DerDefcon
12.04.2020 - 09:18 Uhr
31
Top Rezension
10Duft 9Haltbarkeit 9Sillage 9Flakon

Ich kann doch nichts dafür!

Ja, kann ich wirklich nicht. Er gefällt mir plötzlich. Das lässt sich nicht ändern. Also bin ich dem Duft gegenüber fair und revidiere meinen ersten Kommentar, so wie ich es bereits bei einigen anderen Parfüms tat.

Als ich "gentle Fluidity Silver" das erste Mal testete, wurde ich mit diesem nicht wirklich warm. Die DNA ist sehr modern - wahrlich. Natürlich ist sie auch synthetisch - ja, ist wirklich so. Und mir war sie viel zu duschgelig, was mit der damals so stechenden Wacholderbeere und der synthetischen Holzigkeit zu erklären war.
Ich gab dem Duft mehrere Chancen, trug ihn an mehreren Tagen, aber Begeisterung wollte sich einfach nicht einstellen. Ich habe mir also wirklich Zeit genommen und nicht vorschnell geurteilt.

Nun haben wir das neue Jahr, tolles Frühlingswetter, Sonne und angenehme Temperaturen. Die Zeit für frische Düfte ist gekommen und so wühlte ich die letzten Tage in meinem Abfüllungsschränkchen herum und schaute, womit man seine Haut so benetzen könnte. Da fiel mir dieser Kurkdjian in die Hand, eher durch Zufall statt willentlich von mir gesteuert. Dem Minizerstäuber fehlte nämlich die Kappe, wodurch er sofort ins Auge stach und wie es das Schicksal so wollte, gab ich dem Duft eine zweite Chance und das sollte sich lohnen!

Warum ich "gentle Fluidity Silver" nun anders wahrnehme als noch vor einigen Monaten, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht hängt es mit den angenehmeren Temperaturen zusammen, vielleicht sind es auch Frühlingsgefühle oder eventuell doch der zunehmend einsetzende Lagerkoller, der jede Form der Abwechslung - auch in olfaktorischer Hinsicht - in etwas ganz Tolles und Besonderes verwandelt? Wer weiß das schon. Am Ende sind die Ursachen nebensächlich. Nicht der Weg ist bei einem Duft das Ziel, sondern das Ziel ist das Ziel. So, genug mit den Halbweisheiten und dem Floskelgeschwinge.

Kurkdjians Frischling startet - wie auch in meiner einige Monate zurückliegenden Testphase - wunderbar spritzig-fruchtig, was definitv der Wacholderbeere geschuldet ist. Leichte Duschgelassoziationen treten zwar auch zutage, doch sind wir weit davon entfernt, von einem typisch "blauen" Duschgelkandidaten zu sprechen. Ich meine, eine leicht alkoholische Note zu vernehmen, die mich an Gin erinnert. Dies galt es natürlich sofort zu überprüfen. Also auf zum Kühlschrank, an dem Dry Gin geschnuppert und festgestellt, dass meine Nase mich nicht täuschte. Der Gin in "gentle Fluidity Silver" ist zwar kein solcher, den ich im Kühlschrank vorfand, aber Ähnlichkeiten sind in dem zu Beginn etwas bitteren Auftritt auszumachen. Dass das Ganze nicht zu 100 Prozent nach dem alkoholischen Genussgetränk duftet, ist schlicht und ergreifend der Wacholderbeere zu verdanken, die das Bittere mit einer schönen Fruchtigkeit ergänzt.

Nun störte mich vor einigen Monaten die Kombination aus synthetischen Hölzern und einer sauren, auch irgendwie künstlichen Fruchtigkeit. Hiervon ist nun - im Jahr 2020 - gar nichts mehr zu spüren. Das mich damals nervende Holz glänzt durch Abwesenheit, die Wacholderbeere bekommt ein cremiges, geschmeidiges und sehr sauberes Moschusfundament, was ihr die anfangs sehr erfrischende, auf Dauer jedoch wohl zu nervig daherkommende Kratzigkeit nimmt. Das Ambroxan, mit dem ich einst ebenso meine Probleme hatte, verleiht dem Moschus-Wacholder-Verbund ein paar Ecken und Kanten und sorgt für eine an Lavendel erinnernde Krautigkeit. Wohl ist es also das Ambroxan, welches der Komposition einen schlichten, keinesfalls altbackenden Fougère-Charakter zukommen lässt. Und damit war es das auch schon.

Abschließend sei erwähnt, dass die Nase einem manchmal oft Streiche zu spielen scheint und dass selbst ausgiebiges Testen kein Garant für ein fixes und vor allem beständiges Urteil ist.
Über den Preis dieses Kurkdjians kann und darf gestritten werden. Die DNA ist aber - und hier gibt es eigentlich keine Zweifel - sehr einzigartig. Mit den üblichen Duschgelkandidaten, wie Bleu de Chanel oder Dylan Blue, hat er nichts zu tun.
18 Antworten
BastiKraemerBastiKraemer vor 11 Monaten
Sehr guter Beitrag!
Hatte viel Freude beim lesen :)
Danke dir 🔝
MrMagicMrMagic vor 4 Jahren
Schön, dass er dir auch gefällt. Ich hab ihn extra wegen deines Kommentars nochmal bei wärmeren Temperaturen getestet, weil er mich vorher kalt ließ. Was soll ich sagen? Der Duft lebt von Wärme.
PortomingaPortominga vor 5 Jahren
Den sehe ich so wie Du. Hat die Gin Fizz Wacholdernote des ersten 2010er Aventus, aber bereinigt um das, was über die letzten 10 Jahre störend geworden ist. Unkompliziert aber nicht langweilig.
DunkiDunki vor 6 Jahren
2
Genau so ging es mir. Vielleicht wirklich zur falschen Zeit getestet. Trage ihn nun gerne
DunkiDunki vor 6 Jahren
1
Genau so ging es mir. Vielleicht wirklich zur falschen Zeit getestet. Trage ihn nun gerne
ReibroReibro vor 6 Jahren
1
Auch dieser MFK hat es nach längerem Test in meine Sammlung geschafft. Ich finde ihn gerade zu dieser Jahreszeit sehr toll.
Uvuvuwewe3Uvuvuwewe3 vor 6 Jahren
Nach einiger Zeit nehme ich die meisten Düfte anders war. Ich frage mich ob es etwas mit sich verändernder körperlicher Konstitution oder der Ernährung zu tun hat.
LibreLibre vor 6 Jahren
Schön geschrieben! Gut Ding will eben manchmal Weile haben :-) Der gefällt mich auch zunehmend besser. Auf meine Wunschliste hat er es schon geschafft, aber der hohe Preis hält mich noch von einem Kauf ab ;-)
FlirtyFlowerFlirtyFlower vor 6 Jahren
Schön, dass manche Dinge im Leben eine zweite Chance kriegen ;) Pokal!
Helena1411Helena1411 vor 6 Jahren
Manchmal kommt die Sympathie erst mit der 10. Chance ;-) Aber was soll‘s; Hauptsache, jetzt gefällt er Dir!
Und Deine Kommentarrevidierungen finde ich richtig gut, da daran deutlich wird, wie sich Geruchswahrnehmungen ändern können und Du zudem beweist, dass Du nicht in einmal festgefahrenen Kategorien verharrst. Anerkennungspokal!
PinkdawnPinkdawn vor 6 Jahren
Schöne Beschreibung. Jemandem eine zweite Chance zu geben, ist keine schlechte Idee - ob bei Düften oder Mensche. Frohe Ostern!
BlauemausBlauemaus vor 6 Jahren
Düfte teste ich aus genau diesem Grunde mehrmals. Oft ist es einfach der falsche Tag oder die Jahreszeit dafür. Und manche Düfte brauchen auch einfach mehrere Anläufe.
Rookie82Rookie82 vor 6 Jahren
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Mag den eigentlich auch, habe ihn aber zuletzt gegen den Percival antreten lassen. Hier hat er deutlich den kürzeren gezogen und mit der von dir auch schon festgestellten säuerlichen Note ist er für mich erstmal ins hintertreffen geraten.
Werde den Vergleich aber nochmal wiederholen
Melisse2Melisse2 vor 6 Jahren
1
Bei mir ist es genau umgekehrt. Vor anderthalb Jahren hat er mir gefallen. Jetzt nervt das Synthi-Holz. Sehr guter Kommentar und seinen Wiedererkennungswert hat er auch.
JojohJojoh vor 6 Jahren
1
Schöne und treffende Beschreibung eines Dufts, der inzwischen zu meinen Lieblingen gehört. Vielleicht schafft er diesen Sprung bei dir im dritten Anlauf auch :)
In jedem Fall ein gutes Beispiel dafür, dass in der “Duschgelduftschublade“ zT auch sehr eigenständige und feine Düfte zu finden sind.
PollitaPollita vor 6 Jahren
Den mag ich auch, trotz seiner Lautstärke, viel Wacholder und Ambroxan. Er hat was von Aventus, erinnert mich aber auch an Cool Water, ein Duft, der meine Jugend prägte. Kaufen würde ich ihn meinem Mann allerdings nicht. Kaufen würde ich eher Amyris.
SchatzSucherSchatzSucher vor 6 Jahren
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Es lohnt sich immer, Düften mehrere Chancen zu geben und zu unterschiedlichen Zeiten zu testen. Da gibt es so manche Überraschung. Und Meinungen kann man ja auch immer mal ändern :-) So ist die Annäherung an Gentle Fluidity ja doch noch geglückt.
NorleansNorleans vor 6 Jahren
2
Ich abe ihn auch schon mehrmals in der Parfümerie aufgesprüht. Überzeugt bin ich bis heute nicht. Falls innerhalb der warmen Jahreszeit die Läden nochmal öffnen sollten...hüstel...probiere ich ihn ein weiteres Mal. Frische und Duschgelartigkeit sind sonst genau mein Beuteschema :-)