
Kleine Chemiestunde für Parfumos oder auch "Weg mit dem Parafilm"
Liebe Community,
mit diesem Bloggartikel möchte ich ein wenig materialwissenschaftliches/chemisches Grundwissen unters Volk bringen mit dem Ziel, dass der ein oder andere seine Pröbchenabdichtungspraktiken doch vielleicht noch einmal überdenken möge.
Immer wieder kommt im Forum die Frage auf, die man seine Taschenzerstäuber am besten "dicht" bekommt (davon mal abgesehen, dass die mir bekannten GlasTZs bei geradem Aufschrauben des Gewindes auf Grund der im Kopf befindlichen Dichtung eigentlich alle problemlos dichthalten..). An dieser Stelle hält sich die Empfehlung Parafilm zu nutzen hartnäckiger als altes Kaugummi unterm Schuh!
Und das ist materialtechnisch gesehen eigentlich ziemlich blöd... die Maus äh dasCroe erklärt auch warum..
Woraus besteht Parafilm?
Parafilm® ist eine dehnbare, weißlich durchscheinende Verschlussfolie und wird im (biologischen) Labor zum Verschließen verschiedener Gefäße verwendet, um Verschütten, Verunreinigen und Verdunsten zu vermeiden. Das Ganze ist eher für den kurzfristigen Schutz gedacht, nicht für wochenlange Lagerung - dann füllt man das i.d.R. um und verschließt es vernünftig.

Parafilm besteht aus 50% Paraffin sowie 50% Polyolefin (Polyethylen).
Polyethylen ist ein thermoplastischer Kunststoff, der aus langen Ketten von Ethylenmonomeren besteht.
WICHTIG : Parafilm nicht mit Teflonband verwechseln. Teflonband besteht hauptsächlich aus Polytetrafluorethylen (PTFE).
So und jetzt kommt der Haken! Parafilm ist nämlich NICHT langzeitbeständig gegen organische Lösungsmittel.
Woraus besteht Parfum?
Ziemlich egal wie wir das Duftwässerchen auf Grund seiner prozentual enthaltenen Duftstoffe nun nennen, zum größten Teil besteht Parfum aus Alkohol. Es gibt mittlerweile ein paar wenige Düfte, die wasserbasiert sind, aber der Großteil ist und bleibt alkoholbasiert.
Genauer gesagt zumeist aus Ethanol (oder auch Ethylalkohol), also ein aliphatischer, einwertiger, primärer Alooolooohol *hicks* . Ethanol hat sowohl polare wie auch unpolare Gruppen, was ihn zu einem universelles Lösungsmittel macht. Genau DAS ist ja auch seine Aufgabe im Parfum.

Halt! Stop! Parfum enthält Alkohol, Alkohol/Ethanol ist ein organisches Lösungsmittel... Parafilm ist nicht beständig gegen was? Genau! Organische Lösungsmittel!
Was passiert nun aber, wenn ich Parfum und Parafilm über einen längeren Zeitraum miteinander in Kontakt bringe?
Es macht "Puff", eine rosa Wolke steigt auf und Sternenstaub rieselt herunter? Nein nicht ganz.
Ethanol ist kein starkes Lösungsmittel aber steter Tropfen höhlt den Stein und so kann es bei längerer Einwirkung zu einem langsamen Auflösung oder Degradation kommen.
Etwas vereinfacht bildlich ausgedrückt wird der Alkohol in die Polymerstruktur eindringen und die Molekülketten auseinanderdrücken --> Der Parafilm quillt auf. Durch dieses Quellen oder auch Erweichen verliert der Film seine mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Elastizität.
Er reißt, wird klebrig und seine Fähigkeit, Behälter abzudichten, wird massiv beeinträchtigt.

Warum hält sich Parafilm jetzt aber so hartnäckig als Mittel der Wahl gegen Verdunsten ? Keine Ahnung! Erklärt es mir bitte! Ich hasse das Zeug, es matscht und klebt, man darf es in einzelnen Fitzeln abpuhlen usw. ARGH! Ich werde bei Gelegenheit ein Bild nachliefern.
Vielleicht hat sich der Mythos auch auf Grund eines "Scheineffekts" verbreitet? Da wurde dann das Gewinde des an sich schon gut schließende GlasTZ noch zusätzlich mit Parafilm versehen, da die Dichtung im Deckel aber ihren Job tut, kommt der Parafilm mit dem Parfum nicht in Kontakt. Es tut dann genau ... nichts. Placeboeffekt quasi.
Von daher mein Rat, lasst es bleiben. Sicher, man kann viele Dinge kreativ zweckentfremden... sollte man vielleicht aber nicht unbedingt. Der Satz mit dem "Haustiere nicht in der Mikrowelle trocknen" kommt auch nicht von ungefähr. Rein chemisch gesehen macht es jedenfalls wenig Sinn!
Vielen Dank
Dankeschön für die Nachhilfe.
Allerdings habe ich eine frage an die Versandexperten unter euch:
Wenn ich ein nur getestetes Chanel extrait verschicken möchte: wie bekomme ich das sicher hin? Die Versiegelung ist ja ab und es sind schüttflakons mit eingeschliffenem Stöpsel. Wenn ich den stöpsel direkt verklebe, ziehe ich mir garantiert den Unmut des Empfängers zu, weil er den flakon von Klebstoffresten befreien muss.
Bremsenreiniger, Nitroverdünnung und diverse andere Lösungsmittel gehen auch gut, duften auch angenehmer als Spiritus.
Ich nehm immer Isolierband (von außen drumgeklebt), hatte das schonmal, dass ein TZ sich durch Nutzung etwas aufgedreht hat, das kann dann mit Isolierband nicht passieren.
Dankedankedanke!
Danke für den tollen Chemieausflug!
Ist die OH-Gruppe der "geladene" Teil des Molekülst? Bildet Alkohol Wasserstorrbrücken? Nur so aus Neugier.
LG und danke für den Blog
Das Zeug nervt mich schon seit Jahren, seit meiner 2. Wanderbrief-Teilnahme, um genau zu sein. Allein dieses Jahr sind mir unterwegs schon zwei Abfüllungen bis zum Isolierband durchgesuppt, unter dem das Fisselzeuchs versteckt war. Es gibt zwar Schlimmeres als dass der Waschbeutel nach Keemun riecht, aber …
Ich tipp mir öfter mal die Finger wund deswegen, aber mit viel weniger Fachwissen und Eloquenz, also: Thank you!
Ordentliche Druckzerstäuber brauchen keine Abdichtung.
Endlich weiß ich zumindest mal, was dieses "Parafilm" überhaupt ist, was ich auch schon öfter als Empfehlung gelesen habe.
Und Dank dir werde ich dafür sicher kein Geld ausgeben - sehr schlüssig und verständlich erklärt. 👍
Wobei ich die Idee, dass es "Puff" macht, eine rosa Wolke ☁️ aufsteigt auf und Sternenstaub ✨️ herunter rieselt echt verlockend finde - 🤔 überlege gerade, ob ich nicht lieber daran glauben möchte... 😂😉