sicher bin, ob es nur Zuneigung oder gar Liebe werden wird, vielleicht einfach eine versöhnliche, eine unaufgeregte Beziehung zu Piver? Lassen wir zum Schluss besser Goethe zu Wort kommen. Seine „Wahlverwandtschaften“ enden folgendermaßen: „So ruhen die Liebenden nebeneinander. Friede schwebt über ihrer Stätte, heitere verwandte Engelsbilder schauen vom Gewölbe auf sie herab, und welch ein freundlicher Augenblick wird es sein, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen.“ Vielleicht der schönste Schluss, den ein Text jemals gefunden hat.
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