Soleil de Capri Montale
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Top Rezension
Goethe, die Caprifischer und du im Home-Office
"Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt
und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes blinkt..." -
so beginnt ein berühmter Schlager der 40er Jahre, Inbegriff der Sehnsucht nach Italien in Zeiten des Krieges und auch später im Wirtschaftswunder.
"Italiensehnsucht" - ein Wort, das ein singuläres Phänomen in der europäischen Reisekultur darstellt. Sicher, Urlaub in der Provence ist eine feine Sache - aber von "Frankreichsehnsucht" spricht niemand, so wenig wie von "Spanien-" oder "Portugalsehnsucht". Für die Italiensehnsucht gibt es sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag, denn das Phänomen, das mit diesem Begriff umschrieben wird, ist jahrhundertealt - so alt wie die Sehnsucht, sich in wärmere Gefilde aufzumachen.
Reisen als kulturelle Migration ist im Mittelalter jedoch undenkbar - was dir bleibt, wenn dich das Fernweh packt, ist: eine Pilgerreise nach Rom. Am besten zu Fuß, so kommst du durch viele aufregende Städte, lernst deine Heimat, neue Leute und fremde Speisen kennen. So eine Reise nach Rom ist unverzichtbarer Bestandteil jedes mittelalterlichen Lebens, das ein wenig weiter schauen will als bis über den Rand der hölzernen Grützeschale.
Bist du ein bisschen später geboren, so zwei-, drei Jahrhunderte, dann bist du wahrscheinlich mittendrin in einer geistigen Bewegung, die für die Menschen alles ändert. Und wo steht sie, die Wiege dieser geistigen Geburt, der Wiedergeburt der Antike? Natürlich in Italien. Da musst du also auch hin, wenn du nicht im 12., sondern im 15. Jahrhundert lebst. Da ist richtig was los, da werden Hubschrauber erfunden und es wird an Leichen herumexperimentiert, während du zuhause noch denkst, dass das Rad den Höhepunkt der Intelligenz darstellt und der Priester immer recht hat. Natürlich - ohne diese Mainzer Erfindung würdest du wahrscheinlich gar nicht so viel davon mitbekommen. Wer lesen kann, ist jedenfalls auch im 15. Jahrhundert klar im Vorteil, und das sind damals gerade einmal maximal zehn Prozent der Bevölkerung. Aber es geht los jetzt mit dem Lesenlernen. Denn wo es Bücher und Flugblätter gibt, da gibt es über kurz oder lang auch Leser. Und dann los nach Italien, die Bilder gucken, die doch irgendwie viel besser aussehen, seit Brunelleschi 1423 die Zentralperspektive entwickelt hat.
Und auch im 18. Jahrhundert tust du gut daran, einen Fuß nach Italien zu setzen. Zumindest, wenn du klug aussehen willst. Seit Goethe sich danach verzehrt hat, das Land zu sehen, und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus Weimar verschwindet, angeödet vom Hofleben und voller Lust auf die ewige Stadt, ist es chic geworden, sich dieses Land genauer anzusehen. Eine Bildungsreise führt nicht auf die Kanaren. 90 Jahre, bevor Thomas Cook ein Reise-Unternehmen gründet, das sich immerhin gut 200 Jahre halten kann, reist man schon nach Italien. Der Kultur wegen.
Ungebrochen bleibt die Sehnsucht nach dem Land, wo die Zitronen blühen, und wird wieder angefacht in den Zeiten, in denen die ersten Gastarbeiter aus Italien hier eine neue Heimat suchen. Du sehnst dich nach Zuhause, nach Wärme und Strand, während du in Essen am Stahlofen schwitzt? Sing ein bisschen. Sing von Italien. Erinnere die Menschen daran, woher das Pistazieneis kommt und auch das mit Zitrone. Wie es schmeckt, Zitroneneisküsse vor der untergehenden Sonne auf Capri zu tauschen, da, wo dein Opa noch Fischer war. Und wenn du kein Italiener bist, aber einen kennst, dann hör ihm zu und träum dich nach Capri. In die Wärme und Süße eines hellen Tages.
Wenn du aber 2020 lebst, in Zeiten von Corona und Home-Office, dann kannst du deine Italiensehnsucht auch olfaktorisch ausleben: mit "Soleil de Capri" von Montale. Im ersten Moment wirst du eine herb-spritzige Note wahrnehmen, Grapefruit auf jeden Fall, doch auch Zitrone ist dabei, und das riecht sehr lecker und sehr frisch. Nicht süß, aber heiter und hell. Dabei ist die Sillage dieses Duftes, untypischerweise für Montale, eigentlich gar nicht so stark. Du fällst damit nicht unangenehm auf, wie das mit anderen Düften der Marke schon mal passieren kann. Du riechst einfach sehr frisch, zitrisch-frisch, sauber und spritzig. Die leicht ölige Konsistenz verreibt sich, wenn du es einmal versuchen möchtest, nicht cremig auf deiner Haut, sondern eher so, wie du es von dem ätherischen Öl von Zitrusfrüchten kennst: schimmernd, aber relativ trocken. Du hast also wirklich einen guten Griff getan. Neider werden was von "synthetisch" raunen. Überhör das. Das ist alles Quatsch. Und wenn schon. Es geht vor allem darum, dass du dich mit deinem Duft wohlfühlen kannst. Und das kannst du mit "Soleil de Capri", denn das, was sich da im Opening zeigt, ist sehr harmonisch und ausgeglichen, nicht zu herb, nicht zu süß, eigentlich genau in der Mitte, die Aufmerksamkeit ist wirklich auf die Düfte gelenkt, die diese Früchte freisetzen, wenn du sie schälst. Wenn das kein Capri-Feeling ist. Und es kommt noch besser: Nach nur wenigen Minuten schon dringt in diese zitrische Frische etwas Blumiges ein, sehr, sehr sanft, sehr, sehr schön. Es mildert einerseits die Zitrusnoten etwas ab in ihrer Intensität, andererseits fängt es sie auch auf, legt sich unter sie wie ein Bett aus weißen Blütenblättern. Dadurch wird dein Duft ein Duft in mehreren Schichten, er wird spannend und raffiniert und lässt dich an Strandpromenade mit Bougainvillea und Hibiskus denken, über die du schlenderst, während du eine kühle Limonade trinkst. Und weil du morgens geduscht hast, riecht auch deine Haut in der Sonne so köstlich, und diese Idee fällt dir auch ein, wenn du an "Soleil de Capri" schnupperst, denn da ist was im Hintergrund, was so frisch-zärtlich nach deiner sauberen Haut riecht.
Du siehst also, "Soleil de Capri" ist ein superschöner Duft, wenn du in diesem Jahr nix vorhast, den Sommer zuhause bleiben musst und trotzdem immer an Italien denkst. Du kannst vielleicht nicht dorthin reisen - aber du kannst dich dorthin schnuppern.
Und die Reise nach Italien, die kannst du in einem anderen Jahr machen. Denn soviel steht fest: Die Italiensehnsucht wird es immer geben.
und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes blinkt..." -
so beginnt ein berühmter Schlager der 40er Jahre, Inbegriff der Sehnsucht nach Italien in Zeiten des Krieges und auch später im Wirtschaftswunder.
"Italiensehnsucht" - ein Wort, das ein singuläres Phänomen in der europäischen Reisekultur darstellt. Sicher, Urlaub in der Provence ist eine feine Sache - aber von "Frankreichsehnsucht" spricht niemand, so wenig wie von "Spanien-" oder "Portugalsehnsucht". Für die Italiensehnsucht gibt es sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag, denn das Phänomen, das mit diesem Begriff umschrieben wird, ist jahrhundertealt - so alt wie die Sehnsucht, sich in wärmere Gefilde aufzumachen.
Reisen als kulturelle Migration ist im Mittelalter jedoch undenkbar - was dir bleibt, wenn dich das Fernweh packt, ist: eine Pilgerreise nach Rom. Am besten zu Fuß, so kommst du durch viele aufregende Städte, lernst deine Heimat, neue Leute und fremde Speisen kennen. So eine Reise nach Rom ist unverzichtbarer Bestandteil jedes mittelalterlichen Lebens, das ein wenig weiter schauen will als bis über den Rand der hölzernen Grützeschale.
Bist du ein bisschen später geboren, so zwei-, drei Jahrhunderte, dann bist du wahrscheinlich mittendrin in einer geistigen Bewegung, die für die Menschen alles ändert. Und wo steht sie, die Wiege dieser geistigen Geburt, der Wiedergeburt der Antike? Natürlich in Italien. Da musst du also auch hin, wenn du nicht im 12., sondern im 15. Jahrhundert lebst. Da ist richtig was los, da werden Hubschrauber erfunden und es wird an Leichen herumexperimentiert, während du zuhause noch denkst, dass das Rad den Höhepunkt der Intelligenz darstellt und der Priester immer recht hat. Natürlich - ohne diese Mainzer Erfindung würdest du wahrscheinlich gar nicht so viel davon mitbekommen. Wer lesen kann, ist jedenfalls auch im 15. Jahrhundert klar im Vorteil, und das sind damals gerade einmal maximal zehn Prozent der Bevölkerung. Aber es geht los jetzt mit dem Lesenlernen. Denn wo es Bücher und Flugblätter gibt, da gibt es über kurz oder lang auch Leser. Und dann los nach Italien, die Bilder gucken, die doch irgendwie viel besser aussehen, seit Brunelleschi 1423 die Zentralperspektive entwickelt hat.
Und auch im 18. Jahrhundert tust du gut daran, einen Fuß nach Italien zu setzen. Zumindest, wenn du klug aussehen willst. Seit Goethe sich danach verzehrt hat, das Land zu sehen, und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus Weimar verschwindet, angeödet vom Hofleben und voller Lust auf die ewige Stadt, ist es chic geworden, sich dieses Land genauer anzusehen. Eine Bildungsreise führt nicht auf die Kanaren. 90 Jahre, bevor Thomas Cook ein Reise-Unternehmen gründet, das sich immerhin gut 200 Jahre halten kann, reist man schon nach Italien. Der Kultur wegen.
Ungebrochen bleibt die Sehnsucht nach dem Land, wo die Zitronen blühen, und wird wieder angefacht in den Zeiten, in denen die ersten Gastarbeiter aus Italien hier eine neue Heimat suchen. Du sehnst dich nach Zuhause, nach Wärme und Strand, während du in Essen am Stahlofen schwitzt? Sing ein bisschen. Sing von Italien. Erinnere die Menschen daran, woher das Pistazieneis kommt und auch das mit Zitrone. Wie es schmeckt, Zitroneneisküsse vor der untergehenden Sonne auf Capri zu tauschen, da, wo dein Opa noch Fischer war. Und wenn du kein Italiener bist, aber einen kennst, dann hör ihm zu und träum dich nach Capri. In die Wärme und Süße eines hellen Tages.
Wenn du aber 2020 lebst, in Zeiten von Corona und Home-Office, dann kannst du deine Italiensehnsucht auch olfaktorisch ausleben: mit "Soleil de Capri" von Montale. Im ersten Moment wirst du eine herb-spritzige Note wahrnehmen, Grapefruit auf jeden Fall, doch auch Zitrone ist dabei, und das riecht sehr lecker und sehr frisch. Nicht süß, aber heiter und hell. Dabei ist die Sillage dieses Duftes, untypischerweise für Montale, eigentlich gar nicht so stark. Du fällst damit nicht unangenehm auf, wie das mit anderen Düften der Marke schon mal passieren kann. Du riechst einfach sehr frisch, zitrisch-frisch, sauber und spritzig. Die leicht ölige Konsistenz verreibt sich, wenn du es einmal versuchen möchtest, nicht cremig auf deiner Haut, sondern eher so, wie du es von dem ätherischen Öl von Zitrusfrüchten kennst: schimmernd, aber relativ trocken. Du hast also wirklich einen guten Griff getan. Neider werden was von "synthetisch" raunen. Überhör das. Das ist alles Quatsch. Und wenn schon. Es geht vor allem darum, dass du dich mit deinem Duft wohlfühlen kannst. Und das kannst du mit "Soleil de Capri", denn das, was sich da im Opening zeigt, ist sehr harmonisch und ausgeglichen, nicht zu herb, nicht zu süß, eigentlich genau in der Mitte, die Aufmerksamkeit ist wirklich auf die Düfte gelenkt, die diese Früchte freisetzen, wenn du sie schälst. Wenn das kein Capri-Feeling ist. Und es kommt noch besser: Nach nur wenigen Minuten schon dringt in diese zitrische Frische etwas Blumiges ein, sehr, sehr sanft, sehr, sehr schön. Es mildert einerseits die Zitrusnoten etwas ab in ihrer Intensität, andererseits fängt es sie auch auf, legt sich unter sie wie ein Bett aus weißen Blütenblättern. Dadurch wird dein Duft ein Duft in mehreren Schichten, er wird spannend und raffiniert und lässt dich an Strandpromenade mit Bougainvillea und Hibiskus denken, über die du schlenderst, während du eine kühle Limonade trinkst. Und weil du morgens geduscht hast, riecht auch deine Haut in der Sonne so köstlich, und diese Idee fällt dir auch ein, wenn du an "Soleil de Capri" schnupperst, denn da ist was im Hintergrund, was so frisch-zärtlich nach deiner sauberen Haut riecht.
Du siehst also, "Soleil de Capri" ist ein superschöner Duft, wenn du in diesem Jahr nix vorhast, den Sommer zuhause bleiben musst und trotzdem immer an Italien denkst. Du kannst vielleicht nicht dorthin reisen - aber du kannst dich dorthin schnuppern.
Und die Reise nach Italien, die kannst du in einem anderen Jahr machen. Denn soviel steht fest: Die Italiensehnsucht wird es immer geben.
17 Antworten


Auch Deine Duftbeschreibung finde ich treffend.
Und Seufz! Italiensehnsucht bleibt dies Jahr wohl Italiensehnsucht.
(Aber vielleicht bauen sie dann ja bis zum nächsten Mal aus den Aufbaufonds auch noch die fehlenden langen Strände und Strandpromenaden auf Capri).