06.09.2014 - 06:21 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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Ein Rätsel
Unkommentierte Düfte No. 50
Eine Weile habe ich mich gefragt, welcher Duft für den 50. Kommentar meiner kleinen Reihe „Unkommentierte Düfte“ in Frage käme, bis ich vor einiger Zeit plötzlich ganz sicher war, welcher es werden würde: Pivers Un Parfum d‘Aventure.
Ein Rätsel: das unbekannte Traditionshaus
Das Dufthaus L.T. Piver gehört zu den ältesten der Welt. 1774 gegründet, stieg man schnell zu einem der Hoflieferanten des französischen Königshauses auf. Zahlreiche weitere gekrönte Häupter Europas gehörten in der Folge zum Kundenstamm dieses Hauses. Von diesem einstigen Ruhm scheint nicht viel übrig zu sein. Der Lack ist ein wenig abgeblättert. Warum das so ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Ein Rätsel: Bescheidenheit ist eine Zier...
Heute stehen die Produkte von Piver ein wenig im Schatten der anderen großen Traditionshäuser aus Frankreich und sind wohl eher Kennern ein Begriff. Derzeit hat Piver überdies keinen Deutschlandvertrieb, auch wenn die Düfte über einschlägige Internetseiten oder auf einer vom Hersteller mitbetriebenen Seite französischer Düfte bestellt werden können. Alles in allem begegnen sie dem Duftliebhaber nicht an jeder Ecke und machen die Marke so zu einer eher exklusiven Angelegenheit, auch wenn die Preise erfreulicherweise zum Teil deutlich unter denen der anderen französischen Traditionsmarken liegen. Bescheidenheit ist eine Zier...
Wie es sich für ein Traditionshaus gehört, führt man einige ältere Kompositionen seit vielen Jahren, wenngleich auch die Piver-Düfte nicht vor Reformulierungen verschont blieben, so z.B. der Vetiver-Duft, der offenbar bereits mehrfach neu komponiert wurde. Un Parfum d‘Aventure stammt in seiner ursprünglichen Fassung immerhin aus dem Jahre 1931.
Ein Rätsel: ein mysteriöser Duft
Wer sich ein wenig auf der aktuellen Homepage von L.T. Piver umtut, dem wird jedoch auffallen, dass ausgerechnet der Traditionsduft „Un Parfum d‘Aventure“ nicht mehr im Portfolio auftaucht. Bei genauerem Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass er nach wie vor - nun unter dem Produktnamen „Epices“ - im Programm verblieben ist (auf der Verkaufshomepage vom Hersteller klar benannt: „Anciennement appelé Parfum d'aventure“). Verloren hat er leider den wunderschönen beredten Namen, die anziehende, an Absinth erinnernde Farbe der Flüssigkeit und das grüne Dekor von Flasche und Umverpackung nebst dem wunderschönen Segelschiff im Aufdruck, das als sehnsuchtsvolles Symbol exotischer Gewürzfracht und Abenteuern im Allgemeinen (wie im Namen evoziert) verstanden werden konnte.
Warum das so ist, bleibt rätselhaft, zumal den meisten Betrachtern die altehrwürdige Präsentation besser gefiel, hängt aber vielleicht mit dem Wunsch des Herstellers nach einheitlichem Design der Gesamtreihe zusammen. Überdies dürfte man bei Piver wohl festgestellt haben, dass das ursprünglich als Damenduft lancierte Eau de Toilette aus heutiger Sicht im Grunde ein Herren- oder Unisex-Duft ist; die Kategorisierung scheint beim Hersteller im Laufe der Jahrzehnte offenbar mehrfach gewechselt zu haben. Eine Diskussion über die endgültige Einstufung als Damen- Herren- oder Unisex-Duft, an der ich mich auf der Research-Seite auch beteiligte, brachte bisher kein eindeutiges Ergebnis. So bleibt der Duft hier auf Parfumo bis auf weiteres so kategorisiert, wie er offenbar 1931 das Licht der Parfumwelt erblickte: als mysteriöser, schwer fassbarer Damenduft (Update: Inzwischen ist der Duft auch hier auf Parfumo als Unisex-Duft eingeordnet. Das freut mich, weil ich es für richtig halte).
Ein Rätsel: die St. Thomas-Beere
Der Duft enthält, wie aus den Inhaltsstoffen des identischen (als maskuliner Duft eingestuften) Epices hervorgeht, neben Geranium und Pfeffer auch St. Thomas-Beeren. Eine Recherche erbrachte dazu jedoch kaum Ergebnisse. Hier auf Parfumo gibt es nur diesen einen Duft (Epices bzw. Un Parfum d‘Aventure), der diese Beeren enthält; auch einschlägige Internetlexika wissen über diese Frucht so gut wie nichts. Stammt sie von der Karibikinsel St. Thomas, die eine wechselvolle, abenteuerliche Geschichte hatte?
St. Thomas ist eine Insel der sog. amerikanischen Jungferninseln, nach Ermordung der indigenen Bevölkerung durch die portugiesischen Entdecker wurde sie zunächst im 17. Jahrhundert von Dänemark (sic!) besetzt, ein kleiner Teil sogar an Kurbrandenburg (Preußen) verkauft, die so auch in den zweifelhaften Ruhm, eine Koonialmacht und Sklavenkolonie zu sein, kamen; 1917 wurde die Insel dann an die USA veräußert. Wachsen hier die geheimnisvollen Beeren, die dem Duft einen unzweifelhaft originellen Duft verleihen, der mir bei anderen Düften so nie unter die Nase gekommen ist?
Wer Näheres weiß, möge es unter den Antworten ergänzen. Ich bin gespannt.
(Aktualisierung durch die Hilfe von Franfan 20: vermutlich handelt es sich um den Bayrum-Baum, pimenta racemosa, auch Westindischer Lorbeer oder Bay. Danke sehr!)
Ein Rätsel: der Duft an sich
Auch der Duft im Gesamten ist nicht leicht zu kategorisieren. Sicherlich ist ein scharfer Akzent erkennbar, der dem Pfeffer geschuldet sein dürfte. Geranium ist ohne Zweifel enthalten und verleiht dem Duft eine klare, helle, wenn auch nicht wirklich frische, sondern eher florale Leichtigkeit, ohne wirklich feminin zu wirken. Darüber hinaus finden sich jedoch auch Töne, die an Minze erinnern, überdies ein Geruch wie von Wacholder und Nelke: vielleicht sind die St. Thomas-Beeren mit Wacholder-Beeren und Nelke verwandt und Ursprung einer ganz leichten, dezenten Gin- oder Alkoholnote, die ich sehr schätze und in verschiedenen Düften bereits benannt habe (Comme des Garcons Sugi, L‘Occitanes Eau de Cade, L‘Occitanes Eau des 4 Voleurs...).
Vielleicht ist es diese rätselhafte St. Thomas-Beere, die dem Duft seine singuläre Charakteristik verleiht und ihn in gewisser Weise einzigartig macht. Ich kenne keine Vorläufer und keine Nachfolger dieses Duftes von 1931, wie ich bereits in einem kurzen Kommentar zu Epices andeutete.
Alles in allem ein mysteriöser Duft, der sich fast allen Kategorien zu entziehen scheint: für mich ein schönes, spannendes Rätsel.
Eine Weile habe ich mich gefragt, welcher Duft für den 50. Kommentar meiner kleinen Reihe „Unkommentierte Düfte“ in Frage käme, bis ich vor einiger Zeit plötzlich ganz sicher war, welcher es werden würde: Pivers Un Parfum d‘Aventure.
Ein Rätsel: das unbekannte Traditionshaus
Das Dufthaus L.T. Piver gehört zu den ältesten der Welt. 1774 gegründet, stieg man schnell zu einem der Hoflieferanten des französischen Königshauses auf. Zahlreiche weitere gekrönte Häupter Europas gehörten in der Folge zum Kundenstamm dieses Hauses. Von diesem einstigen Ruhm scheint nicht viel übrig zu sein. Der Lack ist ein wenig abgeblättert. Warum das so ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Ein Rätsel: Bescheidenheit ist eine Zier...
Heute stehen die Produkte von Piver ein wenig im Schatten der anderen großen Traditionshäuser aus Frankreich und sind wohl eher Kennern ein Begriff. Derzeit hat Piver überdies keinen Deutschlandvertrieb, auch wenn die Düfte über einschlägige Internetseiten oder auf einer vom Hersteller mitbetriebenen Seite französischer Düfte bestellt werden können. Alles in allem begegnen sie dem Duftliebhaber nicht an jeder Ecke und machen die Marke so zu einer eher exklusiven Angelegenheit, auch wenn die Preise erfreulicherweise zum Teil deutlich unter denen der anderen französischen Traditionsmarken liegen. Bescheidenheit ist eine Zier...
Wie es sich für ein Traditionshaus gehört, führt man einige ältere Kompositionen seit vielen Jahren, wenngleich auch die Piver-Düfte nicht vor Reformulierungen verschont blieben, so z.B. der Vetiver-Duft, der offenbar bereits mehrfach neu komponiert wurde. Un Parfum d‘Aventure stammt in seiner ursprünglichen Fassung immerhin aus dem Jahre 1931.
Ein Rätsel: ein mysteriöser Duft
Wer sich ein wenig auf der aktuellen Homepage von L.T. Piver umtut, dem wird jedoch auffallen, dass ausgerechnet der Traditionsduft „Un Parfum d‘Aventure“ nicht mehr im Portfolio auftaucht. Bei genauerem Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass er nach wie vor - nun unter dem Produktnamen „Epices“ - im Programm verblieben ist (auf der Verkaufshomepage vom Hersteller klar benannt: „Anciennement appelé Parfum d'aventure“). Verloren hat er leider den wunderschönen beredten Namen, die anziehende, an Absinth erinnernde Farbe der Flüssigkeit und das grüne Dekor von Flasche und Umverpackung nebst dem wunderschönen Segelschiff im Aufdruck, das als sehnsuchtsvolles Symbol exotischer Gewürzfracht und Abenteuern im Allgemeinen (wie im Namen evoziert) verstanden werden konnte.
Warum das so ist, bleibt rätselhaft, zumal den meisten Betrachtern die altehrwürdige Präsentation besser gefiel, hängt aber vielleicht mit dem Wunsch des Herstellers nach einheitlichem Design der Gesamtreihe zusammen. Überdies dürfte man bei Piver wohl festgestellt haben, dass das ursprünglich als Damenduft lancierte Eau de Toilette aus heutiger Sicht im Grunde ein Herren- oder Unisex-Duft ist; die Kategorisierung scheint beim Hersteller im Laufe der Jahrzehnte offenbar mehrfach gewechselt zu haben. Eine Diskussion über die endgültige Einstufung als Damen- Herren- oder Unisex-Duft, an der ich mich auf der Research-Seite auch beteiligte, brachte bisher kein eindeutiges Ergebnis. So bleibt der Duft hier auf Parfumo bis auf weiteres so kategorisiert, wie er offenbar 1931 das Licht der Parfumwelt erblickte: als mysteriöser, schwer fassbarer Damenduft (Update: Inzwischen ist der Duft auch hier auf Parfumo als Unisex-Duft eingeordnet. Das freut mich, weil ich es für richtig halte).
Ein Rätsel: die St. Thomas-Beere
Der Duft enthält, wie aus den Inhaltsstoffen des identischen (als maskuliner Duft eingestuften) Epices hervorgeht, neben Geranium und Pfeffer auch St. Thomas-Beeren. Eine Recherche erbrachte dazu jedoch kaum Ergebnisse. Hier auf Parfumo gibt es nur diesen einen Duft (Epices bzw. Un Parfum d‘Aventure), der diese Beeren enthält; auch einschlägige Internetlexika wissen über diese Frucht so gut wie nichts. Stammt sie von der Karibikinsel St. Thomas, die eine wechselvolle, abenteuerliche Geschichte hatte?
St. Thomas ist eine Insel der sog. amerikanischen Jungferninseln, nach Ermordung der indigenen Bevölkerung durch die portugiesischen Entdecker wurde sie zunächst im 17. Jahrhundert von Dänemark (sic!) besetzt, ein kleiner Teil sogar an Kurbrandenburg (Preußen) verkauft, die so auch in den zweifelhaften Ruhm, eine Koonialmacht und Sklavenkolonie zu sein, kamen; 1917 wurde die Insel dann an die USA veräußert. Wachsen hier die geheimnisvollen Beeren, die dem Duft einen unzweifelhaft originellen Duft verleihen, der mir bei anderen Düften so nie unter die Nase gekommen ist?
Wer Näheres weiß, möge es unter den Antworten ergänzen. Ich bin gespannt.
(Aktualisierung durch die Hilfe von Franfan 20: vermutlich handelt es sich um den Bayrum-Baum, pimenta racemosa, auch Westindischer Lorbeer oder Bay. Danke sehr!)
Ein Rätsel: der Duft an sich
Auch der Duft im Gesamten ist nicht leicht zu kategorisieren. Sicherlich ist ein scharfer Akzent erkennbar, der dem Pfeffer geschuldet sein dürfte. Geranium ist ohne Zweifel enthalten und verleiht dem Duft eine klare, helle, wenn auch nicht wirklich frische, sondern eher florale Leichtigkeit, ohne wirklich feminin zu wirken. Darüber hinaus finden sich jedoch auch Töne, die an Minze erinnern, überdies ein Geruch wie von Wacholder und Nelke: vielleicht sind die St. Thomas-Beeren mit Wacholder-Beeren und Nelke verwandt und Ursprung einer ganz leichten, dezenten Gin- oder Alkoholnote, die ich sehr schätze und in verschiedenen Düften bereits benannt habe (Comme des Garcons Sugi, L‘Occitanes Eau de Cade, L‘Occitanes Eau des 4 Voleurs...).
Vielleicht ist es diese rätselhafte St. Thomas-Beere, die dem Duft seine singuläre Charakteristik verleiht und ihn in gewisser Weise einzigartig macht. Ich kenne keine Vorläufer und keine Nachfolger dieses Duftes von 1931, wie ich bereits in einem kurzen Kommentar zu Epices andeutete.
Alles in allem ein mysteriöser Duft, der sich fast allen Kategorien zu entziehen scheint: für mich ein schönes, spannendes Rätsel.
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