Lumière Noire Homme von Maison Francis Kurkdjian

Lumière Noire Homme 2009

Yatagan
25.08.2013 - 13:44 Uhr
42
Top Rezension
7.5Duft 7Haltbarkeit 6Sillage 9Flakon

Kunstwerk ohne Makel. Bedauerlicherweise!

Ich tue mir schwer, sehr schwer, mit diesem Kunstwerk ohne Makel.

Lumière Noire pour homme hat den Thron erobert. Seit Mitte August 2013 steht es an der Spitze der beliebtesten Herrendüfte auf parfumo.de. Bereits im Vorfeld wurde der Duft in aller Regel positiv bewertet - und das vielleicht zurecht. Dennoch: Für mich bleibt ein Fragezeichen bei diesem Kunstwerk ohne Makel, das mich davon abhält, die 90- oder gar 100-%-Wertung vergeben zu wollen.

Der Reihe nach: Francis Kurkdjian hat einige bemerkenswerte Düfte komponiert, darunter auch einige wichtige und populäre Herrendüfte (u.a. Le Male). Viele davon sind sich recht ähnlich, keiner davon sagt mir persönlich besonders zu; es bleibt dennoch festzuhalten, dass Kurkdjian zu den einflussreichsten Parfümeuren der Gegenwart gehört. Überdies leistet er sich inzwischen den Luxus einer eigenen Marke: außergewöhnlich!

Umso mehr erscheint ein genauer Blick auf die Kreationen, die Kurkdjian unter eigenem Namen veröffentlicht, gerechtfertigt. Dazu gehört auch Lumière Noire pour homme, der wie die anderen Düfte des Meisters in einem schlichten, wenn auch hochwertigen Flakon präsentiert wird.

Nach mehreren Tests dieses Duftes, jeweils mit größerem zeitlichen Abstand, bin ich dennoch ein wenig enttäuscht, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Ich bin ein Liebhaber von Rosennuancen in Herrendüften. Auch hier wurde Rose elegant, ein wenig feminin und klug in die Gesamtkomposition eingebunden. Der Kontrast mit der Zimtnote ist gelungen: schon allein deshalb, weil für sich genommen beide Duftnoten aufdringlich und dominant wirken können. Hier balancieren beide Noten auf einem schmalen Grat und doch lässt keiner den anderen fallen. Bis zum Schluss wird die Balance gewahrt. Der Rosenton bleibt trotz aller Präsenz gerade noch dezent genug, um den Duft auch maskulin wirken zu lassen. Dennoch: Sowohl Zimt als auch Rose sind gefällige Noten. Mir fehlt die Spannung oder der Kontrastakzent wie z.B. in Il Profvmos Touaregh oder Domenica Caracenis 1913. Diese beiden maskulinen Rosendüfte sind kontrastreicher, weniger weich, damit aber auch spannender und nicht so lau wie Lumière Noire pour homme. Natürlich ist es letztlich dem persönlichen Geschmack unterworfen, ob man spannungsreiche oder harmonische Düfte bevorzugt. Lumière Noire gehört eindeutig in die letzte Kategorie, ist ein Duft der nicht aneckt oder polarisiert (allenfalls wegen der merklichen Rosennote in einem Herrenduft) und deshalb auch ein wenig unentschieden wirkt.

2. Neben der Rose und der Zimtnote ist der Kreuzkümmel, wie mir scheint, ein weiterer wahrnehmbarer Akzent in diesem Duft. Kreuzkümmel findet sich in ähnlicher Intensität auch in Duc de Vervins von Houbigant, Quorum von Puig und in Jules von Dior. Diese Düfte sind markant, sehr männlich und voller klarer Aussagen. Das mag vielen bei Jules zu weit gehen, mag vielen bei Quorum zu wenig stringent und mag vielen bei Duc de Vervins in seiner Einseitigkeit zu wenig einfallsreich und ein wenig altbacken erscheinen. Ich persönlich sehe das in allen Belangen ähnlich und dennoch greife ich im Zweifelsfall lieber zu einem der letztgenannten Düfte als zu Lumière Noire pour homme, für das ich mir in seiner harmonischen Balance nur selten einen geeigneten Anlass vorstellen kann.

3. Ich bin kein Liebhaber von starken Patchouli-Düften, habe Düfte mit einem sanften Patchouli-Akkord seit einiger Zeit aber schätzen gelernt. Ideal balanciert ist Patchouli aus meiner Sicht immer dann, wenn er nicht aufdringlich im Vordergrund steht und dennoch als charakteristische Note wahrnehmbar ist. Die richtige Dosierung dieser Duftnote ist nicht leicht zu bestimmen, dabei dem ganz anders wirkenden Vetiveröl nicht unähnlich. Hier jedoch wurde die Dezenz m.E. übertrieben. Patchouli ist nur noch als würzig süßer Untergrund wahrnehmbar, verleiht dem Duft eine weiche Abrundung, die mir in ihrer Blässe fast schon nichtsagend erscheint. Auch hier gilt das zuvor Gesagte: Die Komposition bleibt unbestimmt, lau und damit wenig spannungsreich / spannend.

4. Respekt, wer in diesem Duft Beifuß wahrnehmen kann. Ich kann es nicht. Beifuß ist mir aus akzentreichen Düften der 60er, 70er oder 80er Jahre unbestimmt geläufig (div. Aramis-, Jil Sander- oder Boss-Düfte). Ob ich es wiedererkennen würde, glaube ich nicht, da mir Beifuß als Duftkomponente zu wenig vertraut ist. In Lumière Noire pour homme kann ich eigentlich nur die Komponenten Rose, Patchouli, Zimt und Kreuzkümmel erkennen, letzteren auch nur durch den direkten Vergleich mit Duc de Vervins, wo diese Komponente ein wenig überbetont wurde. Diese geringe Komplexität aber ist mir, bei allem Respekt vor dem Lebenswerk von Kurkdjian, ein wenig zu wenig.

Schlussendlich bleibt für mich ein ausgewogener, harmonischer, schöner, aber etwas lauer Duft, für den mir zumeist der rechte Anlass zum Tragen fehlt. Dennoch entschied ich mich immerhin zu einer persönlichen Wertung von 80%. Zu einem klareren Statement, d.h. zu einer geringeren Wertung, konnte ich mich trotz aller Kritik nicht durchringen. Wie schon gesagt: Ich tue mir schwer mit diesem Kunstwerk ohne Makel.

Den Liebhabern des Duftes kann ich beteuern, dass ich diesen Duft zu schätzen weiß und mir gut vorstellen kann, warum ihn so viele lieben: Lumière ist harmonisch und schön, im engeren Sinne des Wortes. Mir persönlich ist das zu wenig und zu viel zugleich.

Kunstwerke ohne rechte Makel, ohne Ecken und Kanten, ohne exzentrische Spitzen haben mich noch nie begeistert, auch wenn ich ihren objektiven Wert allemal zu schätzen vermag.
21 Antworten
RickthedogRickthedog vor 11 Jahren
Spät gelesen und doch pflichte ich Dir voll und ganz bei: ich kann auch nur 80% geben - möchte den Duft aber nie mehr missen. Das ist das seltsame an ihm: er ist unspektakulär und doch suchterzeugend! Pokal für makellose Kunstwerke!
VollbartVollbart vor 11 Jahren
Was ein toller Kommentar !
SisyphosSisyphos vor 12 Jahren
So kann man den sehen, finde ihn persönlich grandios und zu verschiedenen Anlässen tragbar. Klasse Kommentar, differenziert und nachvollziehbar.
SkywalkerSkywalker vor 12 Jahren
Mir gehts wie Dir. Sicher ein ganz feiner Duft, aber ich werde nicht richtig warm mit ihm und ich bin nicht der Typ für dieses Parfüm.
Schick Dir noch einen Pokal für deine Sammlung.
DannyboyDannyboy vor 12 Jahren
Ein Duft mit wahrnehmbarer Kreuzkümmelnote, aber ohne exzentrische Spitze - allein das zeigt Kurkdjians meisterhaftes Können. *g* Pokal für ihn und einen für dich. ;)
FlorblancaFlorblanca vor 12 Jahren
2
Ich konnte mit ihm gar nichts anfangen... Jetzt verstehe ich auch, wieso. ;-)
ParfumAholicParfumAholic vor 12 Jahren
Ich weiss auch nicht warum, aber die Kurkdijan-Düfte sind bislang relativ unbemerkt an mir vorbei gegangen. Vielleicht ist der Grund dafür die von Dir beschriebene Makellosigkeit? Ich glaube, ich muss da doch mal irgendwann ran ;-) Toller Kommi!
PaloneraPalonera vor 12 Jahren
Same procedure as every time: ein sehr fundierter, aufmerksamer, umsichtiger und Werk wie Künstler respektierender Kommentar, dem Du die erforderliche Zeit und viel Herz und Hirn gewidmet hast. Willkommen auf Platz 1, ;-)!
AavaAava vor 12 Jahren
Toller, sehr differenzierter Kommentar. Ja, Perfektion kann schon mal zu wenig dafür sein, dass uns ein Duft wirklich erreicht. Für mich trotzdem die schönste Understatement-Rosennote ever ;)
ErgoproxyErgoproxy vor 12 Jahren
Alles zum richtigen Zeitpunkt. Ich trage den Duft mittlerweile gerne zur Arbeit, wenn ich weiß, dass es ein unschöner Arbeitstag wird. ;):)
Jpg153Jpg153 vor 12 Jahren
Heute mal keine Kurzgeschichte - Nicht dass du noch zum Techniker wirst :-)).
Schöne Analyse. Bei mir steht er auch noch zum Testen und so ganz runde Düfte mag ich auch nicht immer. Im Büroalltag oft angezeigt aber manchmal doch langweilig. Pokal!
GaukeleyaGaukeleya vor 12 Jahren
"Perfection in itself is boring" -- dem kann ich mich unbedingt anschliessen. Beizeiten mag ich mich aber auch gern mal in solchen "überrunden" Düften enstpannen. Sehr informativ und klasse, Dein Kommi, wie immer ;-)
MrWhiteMrWhite vor 12 Jahren
Ich verneige mich vor Deinem Kommentar. Dennoch habe ich heute einen Flakon geordert. Dieser Duft macht unsere Welt schöner!
SeelanneSeelanne vor 12 Jahren
Das Problem mit diesen Rosendüften, so meine ich, ist ja immer die Rose :-). Bei mir bleibts auch nur bei einem eher schalen Erlebnis, das ist mir alles zu glatt. Aber wie immer toller Komm. !
SeeroseSeerose vor 12 Jahren
Beifuß ist Artemisia und auch Wermut ähnlich. Beifuß/Gänsefingerkraut an Gans, ekelhaft! Könnte mich interessieren der Duft wegeb des fehlenden Beifußes. Ich liebe klare Düfte - zuweilen.
Dir den fehlenden bitteren Jug Beifußtee+
KiengiraKiengira vor 12 Jahren
Hab ihn schon länger nicht mehr gerochen, hab aber bei meinen Notizen "irgendwie beissend" stehen. Teste ihn morgen nochmal ( obwohl kein Freund von Rosendüften). Bei dir wie immer: Pokal und hilfreich!
MarronMarron vor 12 Jahren
Wie gewohnt auf alle Aspekte eingegangen, bei Dir lese ich gerne mit!
Parfumfan29Parfumfan29 vor 12 Jahren
Hi, Du hast den Duft eindrucksvoll und sehr gut für mich nachvollziehbar beschrieben! Den würde ich als Frau auch einmal testen wollen:-) solche Art von Kommis lese ich sehr gern.Pokal
TaurusTaurus vor 12 Jahren
Für mich persönlich ist der Makel diese Birnennote ... scheint aber wihl nicht jeder wahrzunehmen.
MandelmausMandelmaus vor 12 Jahren
Perfektion hat oft auch etwas unheimliches. So kleine Makel machen doch ungemein sympathisch. :-) Pokal für die scharfe, respektvolle Analyse.
DobbsDobbs vor 12 Jahren
Echte Schönheit braucht halt einen kleinen Makel - danke für diesen fundierten Kommentar!