Ein Feuermärchen
Es war einmal vor langer, langer Zeit, da wandte sich eines der vier Elemente, das Feuer, gegen mich und nahm mir alles, was ich besaß. Es war ein Wohnungsbrand, und die Umstände, die dazu geführt hatten, waren ebenso komplex wie mysteriös. Ein damals junger Mann spielte dabei eine Rolle und eine alles verzehrende Leidenschaft, die ich einst mit Liebe verwechselt hatte. Es geschah in einer Vollmondnacht im August, als ich in den frühen Morgenstunden nach Hause kam und keine Tür mehr vorfand, die ich hätte aufschließen können. Und so stand ich da, ganz allein, denn Feuerwehr und Polizei hatten ihre Arbeit bereits getan, und starrte ungläubig erst auf das versiegelte Absperrband und dann darüber hinaus auf den rußgeschwärzten Tatort, der gestern noch meine Wohnung gewesen war. Und ich erinnere mich an den Geruch, diesen beißenden Geruch. Und an die Leere, diese tiefschwarze Leere, die sich wie ein betäubender Schleier über mich legte und alles, was Gefühl war, in einen tiefen Dornröschenschlaf fallen ließ.
Ja, so stand ich damals da, an jenem frühen Morgen im August. Leer und ausgebrannt. Und alles, was in dieser Nacht nicht verbrannt war, war verkohlt. Und alles, was nicht verkohlt war, war geschmolzen. Und alles, was nicht geschmolzen war, war vom Löschwasser zerstört. Und das einzige, das ich noch besaß, das trug ich am Körper. Der ganze Rest - weg. Und es war ein Wunder, ein großes Wunder, dass kein Mensch und auch kein Tier dabei zu Schaden gekommen war, damals in dieser Nacht.
Aber das ist nicht die Geschichte, die ich erzählen möchte. Ich möchte davon erzählen, was danach kam, und von diesem ganz besonderen Duft, der kurz darauf in mein Leben trat, und der sich wie eine schützende Rüstung um mich legte und so lange blieb, bis ich wie Phoenix aus der Asche stieg. Grunderneuert. Und kaum war das geschehen, da war dieser Duft verschwunden. Und ist es bis heute. Wie eine spukhafte Erscheinung, oder ein guter Geist, der nun nicht mehr gebraucht wurde.

Jeder Mensch reagiert anders auf traumatische oder gar lebensbedrohliche Ereignisse. Der eine erstarrt, der andere kämpft oder flieht, ohne nachzudenken, ohne abzuwägen. Ich erstarrte. Wurde zu Eis. Aber ich funktionierte auch. Ich stand morgens auf, putzte mir die Zähne, kämmte mir die Haare und fand ein WG-Zimmer, in dem es noch lange von den Wänden widerhallte, weil ich keine Möbel mehr besaß und auch keine neuen kaufte, außer einem Bett. Und dort lag ich auf dem Rücken und starrte an die Decke, bis ich wieder zur Arbeit gehen durfte oder zu einer Party oder sonst irgendwohin. Kein Gefühl. Nur Leere.
Bis zu jenem Tag, an dem mich das Schicksal unter dem Deckmantel der Normalität in eine dieser türkisfarbenen Filialen führte. Ich schlenderte an den Regalen vorbei, ließ mich beraten, probierte einen der frischen Düfte, die ich immer so mochte, und fühlte - nichts. Und dann sah ich sie. Diese feuerrote Kugel, die mich wie magisch anzog. "Le Feu d'Issey" Und als ich kurz darauf zum ersten Mal von diesem Duft erfasst wurde, war es, als hätte sich ein Schalter in mir umgelegt, und ich wusste sofort: Wenn ich jemals wieder etwas fühlen wollte, musste ich ein Gegenfeuer legen! Denn in mir brannte noch immer eine unsichtbare, kalte Flamme, die mit Wasser nicht zu löschen war. Und genau in diesem Moment begann meine rote Phase. Ich strich meine Wände rot, trug rote Kleider, begann zu rauchen, natürlich rote Gauloises, schlief in roter Satinbettwäsche und hinterließ roten Lippenstift nicht nur auf Rotweingläsern. Ich bekämpfte Feuer mit Feuer, brannte heiß und heißer, und bei all dem umgab mich immer ein Hauch von Le Feu d’Issey, meiner stärksten Waffe. Und ganz langsam wurde diese unsichtbare Flamme, die so kalt in mir brannte, kleiner und kleiner, bis sie nur noch glimmte und schließlich ganz erlosch. Und am Ende dieses Märchens, das zugleich ein Anfang ist, blieb nur ein Häufchen fruchtbarster Asche zurück. Wie geschaffen, um daraus etwas Neues entstehen zu lassen.
Heute erscheint mir all das nur noch wie ein ferner Fiebertraum. Fast nicht mehr wahr. So vieles hat sich seitdem verändert, im Großen wie im Kleinen. Die Farbe Rot, um eine der kleinen Veränderungen zu nennen, ertrage ich nur noch fein dosiert, wenn überhaupt. Rotwein gar nicht mehr. Und das Rauchen habe ich wieder aufgegeben, schon vor einer Ewigkeit. Und rote Wände? Bitte nicht.
Das Einzige, was mir aus dieser Zeit geblieben ist, ist diese rote Kugel. Sie ist leer, seit Jahren schon. Doch ein ganz schwaches, kaum wahrnehmbares Glimmen erinnert noch an ihr Feuer.
Alles Liebe für dich!