14.12.2020 - 05:42 Uhr
Profumo
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Profumo
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46
Ohne pompöse Wichtigtuerei
Dass Manuel Cross Chypre kann, insbesondere Chypre alter Machart, hat er mit ‚Chypre Siam’, ‚Tabac Vert’, ‚40 Rogue’ und ‚Tuberose & Moss’ hinlänglich bewiesen. Wer an diesen Kreationen schnuppert, mag völlig vergessen, dass noch vor wenigen Jahren erbitterte Debatten über das Für und Wider des Verbotes von Eichen- und Baummoos geführt wurden. Ein Hauch von ‚Chypre Siam’, und es ist, als sei nichts gewesen.
Gut, ihm sind die Restriktionen einer IFRA im fernen Amerika auch piepegal. Sollen die bemitleidenswerten Kollegen auf dem alten Kontinent sich doch abstrampeln, der guten alten, leider gemeuchelten Tante Chypre neues Leben einzuhauchen - bei ihm daheim ist sie noch quicklebendig.
Nun also ‚Flora & Fauna’.
Ich gestehe diesen Duft blind geordert zu haben, aber was sollte schon passieren: ein neuer Chypre-Duft von Herrn Cross, noch dazu vom US-amerikanischen Onlinehändler Luckyscent als „...masterpiece of all-natural perfumery“ angepriesen - da konnte einfach nichts schiefgehen.
Ging auch nicht.
‚Flora & Fauna’ ist genau das, was ich mir erhofft, und ja, auch ein bisschen erwartet hatte: ein klassisches Chypre der allerfeinsten Art! Der Duft übertrifft sogar noch die bereits erwähnten Vorgänger – die ihrerseits schon überzeugende Vertreter dieses Genres waren, bzw. sind. Mit ihnen leuchtete Manuel Cross ein wenig die Ecken des Chypre-Kosmos aus: mal die grün-würzige Ecke, mal die pudrig-animalische, oder die asiatisch-florale. ‚Flora & Fauna’ aber ruht in sich, besetzt gewissermaßen die Mitte des Raumes, oder anders gesagt: will und soll vermutlich als Quintessenz seines Ringens um einen Chypre-Duft alter Prägung gelesen werden, einen, der nur sachte zur Moderne aufschließt und vor allem seine eigene Handschrift erkennen lässt.
An zwei Heroen der Vergangenheit kommt man im Maßnehmen natürlich nicht vorbei: an Cotys epochalem ‚Chypre’, und an Jacques Guerlains Antwort darauf, dem nicht minder epochalen ‚Mitsouko’.
‚Chypre Siam’ kann man in vielerlei Hinsicht als Manuel Cross’ Versuch werten, François Cotys Duft neu zu interpretieren. ‚Flora & Fauna’ wiederum ließe sich als Werben um ‚Mitsouko’ verstehen. Denn der geniale Kniff Jacques Guerlains war es ja, dem bitter-moosigen Grundrauschen des Chypre-Konstruktes eine reife Frucht mit ihren süß-herben, ja ledrigen Nuancen gegenüber zu stellen: den Pfirsich.
Manuel Cross wählt stattdessen die Aprikose, bzw. als Variante: eine angeblich getrocknete Aprikose.
Und die riecht man gleich zu Beginn des Duftverlaufes, aber hallo! Sie springt einen förmlich an, und hält die bitter-schalige, zitrusfrische Bergamotte gleich untergehakt. Dieses herb-süße Fruchtduo tanzt regelrecht auf dem balsamischen, weich ambrierten Herzen, das seinerseits von einem kräftigen, von Labdanum und Eichenmoos geprägten Fond umfangen wird.
Natürlich ist der saftige Aprikosen-Akkord ein ganz klarer Wink in Richtung ‚Mitsouko’, nur dass ‚Flora & Fauna’ weniger madamig rüberkommt, vielmehr graziler, leichtfüßiger.
Das mag am fehlenden Blütenbouquet liegen. ‚Mitsouko’ hält ja einen ganzen Strauß im Arm: Rose, Jasmin, Ylang-Ylang, sogar Flieder. Der Rogue-Duft: nada. Keine Blüte weit und breit, zumindest keine, die sich in den Vordergrund drängen würde. Manuel Cross hat gewissermaßen abgerüstet, oder besser: abgerüscht. Und siehe da: das abgespeckte Konzept geht auf.
Wobei ich mich dann doch ein wenig über die Namensgebung wundere: ‚Flora’, welche Flora? Gut, auch Moose, Flechten und Harze zählen zur Flora. Aber bitte, welche ‚Fauna’?
Hier werde ich tatsächlich ein wenig stutzig.
Manuel Cross bewirbt diesen Duft damit, dass er ‚all-natural’ sei. Ernsthaft? Auch das Zibet, welches angeblich drin sein soll, und das man nur leise erahnen kann?
Echtes, natürliches Zibet?
Ich will es nicht hoffen.
Denn so gut ‚Flora & Fauna’ auch duftet, die Verwendung von echtem Zibet würde diesen Duft gewissermaßen disqualifizieren. Ein leises schlechte Gewissen nagt auch jetzt schon in mir, vor lauter Rogue-Chypre-Begeisterung den Kauf-Button unbedacht schnell gedrückt zu haben...
Nun gut, ich werde es herausfinden, und bis dahin hoffen, dass sich das ‚all-natural’ nicht wirklich auf ‚all’ bezieht.
Vom nur subtil eingesetzten Zibet einmal abgesehen, müssen natürlich auch die ledrigen Nuancen der ‚Fauna’ zugerechnet werden. Man denke bei der Kombination von Leder und Chypre in diesem Falle aber bitte nicht an genuine Lederchypres à la ‚Bandit’ oder ‚Cabochard’. Der ledrige Touch ist hier eher Teamplayer als Protagonist, eher weiches, helles Leder, als derbes und dunkles.
Hier erinnert mich ‚Flora & Fauna’ etwas an ‚Diorling’, dessen ledrige Seiten ähnlich fein geglättet und weich duften, während die Basis aber längst nicht die Wärme des Rogue-Duftes entwickelt. Diese entwickelt jedoch ein anderer Chypre-Duft neueren Datums, Annette Neuffers ‚Chyprette’ - ebenfalls ‚all-natural’ . Vielleicht hat sich Manuel Cross ja von diesem inspirieren lassen, denn auffallend ist schon, dass kaum ein Jahr nach Erscheinen des Neuffer-Duftes Manuel Cross mit dem seinen um die Ecke kommt. Während ‚Chyprette’ selbstverständlich rein natürlich ist, erstaunt mich der explizite Hinweis auf die Natürlichkeit bei ‚Flora & Fauna’ schon ein wenig, war doch Manuel Cross bislang zwar für seine Widerständigkeit gegen bürokratische Vorgaben bekannt, weniger aber für eine Neigung zu Natur-Parfums.
Ziel seines Bemühens war offenbar jedenfalls, sich selbst und allen Skeptikern zu beweisen, dass ein Chypre-Duft auf rein natürlicher Basis, ohne den Einsatz synthetischer Substitute, realisierbar ist.
Das ist ihm gelungen.
Nachvollziehbar ist allerdings auch, dass das Ganze seinen Preis hat. Wie schon Annette Neuffer auf ihrer Webseite darlegt, kosten natürliche Extrakte ein Vielfaches mehr als deren synthetische Ersatzstoffe – die Unterschiede sind wirklich enorm!
Da darf es also nicht wundern, dass für ein Fläschchen ‚Flora & Fauna’ etwas mehr gezahlt werden muss, als für andere Rogue-Düfte, die ihrerseits ja schon einen hohen Anteil natürlicher Inhaltstoffe aufweisen.
Als kleine Entschädigung für den Aufpreis belohnt einen nicht nur ein qualitativ überaus hochwertiger Duft, sondern auch ein hübsches kleines, aufklappbares Holzkästchen, das wunderbar zum Inhalt passt: auf eine angenehme Art fein und edel, ohne jeden Anflug pompöser Wichtigtuerei.
Bravo!
Gut, ihm sind die Restriktionen einer IFRA im fernen Amerika auch piepegal. Sollen die bemitleidenswerten Kollegen auf dem alten Kontinent sich doch abstrampeln, der guten alten, leider gemeuchelten Tante Chypre neues Leben einzuhauchen - bei ihm daheim ist sie noch quicklebendig.
Nun also ‚Flora & Fauna’.
Ich gestehe diesen Duft blind geordert zu haben, aber was sollte schon passieren: ein neuer Chypre-Duft von Herrn Cross, noch dazu vom US-amerikanischen Onlinehändler Luckyscent als „...masterpiece of all-natural perfumery“ angepriesen - da konnte einfach nichts schiefgehen.
Ging auch nicht.
‚Flora & Fauna’ ist genau das, was ich mir erhofft, und ja, auch ein bisschen erwartet hatte: ein klassisches Chypre der allerfeinsten Art! Der Duft übertrifft sogar noch die bereits erwähnten Vorgänger – die ihrerseits schon überzeugende Vertreter dieses Genres waren, bzw. sind. Mit ihnen leuchtete Manuel Cross ein wenig die Ecken des Chypre-Kosmos aus: mal die grün-würzige Ecke, mal die pudrig-animalische, oder die asiatisch-florale. ‚Flora & Fauna’ aber ruht in sich, besetzt gewissermaßen die Mitte des Raumes, oder anders gesagt: will und soll vermutlich als Quintessenz seines Ringens um einen Chypre-Duft alter Prägung gelesen werden, einen, der nur sachte zur Moderne aufschließt und vor allem seine eigene Handschrift erkennen lässt.
An zwei Heroen der Vergangenheit kommt man im Maßnehmen natürlich nicht vorbei: an Cotys epochalem ‚Chypre’, und an Jacques Guerlains Antwort darauf, dem nicht minder epochalen ‚Mitsouko’.
‚Chypre Siam’ kann man in vielerlei Hinsicht als Manuel Cross’ Versuch werten, François Cotys Duft neu zu interpretieren. ‚Flora & Fauna’ wiederum ließe sich als Werben um ‚Mitsouko’ verstehen. Denn der geniale Kniff Jacques Guerlains war es ja, dem bitter-moosigen Grundrauschen des Chypre-Konstruktes eine reife Frucht mit ihren süß-herben, ja ledrigen Nuancen gegenüber zu stellen: den Pfirsich.
Manuel Cross wählt stattdessen die Aprikose, bzw. als Variante: eine angeblich getrocknete Aprikose.
Und die riecht man gleich zu Beginn des Duftverlaufes, aber hallo! Sie springt einen förmlich an, und hält die bitter-schalige, zitrusfrische Bergamotte gleich untergehakt. Dieses herb-süße Fruchtduo tanzt regelrecht auf dem balsamischen, weich ambrierten Herzen, das seinerseits von einem kräftigen, von Labdanum und Eichenmoos geprägten Fond umfangen wird.
Natürlich ist der saftige Aprikosen-Akkord ein ganz klarer Wink in Richtung ‚Mitsouko’, nur dass ‚Flora & Fauna’ weniger madamig rüberkommt, vielmehr graziler, leichtfüßiger.
Das mag am fehlenden Blütenbouquet liegen. ‚Mitsouko’ hält ja einen ganzen Strauß im Arm: Rose, Jasmin, Ylang-Ylang, sogar Flieder. Der Rogue-Duft: nada. Keine Blüte weit und breit, zumindest keine, die sich in den Vordergrund drängen würde. Manuel Cross hat gewissermaßen abgerüstet, oder besser: abgerüscht. Und siehe da: das abgespeckte Konzept geht auf.
Wobei ich mich dann doch ein wenig über die Namensgebung wundere: ‚Flora’, welche Flora? Gut, auch Moose, Flechten und Harze zählen zur Flora. Aber bitte, welche ‚Fauna’?
Hier werde ich tatsächlich ein wenig stutzig.
Manuel Cross bewirbt diesen Duft damit, dass er ‚all-natural’ sei. Ernsthaft? Auch das Zibet, welches angeblich drin sein soll, und das man nur leise erahnen kann?
Echtes, natürliches Zibet?
Ich will es nicht hoffen.
Denn so gut ‚Flora & Fauna’ auch duftet, die Verwendung von echtem Zibet würde diesen Duft gewissermaßen disqualifizieren. Ein leises schlechte Gewissen nagt auch jetzt schon in mir, vor lauter Rogue-Chypre-Begeisterung den Kauf-Button unbedacht schnell gedrückt zu haben...
Nun gut, ich werde es herausfinden, und bis dahin hoffen, dass sich das ‚all-natural’ nicht wirklich auf ‚all’ bezieht.
Vom nur subtil eingesetzten Zibet einmal abgesehen, müssen natürlich auch die ledrigen Nuancen der ‚Fauna’ zugerechnet werden. Man denke bei der Kombination von Leder und Chypre in diesem Falle aber bitte nicht an genuine Lederchypres à la ‚Bandit’ oder ‚Cabochard’. Der ledrige Touch ist hier eher Teamplayer als Protagonist, eher weiches, helles Leder, als derbes und dunkles.
Hier erinnert mich ‚Flora & Fauna’ etwas an ‚Diorling’, dessen ledrige Seiten ähnlich fein geglättet und weich duften, während die Basis aber längst nicht die Wärme des Rogue-Duftes entwickelt. Diese entwickelt jedoch ein anderer Chypre-Duft neueren Datums, Annette Neuffers ‚Chyprette’ - ebenfalls ‚all-natural’ . Vielleicht hat sich Manuel Cross ja von diesem inspirieren lassen, denn auffallend ist schon, dass kaum ein Jahr nach Erscheinen des Neuffer-Duftes Manuel Cross mit dem seinen um die Ecke kommt. Während ‚Chyprette’ selbstverständlich rein natürlich ist, erstaunt mich der explizite Hinweis auf die Natürlichkeit bei ‚Flora & Fauna’ schon ein wenig, war doch Manuel Cross bislang zwar für seine Widerständigkeit gegen bürokratische Vorgaben bekannt, weniger aber für eine Neigung zu Natur-Parfums.
Ziel seines Bemühens war offenbar jedenfalls, sich selbst und allen Skeptikern zu beweisen, dass ein Chypre-Duft auf rein natürlicher Basis, ohne den Einsatz synthetischer Substitute, realisierbar ist.
Das ist ihm gelungen.
Nachvollziehbar ist allerdings auch, dass das Ganze seinen Preis hat. Wie schon Annette Neuffer auf ihrer Webseite darlegt, kosten natürliche Extrakte ein Vielfaches mehr als deren synthetische Ersatzstoffe – die Unterschiede sind wirklich enorm!
Da darf es also nicht wundern, dass für ein Fläschchen ‚Flora & Fauna’ etwas mehr gezahlt werden muss, als für andere Rogue-Düfte, die ihrerseits ja schon einen hohen Anteil natürlicher Inhaltstoffe aufweisen.
Als kleine Entschädigung für den Aufpreis belohnt einen nicht nur ein qualitativ überaus hochwertiger Duft, sondern auch ein hübsches kleines, aufklappbares Holzkästchen, das wunderbar zum Inhalt passt: auf eine angenehme Art fein und edel, ohne jeden Anflug pompöser Wichtigtuerei.
Bravo!
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