AnnaBlume
AnnaBlumes Blog
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 4 Jahren - 01.09.2020
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Ein Feuermärchen

Es war einmal vor langer, langer Zeit, als sich eines der vier Elemente, das Feuer, gegen mich richtete, und mir alles nahm, was ich besaß. Es war ein Wohnungsbrand, und die Umstände, die einst dazu geführt hatten, waren ebenso komplex wie mysteriös. Ein damals noch junger Mann spielte dabei eine Rolle, und eine alles verzehrende Leidenschaft, die ich einst mit Liebe verwechselt hatte. Es geschah in einer Vollmondnacht im August, am Ende des letzten Jahrtausends, als ich in den frühen Morgenstunden nach Hause kam und keine Tür mehr vorfand, die ich hätte aufschließen können. Und so stand ich da, ganz allein, denn Feuerwehr und Polizei hatten ihre Arbeit bereits getan, und starrte ungläubig zuerst auf das versiegelte Absperrband und dann darüber hinweg, auf den rußgeschwärzten Tatort, der gestern noch meine Wohnung gewesen war. Und ich erinnere mich an den Geruch, an diesen beißenden Geruch. Und an die Leere, diese tiefschwarze Leere, die sich wie ein narkotisierender Schleier über mich legte, und alles, was Gefühl war, in einen tiefen Dornröschenschlaf fallen ließ. Ja, genau so stand ich damals da, an diesem frühen Morgen im August. Leer und ausgebrannt, innerlich wie äußerlich. Und alles, was nicht verbrannt war, das war verschmort. Und alles was nicht verschmort war, das war geschmolzen. Und was nicht geschmolzen war, das war vom Löschwasser zerstört. Und das Einzige, das ich noch besaß, das trug ich am Körper, und der ganze Rest war einfach fort. Und es war ein Wunder, ein riesiges Wunder, dass kein Mensch und auch kein Tier dabei körperlich zu Schaden gekommen waren.

Aber das ist nicht die Geschichte, die ich erzählen möchte. Ich möchte davon erzählen, was danach kam, und von diesem ganz besonderen Duft, der kurz darauf in mein Leben trat, und der sich wie eine schützende Rüstung um mich legte und so lange blieb, bis ich wie Phoenix aus der Asche stieg. Grunderneuert. Und kaum war das geschehen, da war dieser Duft verschwunden. Und ist es bis heute. Wie eine spukhafte Erscheinung, oder ein guter Geist, der nun nicht mehr gebraucht wurde.

Auf traumatische, gar lebensbedrohliche Ereignisse reagiert ein jeder Mensch anders. Der eine erstarrt, der andere kämpft oder flieht, ohne nachzudenken, ohne abzuwägen, je nachdem, was die jeweilige Situation erfordert. Ich erstarrte. Erfror. Aber ich funktionierte auch. Ging zu meinem Studentenjob. Bezog eine neue Wohnung, in der es von den Wänden hallte, da ich keine Möbel mehr besaß. Und dort lag ich auf dem Boden und sah so lange an die Decke, bis ich wieder zur Arbeit gehen durfte, oder zur Uni, oder sonst irgendwohin. Kein Gefühl. Nur Leere. Bis zu diesem einen Tag, als mich das Schicksal, unter dem Deckmantel der Normalität, in eine dieser türkisfarbenen Filialen führte. Dort wanderte ich an den Regalen vorbei, ließ mich beraten, testete einen der frischen Düfte, die ich sonst immer so mochte, und fühlte - nichts. Und dann sah ich sie. Diese feuerrote Kugel, die mich wie magisch anzog. "Le Feu d'Issey" Und als mich kurz darauf zum ersten Mal dieser Duft erfasste, da war es, als würde sich ein Schalter in mir umlegen, und ich wusste es sofort: Wenn ich jemals wieder etwas fühlen wollte, dann musste ich ein Gegenfeuer legen! Denn eine unsichtbare, kalte Flamme, die nicht mit Wasser gelöscht werden konnte, brannte noch immer in mir. Und in diesem Moment, in dieser türkisfarbenen Filiale, begann meine rote Phase. Ich malte meine Wände rot, trug rote Kleider, fing an zu rauchen, natürlich rote Gauloises, schlief in roter Satin-Bettwäsche, und hinterließ roten Lippenstift, nicht nur auf Rotweingläsern. Ich bekämpfte Feuer mit Feuer, brannte heiß und heißer, und bei alledem umwehte mich stets ein Hauch von Le Feu d’Issey, meiner stärksten Waffe. Und ganz langsam wurde diese unsichtbare Flamme, die so kalt in mir brannte, kleiner und kleiner, bis sie nur noch glimmte und schließlich ganz erlosch. Und am Ende dieses Märchens, das zugleich auch ein Anfang ist, blieb nur ein kleines Häufchen fruchtbarster Asche zurück. Wie gemacht, um daraus etwas Neues entstehen zu lassen.

Heute erscheint mir all das nur noch wie ein ferner Fiebertraum. Fast nicht mehr wahr. So vieles hat sich seitdem verändert, im Großen wie im Kleinen. Die Farbe Rot, um mal ein Beispiel für eine der kleinen Veränderungen zu nennen, ertrage ich nur noch fein dosiert, wenn überhaupt. Rotwein gar nicht mehr. Und auch das Rauchen habe ich wieder aufgegeben, schon vor einer Ewigkeit. Und rote Wände? Bitte nicht.

Das Einzige, das ich aus dieser Zeit noch zurückbehalten habe, ist diese rote Kugel. Sie ist leer, seit Jahren schon. Doch ein ganz schwaches Glimmen, kaum mehr wahrnehmbar, erinnert noch immer an ihr Feuer.

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