Bornéo 1834 Serge Lutens 2005
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Top Rezension
Unter Deck oder Vom Insektenschutzmittel zum Luxusparfum
Von wegen Borneo, das liegt schon weit hinter uns. Wo genau wir gerade sind, weiß ich auch nicht, ich weiß nur, dass es mich immer wieder in den Laderaum zieht. Unter Deck. Und ich hoffe, dass die Seereise noch lange dauert. Immer wieder, wenn es abends dunkel wird, kann ich nicht widerstehen. Inzwischen trifft mich schon das kleinste bisschen von diesem lockenden Dunkelduft mitten ins Herz und direkt in die Lenden, und ich muss ihm folgen. Köstlich wie tiefdunkler Kakao und die tiefdunklen Patchouliblätter mit ihren dunkelöligen und erdigen Facetten. Und da sind funkelnde kühlgrüne Irrlichter aus Kampfer, die flackern an immer wieder neuen Stellen auf hier unten. Mit meinen Fingern berühre ich die Ballen blütenheller kostbarer Seide, die auch noch einen kleinen Rest vom Öl weißer Blüten ausströmen. Und der mischt sich mit dem würzigen Geruch der grünen Kardamomkapseln in den gestapelten Säcken. Die zu Hause wollen ja außer dem Kakao und den Gewürzen bloß die Seide haben. Keine Ahnung haben die von den Genüssen hier. Mir wird hier unten körperlich immer ganz anders, und gut, dass es nicht nur mir alleine so geht. Ich genieße nicht nur den warmen, leicht verschwitzten, leicht süßen, fast moschusartigen Geruch unserer Körper nach dem langen Arbeitstag auf Deck. Wenn die anderen wüssten…
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Dieser im ganzen grün-braune Duft mit kleinen Aufhellungen setzt die Vorstellung einer Schiffsladung mit den genannten Handelsgütern ganz wunderbar um. Dunkel erdig-rauchig-öliges Patchouli und genauso dunkler, aber ganz trockener Kakao, in genialer Kombination mit funkelgrün-ätherischem Kampfer. Im Herzen ist da für mich eine zarte Blütenahnung, Galbanum verstärkt das Grün, das sich zunehmend wieder verabschiedet und höchst körperlich-animalisch schnurrendem Labdanum Platz gibt, das den letzten Teil des Verlaufs ausmacht.
Intersport hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Sheldrake davor schon bei „Vétiver Oriental“ mit dieser Mischung aus Exotik, Labdanum und Kakao gearbeitet hat – hier tut sich für mich ein weiteres verheißungsvolles Forschungsfeld auf.
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Den seltsamen Namen Bornéo 1834 hat Lutens gewählt, weil es das Jahr war, in dem die Pariser:innen Patchouli als Duft entdeckten. Denn zuerst wurde es nur deswegen auf der langen Schiffspassage nach Europa in die Seidenballen mit eingewickelt, um Motten von der Seide fernzuhalten. Also ein Insektenschutz. Auch wenn das Patchouli zunächst nur mit seinem kampferartigen Geruch die Motten von dem kostbaren Stoff abhalten sollte, wollten die eleganten Damen mehr von diesem Duft, nachdem sie einmal die Seide gerochen hatten. Das war 1834. Patchouli wurde also vom Insektenschutzmittel zum Parfum. Und dem Duft gelingt es, mich auf die holländischen Handelsschiffe mit ihren Ballen aus Rohseide, Gewürzen und Kakao auf ihrem Weg zu den Geschäften in Europa mitzunehmen.
Erläuterungen zum Duft, der auf der Lutens-Homepage aktuell nicht mehr gelistet ist, und zu Luca Turins Erklärung des Kontexts finden sich auch auf:
https://kafkaesqueblog.com/2013/01/12/
perfume-review-serge-lutens-borneo-1834/
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Dieser im ganzen grün-braune Duft mit kleinen Aufhellungen setzt die Vorstellung einer Schiffsladung mit den genannten Handelsgütern ganz wunderbar um. Dunkel erdig-rauchig-öliges Patchouli und genauso dunkler, aber ganz trockener Kakao, in genialer Kombination mit funkelgrün-ätherischem Kampfer. Im Herzen ist da für mich eine zarte Blütenahnung, Galbanum verstärkt das Grün, das sich zunehmend wieder verabschiedet und höchst körperlich-animalisch schnurrendem Labdanum Platz gibt, das den letzten Teil des Verlaufs ausmacht.
Intersport hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Sheldrake davor schon bei „Vétiver Oriental“ mit dieser Mischung aus Exotik, Labdanum und Kakao gearbeitet hat – hier tut sich für mich ein weiteres verheißungsvolles Forschungsfeld auf.
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Den seltsamen Namen Bornéo 1834 hat Lutens gewählt, weil es das Jahr war, in dem die Pariser:innen Patchouli als Duft entdeckten. Denn zuerst wurde es nur deswegen auf der langen Schiffspassage nach Europa in die Seidenballen mit eingewickelt, um Motten von der Seide fernzuhalten. Also ein Insektenschutz. Auch wenn das Patchouli zunächst nur mit seinem kampferartigen Geruch die Motten von dem kostbaren Stoff abhalten sollte, wollten die eleganten Damen mehr von diesem Duft, nachdem sie einmal die Seide gerochen hatten. Das war 1834. Patchouli wurde also vom Insektenschutzmittel zum Parfum. Und dem Duft gelingt es, mich auf die holländischen Handelsschiffe mit ihren Ballen aus Rohseide, Gewürzen und Kakao auf ihrem Weg zu den Geschäften in Europa mitzunehmen.
Erläuterungen zum Duft, der auf der Lutens-Homepage aktuell nicht mehr gelistet ist, und zu Luca Turins Erklärung des Kontexts finden sich auch auf:
https://kafkaesqueblog.com/2013/01/12/
perfume-review-serge-lutens-borneo-1834/
63 Antworten


Wandert direkt auf meine Merkliste 🖊️
Danke Dir für die sensationelle Beschreibung 🙏🏼
wobei die restlichen spezereien auch ihre berechtigung haben!
Auf die Insekten. 😁 Tolle Rezension.
Gibt heute ja immer noch Parfüms, die nach Insektenschutzmittel riechen.😄